Metropole des Erzbistums Magdeburg 1024–1240
Reichsferne in salischer Zeit
Nach dem Tod Kaiser Heinrichs II. 1024 geriet Magdeburg für eine geraume Zeit in eine gewisse Reichsferne. Die nun einsetzende Zeit der salischen Herrscher (1024–1125) hatte ihren Herrschaftsmittelpunkt im Südwesten des Reiches. Der Impuls, den die Stadt im ottonischen Zeitalter erhalten hatte, war jedoch so stark, dass ihre Entwicklung sich dennoch kontinuierlich fortsetzte. Die einstige Bautätigkeit hatte sich v. a. auf den Domplatz bezogen, wo neben dem Moritzkloster auch die Kathedrale als Sitz für den Magdeburger Erzbischof errichtet wurde. Jüngere Grabungen im heutigen Bau und auf dem Vorplatz haben noch keine vollständige Klarheit über die Abfolge und die Lage der Bauten zueinander ergeben.
Die Mönche des Moritzklosters mussten nach Gründung des Erzbistums ihren Sitz auf dem Domplatz verlassen und errichteten in einiger Entfernung südlich davon auf einer Erhebung am Westufer der Elbe ihr Johanneskloster, das sich auch aufgrund großzügiger Schenkungen Ottos des Großen im Laufe des Mittelalters zu einer bedeutenden Benediktinerabtei entwickelte, später nur noch »Kloster Berge« genannt.
Dass sich Magdeburg nicht nur zu einem geistlichen Zentrum entwickelte, sondern auch zu einer Handels- und Gewerbestadt, bezeugt die Anfang des 11. Jhs. geschriebene Chronik Thietmar von Merseburgs, in der von einer »ecclesia popularis« (Kirche des Volkes) die Rede ist. Auch in zwei Urkunden Ottos I. 941 und 946 wird je einmal eine »plebeia ecclesia« und eine »ecclesia popularis« erwähnt. Damit könnte die Johanniskirche am Alten Markt gemeint sein, um die herum sich im hohen Mittelalter das bürgerliche Zentrum Magdeburgs entwickelte.
Auch wenn der Aufstieg benachbarter Handelsstädte wie Halle, Halberstadt, Quedlinburg und Braunschweig im 11. Jh. möglicherweise auf eine Art »räumlicher Rückverlegung des Fernhandels« (Kleinen, S. 55) und damit eine Bedeutungsverminderung Magdeburgs als zentraler Umschlagplatz an der Elbe hinzudeuten scheint, wuchs die Stadtgemeinde in dieser Zeit offenbar kontinuierlich an.
Die Entwicklung Magdeburgs verlief im 11. Jh. offenbar so positiv, dass Brun von Querfurt es in der »Albertsvita« in die Position einer »neuen Hauptstadt der Deutschen« rückte. Wahrscheinlich ist seine Aussage jedoch aus seiner engen Beziehung zu den Ottonen zu verstehen und beschreibt eine Zukunftsperspektive Magdeburgs, die sich zum Zeitpunkt seines Todes 1009 schon erheblich verschlechtert hatte.
Auch das Erzbistum Magdeburg spielte im Laufe des 11. Jhs. keine besondere Rolle mehr in der Herrschaftskonzeption der Salier nach dem Tode Heinrichs II. Die Kaiseraufenthalte in Magdeburg reduzierten sich bei Konrad II. gegenüber dem letzten der ottonischen Herrscher, Heinrich II., von 17 auf vier; Heinrich III., Nachfolger Konrads II., war während seiner zwölfjährigen Herrschaft überhaupt nicht in Magdeburg. Die Aufenthalte Konrads II. standen dabei immer im Zusammenhang mit Feldzügen gegen die Polen und die Liutizen. Als sich die Situation im Mittelelbegebiet Mitte der 1030er-Jahre beruhigte, verlor Magdeburg weiter an Bedeutung. Das galt auch für das Erzbistum, das in dieser Zeit keinen nennenswerten Einfluss auf die Reichspolitik ausüben konnte.
Unter dem Salier Heinrich IV. geriet das Reich in eine sehr unruhige Zeit, die im Investiturstreit und dem berühmten »Gang nach Canossa« des Kaisers 1077 gipfelte. Da diese Krise ganz entscheidend mit der starken Opposition gegen ihn, die v. a. in Sachsen wurzelte, zusammenhing, musste der Magdeburger Erzbischof Werner zwangsläufig involviert werden. Heinrich IV. brachte den sächsischen Adel und die Bauern gegen sich auf, weil er in dem Versuch, königliche Rechte in Sachsen wiederherzustellen, das Land mit einer großen Anzahl von Burgen überzog und diese mit schwäbischen Ministerialen besetzte. Die darauf aufbrechenden Konflikte dauerten fast 15 Jahre an. Werner hatte zunächst ein gutes Verhältnis zum König, was sich nach 1072 in einem Pfingstaufenthalt Heinrichs IV. in Magdeburg äußerte. Bereits 1073 stand der Erzbischof jedoch auf der Seite der aufständischen Sachsen. 1073 flammten die Konflikte auf, als sich Heinrich IV. im Harz aufhielt. Vor den erzürnten sächsischen Fürsten musste der König zunächst in der Harzburg, später im Südharz Zuflucht suchen.
In den folgenden Jahren wurde das Erzbistum von den Kämpfen zwischen dem König und der sächsischen Adelsopposition verschont, da sich Heinrich IV. – ähnlich wie sein Vater Heinrich III. – viel mehr für den Harzraum und hier v. a. für den Bergbau im Rammelsberg bei Goslar interessierte. Erzbischof Werner hielt sich in dieser bewegten Zeit zurück und nahm eher eine ausgleichende Position ein. Er gehörte also nicht zu den Führern des nun ausbrechenden Sachsenaufstandes, wie etwa Graf Otto von Northeim oder Bischof Burchard II. von Halberstadt. 1078 kam Werner im Verlauf der Schlacht bei Mellrichstadt ums Leben. Es war der erste gewaltsame Tod eines Magdeburger Erzbischofs. Er scheint nicht im Kampf gefallen, sondern auf der Flucht erschlagen worden zu sein. Werner hatte auf der Seite Rudolfs von Rheinfelden gegen König Heinrich IV. gekämpft. Auch wenn Rudolf als Sieger aus diesem Konflikt hervorging, beeinflusste dies doch den weiteren Verlauf des Sachsenaufstands nicht nachhaltig. Heinrich war zwar durch den Ausgang des »Ganges nach Canossa« politisch stark geschwächt, aber er konnte die folgenden Jahre glimpflich überstehen. In dem großen Streit zwischen Kirche und Staat war es vordergründig um die Frage gegangen, wer legitimiert war, Bischöfe einzusetzen – Papst oder König. Schließlich waren die Bischöfe ja nicht nur die Träger geistlicher, sondern auch weltlicher Macht. Es ging im Kern also um den Machtkampf zwischen »sacerdotium« und »regnum«, Papstum und Königtum. Der Gegenspieler Heinrichs war dabei Papst Gregor VII., der Große genannt. Dessen Arm war im Kampf mit dem Kaiser lang geworden. Er setzte als Erzbischof von Magdeburg gegen den Willen des Domkapitels Erzbischof Hartwig durch. Heinrich sah das Wirken des Letzteren mit Argwohn, stattete aber 1085 Magdeburg einen Besuch ab, über den wenig überliefert ist, der aber wohl friedlich verlaufen ist.
Im 11. Jh. kam es v. a. in der Zeit Erzbischof Geros zu Klostergründungen. In seiner Zeit wurden die beiden Kollegiatstifte St. Sebastian und St. Marien, das spätere Kloster Unser Lieben Frauen, gegründet. Ersteres ist zunächst als zweite Johanniskirche zwischen 1012 und 1023 gegründet worden, später wurde das Sebastiansstift daraus.
In der Ostpolitik des Erzbistums Magdeburg lässt sich in der 2. Hälfte des 11. Jhs. hingegen keine Aktivität verzeichnen. Am Beginn des 12. Jhs. kann man bei einer kontinuierlichen Weiterentwicklung des Ortes eine starke Bedeutungsreduzierung des Erzbistums feststellen. Man kann sogar von einem »Provinzerzbistum« (Kleinen, S. 59) in jener Zeit sprechen. Einen gewissen Bedeutungszuwachs hat es dagegen in der Herrschaftszeit Erzbischof Adelgots (1107–1119) gegeben. Unter ihm wurde auch der Ort Magdeburg gefördert. So tätigte er eine Stiftung für die Armen. 100 Brote, 100 Maß Getränke und 100 Fische sollten in der Fastenzeit an sie verteilt werden.
Erzbischof Norbert von Xanten
Unter dem Erzbischof Norbert von Xanten (1126–1134), Gründer des Prämonstratenserordens, erlebte das Erzbistum eine bewegte Zeit, und auch über die inzwischen vorhandene Bürgergemeinde ist nun einiges zu erfahren. Die Gründe für sein konfliktreiches achtjähriges Episkopat lagen einerseits in einer Charaktereigenschaft Norberts, die aus den Schriftquellen herausklingt und am besten mit kompromissloser Härte beschrieben wird. Zum anderen war er ein Reformer, der sich bestimmte Ziele gesetzt hatte, die er aufgrund seines Charakters auch stringent versuchte durchzusetzen. Schon seine Einsetzung als Erzbischof von Magdeburg war nicht konfliktfrei verlaufen. Während sich das Domkapitel für Konrad von Querfurt entschieden hatte, favorisierte König Lothar III. den in Europa schon sehr bekannten Norbert von Xanten, dessen Gründung des Prämenstratenserordens im französischen Prémontré am 16. Februar 1126 vom Papst anerkannt worden war. Diese Umstände sowie die offensichtliche Unkenntnis Norberts über die Magdeburger Verhältnisse hatten erhebliche Verwerfungen zwischen ihm und der Stadt zur Folge. Schon seine Ankunft deutet auf die Kluft zwischen beiden hin: Er soll auf einem Esel in die Stadt geritten sein, wahrscheinlich um seine Demut unter Beweis zu stellen, und wurde von den Wächtern des erzbischöflichen Palastes zurückgewiesen, weil sie in ihm nicht den neuen Erzbischof erkannten.
In den Reihen der Magdeburger Geistlichkeit hatten sich im Laufe der Zeit Gewohnheiten ausgebildet, die ein sittenstrenger neuer Erzbischof wie Norbert nur bekämpfen konnte. So erkannte er schnell die desolate wirtschaftliche Lage des Erzbistums und versuchte die Güter wieder zurückzugewinnen, die unter seinen Vorgängern durch Misswirtschaft verloren gegangen waren. Er scheute auch nicht davor zurück, die Verhängung des Banns als Machtmittel gegen einzelne einzusetzen. Sein Verhältnis zur Geistlichkeit verschlechterte sich zusätzlich, als er das im Investiturstreit geforderte Verbot der Priesterehe durchzusetzen versuchte, indem er die Geistlichen zwang, entweder ihre Ehen aufzuheben oder ihre kirchlichen Pfründe aufzugeben. Zu regelrechten Unruhen kam es 1129, als er daranging, das Kloster Unser Lieben Frauen von einem Kollegiatstift in ein Prämonstratenserkloster umzuwandeln, um seinen Orden nun auch im Osten des Reiches zu etablieren. In diesem Zusammenhang stehen die schweren Verwerfungen in Magdeburg im Jahr 1129. In der Schöffenchronik steht zu...