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Mehrwertiger Kapitalismus

Multidisziplinäre Beiträge zu Formen des Kapitals und seiner Kapitalien

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl282 Seiten
ISBN9783531917849
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis46,99 EUR
Welchen Wert hat der Kapitalismus für uns heute - in Zeiten also, in denen Heilsversprechungen über die freie Entfaltung der Marktkräfte vehement mit dramatischen Krisenprognosen konkurrieren? Gibt es eigentlich das Kapital oder den Kapitalismus? Welches Verständnis von Märkten und ihrem Kapital gewinnen wir nicht nur aus ökonomischer, sondern auch aus soziologischer, kulturwissenschaftlicher und politikwissenschaftlicher Sicht? Und welche Entwicklung solcher Kapitalien und ihrer Beziehungen untereinander ist für die Zukunft zu erwarten? Der Band nähert sich diesen Fragen vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft aus unterschiedlichen fachwissenschaftlichen Perspektiven, die sowohl die aktuellen praktischen Probleme als auch die theoretischen Dimensionen im Blick behalten.


Prof. Dr. Stephan A. Jansen ist Präsident der Zeppelin University in Friedrichshafen und hat dort den Lehrstuhl für Strategische Organisation und Finanzierung inne.

Prof. Dr. Eckhard Schröter ist Leiter des Departments Public Management & Governance an der Zeppelin University Friedrichshafen und Inhaber des Stadt Friedrichshafen-Lehrstuhls für Verwaltungswissenschaft & Verwaltungsmodernisierung.

Prof. Nico Stehr, PhD, ist Karl-Mannheim-Professor für Kulturwissenschaften an der Zeppelin University Friedrichshafen.

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Leseprobe
"Private Equity-Gesellschaften – Aussauger oder disziplinierende Akteure des Kapitalismus? (S. 149-150)

Heike Proff

Seit 2005 beherrschen Private Equity-Gesellschaften die öffentliche Diskussion. Diese bis dahin unbekannten Akteure des Kapitalismus beteiligen sich an Unternehmen, die bei geeigneten Restrukturierungsmaßnahmen Wertsteigerungspotenziale und einen Wiederverkauf mit hohen Gewinnen versprechen. „Heuschrecken"" nannte sie der frühere SPD-Chef Franz Müntefering. Er meinte damit die Texas Pacific Group (TPG), die die Grohe AG in Hemer, einen Anbieter von Sanitäranlagen in seinem sauerländischen Wahlkreis gekauft hatte und zur Erhöhung des Wiederverkaufspreises zu restrukturieren begann.

Dabei wurden auch Werke geschlossen, Teile der Produktion ins Ausland verlagert und das Unternehmen zur Finanzierung des Kaufpreises stark verschuldet. Die IGMetall hob deshalb die Private Equity-Gesellschaften im Frühjahr 2005 als „Aussauger"" auf den Titel ihres Monatsmagazins. Es gibt Beispiele von Unternehmen, die durch Private Equity-Gesellschaften tatsächlich ausgepresst und nahezu in den Ruin getrieben wurden. Andere Unternehmen, die in das Portfolio aufgenommen wurden (Portfoliounternehmen), stehen dagegen heute sehr gut da.

In diesem Beitrag wird deshalb der Einfluss der Private Equity-Gesellschaften auf den Unternehmenssektor untersucht (Abschnitt 4). Dazu wird zunächst das Geschäftsmodell von Private Equity-Gesellschaften kurz vorgestellt (Abschnitt 1) und dann deren Strategien bezogen auf Portfoliounternehmen untersucht (Abschnitt 2). Anschließend wird beispielhaft das Private Equity- Engagement bei den deutschen Unternehmen Grohe und Kiekert, Hersteller von Türschlössern für die Automobilindustrie, vorgestellt (Abschnitt 3).

1 Das Geschäftsmodell von Private Equity-Gesellschaften Private

Equity bedeutet privates Beteiligungskapital. Private Equity-Gesellschaften sind Beteiligungsgesellschaften, die Portfoliounternehmen Eigenkapital zur Verfügung stellen im Austausch für Kapitalanteile an diesen Unternehmen, die es ihnen erlauben, mittelfristig an der Leistung der Unternehmen teilzuhaben (vgl. z.B. Ernst/Häcker 2007: 57). Private Equity-Finanzierung bezeichnet ent sprechend die Finanzierung von Unternehmen mit Eigenkapital, das von außerhalb der organisierten Kapitalmärkte, v.a. der Börsen, kommt. Kapitalgeber der Private Equity-Gesellschaften waren 2005 in Deutschland vor allem (zu 37%) Pensionsfonds, d.h. versicherungsähnliche, rechtlich selbständige Versorgungseinrichtungen, die den Arbeitnehmern seiner Trägerunternehmen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gewähren.

So hat das California Public Employees’ Retirement System (CalPERS), der größte öffentliche Pensionsfonds in den USA, über 11 Mrd. US-Dollar Kapital in Private Equity investiert. Daneben investierten v.a. Dachfonds, d.h. Investmentfonds, die das Geld der Anteilseigner ausschließlich in Anteilen an Investmentfonds anlegen, Kreditinstitute und Versicherungen. Private Equity-Gesellschaften erhalten auch öffentliches Kapital von Gebietskörperschaften und von Universitäten wie z.B. der Harvard University. 2005 beschäftigten die Unternehmen, die durch Private Equity-Gesellschaften übernommen wurden oder in die sie investiert hatten, in Deutschland rund 800.000 Mitarbeiter (vgl. Ernst/Häcker 2007)."
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Einleitung: Mehrwertiger Kapitalismus8
Grundwerte des Kapitalismus. Klassische Konzepte und ihre Kritik12
Kapitalismus: Eine Theoriegeschichte bis heute13
Schrankenloses Steigerungsspiel: Die strukturbildende Einheit hinter der Vielfalt der Kapitalismen33
Commodification: A Necessary Evil?55
Die Vermessung der unternehmerischen (Um-)Welt. Ein essayistisches Plädoyer für pflegende Peripherien, nachhaltige Haltungen und einen mehrwertigen Kapitalbegriff69
Gebrauchswerte des Kapitalismus. Aktueller Wandel, Krisen und Reformpotenziale103
National Economic Adjustment in the Digital Era: Exploring the Role of Social Protection104
Die Subprime-Krise oder: Wie aus der Immobilienkrise eine handfeste Wirtschaftskrise wird128
Private Equity-Gesellschaften – Aussauger oder disziplinierende Akteure des Kapitalismus?147
Staaten und Märkte – Privatisierungspolitik in transatlantischer Perspektive163
Mehr-Werte des Kapitalismus: Die Kapitalien der Zukunft und die Verwandlung der Märkte190
Konsum zwischen Markt und Moral: Eine soziokulturelle Betrachtung moralisierter Märkte191
Zur Übertragbarkeit von Kapitalien. Einsichten aus der Migrationsforschung214
Ethics as Capital: Eggs, Research Governance and the Politics of Representation Jacquelyne Luce234
„Capitalism doesn’t mean that much to me.“ Die Künstlerin Katya Sander zeigt den verlassenen Ort der Kritik1 Karen van den Berg259
Zu den Autorinnen und Autoren275

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