Gegessen wird was auf den Tisch kommt
Nachdem diejenigen, die sich von den hier gemachten Aussagen negativ angesprochen oder gar persönlich erkannt fühlen, diese Zeilen gelesen haben, kochen diese Köche nun auch noch innerlich. Der Autor weiß es, trotzdem muss es endlich mal gesagt werden, es wird allerhöchste Zeit. Da hier ja renommierte Spitzenköche zitiert wurden, die aus Funk und Fernsehen bekannt sind (die Klagen gegen ihre Breie gingen durch alle Nachrichten), brauchen sie sich nicht mal die allergeringste Infragestellung ihrer kunstvollen Kreationen gefallen zu lassen. Das würde an ihrer Würde kratzen wie der Pfeffer am Gaumen.
Ausgekochte Schlitzohren und abgekochte Schlauberger werden nun überlegen, wie man einen Nestbeschmutzer, der es wagt, solche Gedanken offen anzusprechen, in irgendeine dunkle Ecke stellen kann. Zumal dann, wenn der Pappenheimer von der anderen, der technischen Fakultät kommt. Man könnte ihm z.B. vorhalten, dass er die Geheimrezepte der grünen Superköche mit deren beabsichtigter und daher streng geheimer Langzeitwirkung in unautorisierter Weise aufgedeckt und veröffentlicht hat. Der trägt doch einen Vollbart wie Che Guevara, kann man ihn nicht daraufhin nach Guantanamo schicken?
Man müsste den Geheimdienst auf ihn hetzen. Besonnenere Köche sagen aber: langsam, langsam, seinem staatlichen Auftrag ist der Oberkoch ja ein ganzes Berufsleben lang immer ausgesprochen loyal nachgekommen. Seine Personalakte und seine Berufungen in entsprechende Positionen dokumentieren das unmissverständlich. Da dies im Staatsdienst eine der wenigen Möglichkeiten ist, eine hohe Fachkompetenz zu honorieren, ist das ein guter Maßstab für Betrachter außerhalb der Verwaltungen. Dabei hat das einen Wermutstropfen, denn solches ruft bekanntlich den verdeckten Unwillen von jenen hervor, die das Gehalt jener Positionen zwar auch gerne gehabt hätten, aber die Voraussetzungen dafür nicht zu erfüllen bereit waren.
Dem ebenso motivierten wie mutigen Staatsdiener kann man bei Lichte besehen auch keinen Verrat von Staatsgeheimnissen vorwerfen. Höchstens nun (rückwirkend), dass er mit schmutzigen Schuhen über ein Nest von grünen Grünfinken gelaufen und es dabei beschmutzt haben könnte. Eigentlich lag es sowieso schon am Boden, weil die Köche darin Wachteleier gesucht haben. Aber vielleicht könnte man dem Kochplaner die unverblümte und öffentliche Benennung der Stolpersteine auf dem Weg der willigen Köche als Verrat auslegen. Nein auch nicht, denn das ist ein nicht geheimer Vorgang, der nach öffentlicher Auslegung der Rezept- und Planunterlagen ohnehin längst bekannt und breit diskutiert worden war. Daher ist das nichts für James Bond im Auftrag irgendeiner Majestät zur Rettung des Abendlandes.
Geheimrezepte aus der Giftküche
Wenn der Oberkoch nicht schon über Jahrzehnte hinweg prima Breie in kürzestmöglicher Zeit für angemessene Kosten bestens gekocht hätte, hätte man ihn als ständigen Mahner gerne schon früher aus der Küche verbannt – Versuche dazu sind gemacht worden. Vielleicht könnte man ihn aber jetzt noch irgendwie auf eine verdrehbare Aussage festnageln, dann hätte man eine Handhabe, ihn in die ausgemachte dunkle Ecke zu stellen. Dorthin wo schon mehr verpönte Bauernopfer herumstehen. Damit könnte man geschickt einen Nebenkriegsschauplatz eröffnen, der das Potential hätte, vom eigentlichen Hauptproblem abzulenken. Das würde fast so gut wirken wie der Schierlingsbecher bei Sokrates. Aber Vorsicht: was hier wie eine Steilvorlage beim Fußball aussieht, könnte sehr leicht zu einem Eigentor führen.
Der wackere Oberkoch befürchtete während seiner langen Dienstzeit immer mal wieder, dass es die Breiesser nicht merken und schon gar nicht würdigen, wofür er mit Idealismus und Engagement, Mut und Energie, Schwung und Enthusiasmus, hoher Motivation und einer guten Portion Courage den Kochlöffel schwang. Zugegeben: Eine richtige Gesamtbeurteilung der hochkomplexen Problematik ist für die normalen Breiesser auch wirklich schwer. Weil diese in lautstarken und monotonen Wiederholungen immer wieder auch von anderen Hindernissen gehört hatten. Das bringt sie manchmal etwas durcheinander. Dabei ist genau das die Absicht. Otto Normalesser soll die tatsächliche Urheberschaft der Verbretterungen vor den Köpfen nicht erkennen.
Unter anderem beklagten die aus latenter Unzufriedenheit rotgrün angelaufenen Fast-Food-Gourmets, dass ihnen die Mittel zur „Untersuchung der Verträglichkeit der grünen Brennnessel im grünen Spinatbrei“ gestrichen worden sind und dass sie es daher gar nicht verantworten konnten, dass der Brei fertig gekocht wird. Er musste deshalb immer halbfertig vor sich hin köcheln und somit konnte auch nur ein Mischmasch herauskommen. Sagen diese Unschuldsengel! Dies sei auch der Grund, warum es so lange gedauert hat, bis zum Servieren und deshalb sei die Verträglichkeit des Breis trotzdem unsicher geblieben. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Es grünt so grün
Sie merken es schon, lieber Leser, die allermeisten Probleme hatte der Oberkoch immer mit den grünen Breien, die von froschgrünen Köchen mit grasgrünen Löffeln in lindgrünen Töpfen angerührt worden waren. Manche der kunstvoll zusammen gemixten Gebräue sahen schon von vornherein giftgrün aus. Manche rochen wie „schon mal gegessen“, andere waren inzwischen sogar von grünem Schimmel überzogen. Gesund waren sie jedenfalls überhaupt nicht.
Sie loben auch den hohen Eisengehalt des Gerüchts. Ob das die in den Spinat gefallenen Bestecke waren? Dass das mit dem hohen Eisengehalt im grünen Spinat sowieso nicht stimmte (wie viele andere Ammenmärchen auch), übergehen die grünen Werbestrategen einfach. Sie können sich das leisten, weil ihnen immer alles blind geglaubt wird. Frech bezeichnen sie ihre Gerichte wider besseren Wissens als äußerst gesund und dann servieren sie das Zeug mit der Überzeugungskraft eines biblischen Apostels trotzdem.
Im Verlaufe der langen Brodel- und Kochzeiten kam es auch oft vor, dass sich die verschiedenen Grüntöne untereinander bissen. Ebenso wie die bissigen Servierer der grünen Gerichte. Denn untereinander waren sich längst nicht alle immer grün. Im Gegenteil, sie spuckten sich dauernd gegenseitig in die Suppe. Kein Wunder, denn jeder hatte eine andere Theorie zur Suppenmixerei und -verwertung. Das ist genauso wie bei den Medizinern. Nach erfolgloser Behandlung fragte einst ein konvertierter Homöopath einen Patienten, der zuvor einen praktischen Arzt konsultiert hatte „was für dummes Zeug hat Ihnen denn der alte Quacksalber verordnet?“ „Er hat mich zu Ihnen geschickt“.
Wie in einer alternativen Selbsterfahrungsgruppe wurde unverdrossen weiter herum experimentiert mit Grünkohl aus Buxtehude, mit grünem Salat aus Großkleckersdorf oder mit grünem Waldmeister aus Dusseldorf. Der macht dusselig, schmeckt nicht und ist zuweilen giftig. Das macht aber nichts. Vogel friss oder stirb!
In feinen Gourmetrestaurants ist ja nicht gerade Schmalhans Küchenmeister. Da wird nicht gespart (am Preis), sondern kräftig geklotzt. Außerdem wird dort mutig herumexperimentiert. Da ist es sogar möglich, scheinbar unvereinbare Aromen auf dem Teller zu einer exquisiten Geschmackssymphonie zu vereinen. Wenn das Ergebnis dann mit einer vernichtenden Kritik durch die Fachpresse entthront wird, müsste der Koch eigentlich die Löffel abgeben. Aber meist ist das der Patron des Hauses selbst und er versucht krampfhaft das Fiasko zu vermeiden, indem er die Aromen schnell wieder anders kombiniert und einen veränderten Versuch als neue „Creation de grande passion“ anpreist. Z.B. geröstete Angsthasenfüße in „kamelisierter“ Brennnesselsauce. Bekanntlich ist die Herumversucherei völlig legitim, weil der Koch vorher ja auch so genau nicht wissen konnte, was in der sich stetig verändernden Geschmackswelt gerade angesagt ist, oder künftig sein wird.
Conferencier bei Conferenzen der Nouvelle cuisine
Irgendwas stimmt doch hier nicht am Verfolgen des Gesamtwerkes. Warum wurden so viele der in Rezeptbüchern hochgejubelten Breie pampig und als unmittelbare Folge die Breiesser selbst auch? Was sagt das Management? Hat sich jemand nicht kommunikativ genug verhalten? Obwohl regelmäßig appelliert wurde, sich ständig in möglichst großem Kreise, in Konferenzen, Besprechungen, Zusammenkünften, Arbeitskreisen, Ausschüssen, Kochklubs, Kaffeekränzchen usw. gegenseitig zu besuchen? Oder ist gar viel zu viel kommuniziert worden und gerade deshalb wurde der Brei von Konferenz zu Konferenz immer ungenießbarer?
Obiges hat der Oberkoch keineswegs überdramatisch dargestellt oder geträumt. Eine Vielzahl von Kochanweisungen verlangte tatsächlich das exorbitant kommunikative Verhalten von den Projektleitern ... äähh ... Köchen, in so verallgemeinerter Form, dass es schon an eine rügbare Handlung grenzte, wenn dem allerersten Andenken einer Vorab-Vorüberlegung für eine Vor-Vorstudie nicht eine ausgiebige Vorab-Vor-Diskussion in einer großen Elefantenrunde vorausging.
Was hier etwas kritisierend klingen mag, kann im Grundgedanken etwas Gutes sein. Ja es wäre tatsächlich etwas Gutes, wenn es sich nicht vielmals gezeigt hätte, dass Teile der Elefantenrunde von vornherein nichts anderes beabsichtigt haben, als kurz danach hinter dem Tresen still und heimlich die Suppe zu versalzen. Sodass immer wieder neu damit begonnen werden musste. Das dauerte natürlich und schien die wirkliche und einzige Absicht einiger Beiköche zu sein.
Das hat nicht immer jeder Oberkoch durchschaut. Den grün gewandeten Beiköchen war es nicht ohne Grund so wichtig, dass an jeder frühzeitigen Früh-Vorinformation immer gleich von Anfang an jene...