In diesem Kapitel erfolgt eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die für die Entwicklung der sozialen Systeme Pädagogik und Journalismus von besonderer Bedeutung sind. Um die Wissensgesellschaft als Kontext des Untersuchungsfeldes der vorliegenden Arbeit und die innergesellschaftlichen Zusammenhänge ausreichend darzustellen, werden im Folgenden die elementaren Teilbereiche der Gesellschaft Wissen und Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Medien und Kultur näher beleuchtet. Dieses Kapitel dient als Grundlage, auf dessen Basis die Pädagogik und der Journalismus in der Wissensgesellschaft analysiert und mögliche Allianzen zwischen den beiden Disziplinen identifiziert werden sollen.
Allgemein formuliert ist Wissen, um mit den Worten von Daniel Bell zu sprechen, eine „Sammlung in sich geordneter Aussagen über Fakten oder Ideen, die ein vernünftiges Urteil oder ein experimentelles Ergebnis zum Ausdruck bringen und anderen durch irgendein Kommunikationsmedium in systematischer Form übermittelt werden" (Bell, 1976: 180). Jene Übermittlung ist im Laufe der Zeit zu einer immer größeren Herausforderung geworden, da sich das Wissen der Menschheit in den vergangenen Jahrhunderten um ein Vielfaches vergrößert hat. In der modernen Gesellschaft ist es zweifellos nicht mehr möglich, sich als einzelnes Individuum das komplette zur Verfügung stehende Wissen über die Welt und ihre Zusammenhänge anzueignen. Die Menschheit hat über Jahrhunderte eine solch große Menge an Wissen angehäuft, dass es immer aufwendiger wurde, dieses Wissen sorgfältig zu bündeln und zu Papier zu bringen. Die Datenmengen haben einen solchen Umfang erreicht, dass das größte Nachschlagewerk der Welt, die „Encyclopædia Britannica“, künftig nicht mehr in gedruckter Form erscheinen wird[9]. Die Zunahme von Wissen bedeutet jedoch auch, dass das Unwissen anwächst (Vgl. Adolf in Engelhardt / Kajetzke, 2000: 57). Daraus lässt sich wiederum schließen, dass das Wissen einen widersprüchlichen Charakter besitzt: Wissen ist nämlich zugleich Organisationsprinzip und Problemquelle der modernen Gesellschaft (Vgl. ebd.). Auf der einen Seite bildet Wissen den Kern kreativer, gesellschaftsprägender Innovationen. Auf der anderen Seite bringt ein Mehr an Wissen soziale Ungleichheit mit sich, da der Zugang zu Wissen als wichtige gesellschaftliche Ressource dem Schichtungsprinzip unterliegt (Vgl. Stehr, 2003: 23 und 26). Daraus lässt sich folgern, dass der Abstand zwischen denjenigen, die Zugang zum Wissen haben, und immer mehr Wissen anhäufen können, und denjenigen, denen der Zugang zum Wissen verwehrt bleibt, immer größer wird. Diese Argumente fallen bezüglich der Unterthese, dass die Wissensgesellschaft soziale Ungleichheit verstärkt, auf fruchtbaren Boden. Diese Thematik wird von Daniel Rohrbach in ihrem Werk „Wissensgesellschaft und soziale Ungleichheit: Ein Zeit- und Ländervergleich“ ausgiebig analysiert.
Trotz alledem muss man konstatieren, dass Wissen in der modernen Gesellschaft zur wichtigsten Produktionskraft und Quelle von Innovationen und technischem Fortschritt geworden ist. Obwohl Wissen in der Geschichte der Menschheit schon immer eine gewichtige Rolle eingenommen hat, kann man zweifellos von einem deutlich angestiegenen Stellenwert des Wissens in der modernen Gesellschaft sprechen, was dazu führt, dass Wissen, Information und Expertise neben Geld und Macht nun als eine „gleichberechtigte Ressource gesellschaftlicher Reproduktion“ (Kübler, 2008: 94) gilt. Der enorme technische Fortschritt, der seine Spuren in allen wesentlichen Bereichen der modernen Gesellschaft hinterlässt, trägt dazu bei, dass technisches Wissen und Können immer stärker gefragt sind. Damit eine Gesellschaft an globalen Bewegungsabläufen partizipieren kann, bedarf es intellektueller Vernetzungstechnologien, an deren Weiterentwicklung Wissenschaftler und Forscher mit dem entsprechenden Wissen, sprich technischem Know-how, stetig feilen. Die Weiterentwicklung der Gesellschaft liegt somit zu wesentlichen Teilen in den Händen von technisch versierten Akademikern. Die höhere Bildung, die das Wissen vermittelt, das in Wissenschaft und Forschung angewendet und neu generiert werden kann, spielt in der Wissensgesellschaft damit ebenfalls eine entscheidende Rolle. Als Grundlage für Innovationen und Fortschritt basiert Wissen auf Daten und Informationen.
Nach dem dreistufigen Selektionsprozess des deutschen Soziologen Helmut Willke werden in einem ersten Schritt Daten erhoben, die auf Erfahrung beruhen. Indem diese Daten in einen ersten Kontext der Relevanzen gestellt werden, transformieren sie sich zu Informationen. Dadurch, dass man die gewonnenen Informationen in einen zweiten Kontext der Relevanzen, der aus Erfahrungsmustern besteht, einbindet, entsteht Wissen (Vgl. Engelhardt / Kajetzke, 2010: 68).
Francis Bacon hat mit seinem berühmten Zitat „Scientia est potentia" (Wissen ist Macht) bereits im 16. Jahrhundert das theoretische Fundament für die moderne Wissensgesellschaft gelegt. In der vorliegenden Arbeit wird Wissen, dem Kulturwissenschaftler Nico Stehr folgend, als „Fähigkeit zum sozialen Handeln“ (Stehr, zitiert in Mittelstraß, 2000: 95), sprich Handlungsvermögen verstanden. Wer handlungsfähig ist, kann etwas in Gang setzen (Vgl. ebd.), sich Wissen aneignen, es vertiefen und in kreativen und innovativen Prozessen anwenden. Wenn Menschen handeln, dann beziehen sie sich auf Wissen, das es ihnen ermöglicht, mit ihren Handlungen und deren Realitätsverarbeitungen neues Wissen zu generieren (Vgl. Kübler, 2008: 103). Kreativität und Innovation sind Kerntechniken einer Gesellschaft, in der Wissen das zentrale Element der Gesellschaftsstruktur und des sozialen Wandels bildet (Vgl. Engelhardt / Kajetzke, 2010: 41). Das Wissen, verstanden als Handlungsvermögen, basierend auf Daten und Informationen, gibt die Richtung der modernen Gesellschaft vor, deren Fokus verstärkt auf der Zukunft liegt. Das Medium Wissen, das im ursprünglichen Sinne aus dem Zurückgreifen auf Erfahrungsmuster, die in Auseinandersetzung mit Vergangenem entstehen, hervorgeht, verändert seine Form, da es von dem charakteristischen Merkmal der Moderne – der Orientierung auf Zukunft – erfasst wird (Vgl. ebd.: 67). Das bedeutet, dass Komponenten des Nichtwissens Bestandteil der Wissensstrukturen werden (Vgl. Willke in Engelhardt / Kajetzke, 2010: 67), deren Aufgabe es ist, gesellschaftliche Zusammensetzungen von Realitäten abzubilden (Vgl. Kübler, 2008: 104).
Das Hauptaugenmerk der Wissensgesellschaft liegt auf Entwicklungen für die Zukunft und auf immer schneller einsetzenden wissenschaftlich-technischen und ökonomischen Fortschritten. Dies wirkt sich auf die Orientierungsfunktion von Wissensstrukturen aus, denn „mit dem Mehr an Wissen geht ein Mehr an Unwissen einher, mit einem Mehr an politischer Selbstbestimmung ein Mehr an zu tolerierender Ignoranz" (Adolf in Engelhardt / Kajetzke, 2010: 62). Dem Wissen als bedeutendste Produktionskraft der modernen Gesellschaft kann daher unterstellt werden, nicht nur mehr Innovation, technische Errungenschaften, selbstbestimmten Lernprozesse und eine breit gefächerte Informationsvielfalt, sondern auch soziale Ungleichheit zu produzieren. Die Bedeutung von Wissen in der modernen Gesellschaft ist vor allem ökonomischer Natur, denn Wissen umfasst „die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Wissen basiert auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen aber nicht an eine Person gebunden" (Gabler Verlag, 2010[10]). Die Güterproduktion und die damit verbundenen Industriearbeiter verlieren in ihrer Funktion massiv an Bedeutung, weil Wissensstrukturen an ihrer Stelle entstehen, die es erlauben, Wissen gezielt anzuwenden, um beispielsweise Produkte herzustellen (Vgl. Schäfers, 2007: 108). Damit nehmen das Wissen und der Wissensarbeiter letztlich enormen Einfluss auf die Güterproduktion und den Industriearbeiter. Das Wissen, das darauf ausgelegt ist, verarbeitete Informationen in Prozesse zu übersetzen, die neue Produkte, Entwicklungen, Ideen und Strukturen hervorbringen, kann als Erkenntniswissen beschrieben werden. Neue Erkenntnisse zu liefern ist Hauptaufgabe der Wissenschaft, die bemüht ist, „menschliche Entwicklung und Entfaltung zu verbessern, Fortschritte zu ermöglichen, Fehlentwicklungen und Irrationalismen zu vermeiden, mithin »nützliches« Wissen zu generieren, zu speichern, weiterzugeben bzw. in technische Lösungen zu realisieren“ (Kübler, 2008: 133).
Forschung als jener Prozess, in dem es darum geht, objektive Erkenntnisse zu erlangen (Vgl. Mohr, 1999: 29), und Wissenschaft als eine kulturelle Institution, die auf Erkenntnis ausgerichtet ist (Vgl. ebd.: 31), lassen sich hinsichtlich ihrer funktionalen Entwicklung auf unterschiedliche Weise interpretieren. Auf der einen Seite kann in der Wissensgesellschaft durchaus von einem Aufstieg und einer Bedeutungssteigerung von Wissenschaft – respektive der Technowissenschaft – und Forschung die Rede sein, da die moderne, durch Technik bestimmte Welt auf dem Wissen der Wissenschaft und auf den konstruktiven Fähigkeiten der Wissensarbeiter basiert (Vgl. ebd.: 33). Auf der anderen Seite steht die Vermutung, dass die Wissenschaft an Grenzen, beispielsweise ökonomischer Art, stoßen könnte, denn „daß die auf einem bestimmten technischen Niveau und mit einem bestimmten...