2. DER BUDDHA – DER ERWACHTE
Zum Namen: Siddharta Gautama Shakyamuni, er wurde nach seiner Erleuchtung als «Buddha» (der Erwachte) bezeichnet. Er lebte von ca. 563 bis 483 v. u. Z. In den Lehrreden und Ordensregeln lesen wir entweder seinen Familien- oder besser Clannamen Siddharta Gautama (Siddhattha Gotama, Pali) oder der Bhagavat, ein Ehrenname, «der Herr», was in vielen Übersetzungen dann als der «Erhabene» auftaucht.
Spricht Buddha von sich selbst, dann sagt er «Tathagata», übersetzt heißt das: «Der so Gekommene».
Für uns ist es am einfachsten, bei dem zu bleiben, was wir haben: Shakyamuni Buddha. Der Buddha – der Erwachte.
Es gibt keinen Zweifel daran, dass Buddha lebte. Buddhas Lebenslauf und Wirken ist ziemlich gut erforscht und bekannt, aber die Person und die sozialen Umstände zu der Zeit vor 2500 Jahren waren nicht so sehr der Gegenstand der uns überlieferten Schriften. Die vorhandene komplette englische Übersetzung seiner Lehrreden hat ungefähr 5500 Seiten. Ich spreche vom Pali-Kanon. Mehr davon weiter unten.
Deshalb wird es schwierig, wenn wir uns die Person Buddha genauer anschauen wollen. War er der perfekte Prinzensohn vor der Erleuchtung und war er der perfekte weise Mensch, unangefochten von Leiden, Begierden, Verblendungen und Zweifeln nach der Erleuchtung als Buddha – der Erwachte? Es finden sich bis heute nach 2500 Jahren noch verschiedene Versionen darüber. Ich werde die wesentlichen, mir bekannten Quellen ausführlicher besprechen.
Wir, die sich auf den Weg gemacht haben, und diejenigen, die es vielleicht überlegen, wünschen sich natürlich ein perfektes Vorbild als Lehrer, wenn wir uns schon auf den WEG machen wollen, weil wir ahnen, dass es kein Zuckerschlecken werden wird. Ich dachte bis vor einiger Zeit auch, der Buddha wäre ein Prinz mit Namen Siddharta gewesen und sein Vater Sudhodana ein König. Siddharta sollte demnach der Thronnachfolger werden und im Luxus des königlichen Palastes im Königreich von Sakya gelebt haben, bis er bei einem Ausflug außerhalb der Schlossmauern zum ersten Mal in seinem Leben einem alten Mann, einem kranken Menschen, einem Leichnam und einem Wandermönch begegnete. Diese Begegnungen hätten Siddharta schockiert und ihm gezeigt, dass der Mensch sterblich ist. Von da ab hätte er das untätige und auf sinnliche Freuden ausgerichtete Leben nicht mehr führen können und wäre Wandermönch geworden. Soweit so anschaulich, aber da gibt es weitere Beschreibungen.
Ich werde mich an die Untersuchungen des Mannes halten, der die wichtigsten Quellen miteinander verglichen hat und auf den Wegen von Buddha im Auftrag der Wissenschaft gereist ist. Es ist Stephen Batchelor. Er studierte Buddhismus in Dharamsala, dem heutigen Sitz der tibetischen Exilregierung, wurde Mönch und buddhistischer Lehrer. Batchelor arbeitete viele Jahre mit und für den Dalai Lama. Nach zehn Jahren gibt er seine Robe wieder ab und wechselt in den Laienstand, bleibt aber Lehrer und schreibt Bücher. Seitdem ist er auch verheiratet mit einer ehemaligen Nonne und beide leben nun in Frankreich.
In seinem Buch «Bekenntnisse eines ungläubigen Buddhisten» lässt er uns teilhaben an seiner 37-jährigen Reise durch die buddhistische Tradition. Er sagt im Vorwort des Buches: «Meine Begegnung mit den traditionellen Formen des Buddhismus führte für mich mit wachsender Dringlichkeit zu der Frage: ‹Wer war dieser Mann Siddhattha Gotama (Pali), der Buddha?›, und: ‹Was waren das Besondere und Ursprüngliche an seiner Lehre?›».8
Seine Suche führte ihn auch zum Studium des Pali-Kanons.
Der Pali-Kanon ist eine buddhistische Schriftensammlung, in der wir hunderte von Belehrungen und Klosterregeln finden können. Der Pali-Kanon hat den schönen Namen «Drei Körbe» (Tripitika) und besteht aus 1. den Suttas, (Sutras), das sind die Lehrreden (Teishos) des Buddhas, 2. aus dem Vinaya, das sind Texte über die Klosterregeln, und 3. dem Abhidhamma, das sind exegetische Abhandlungen, die die Lehrreden systematisieren und erklären sollen. Traditionell werden alle «3 Körbe» als die Worte Buddhas anerkannt.
«Pali» bedeutet einfach «Text» und ist die schriftliche Version des Sanskrits, der Sprache, in der die klassischen Werke der brahmanischen Gesellschaft aufgezeichnet sind. «Das Pali hat eine ähnliche Beziehung zum Sanskrit wie das gesprochene Italienisch zum Latein,» sagt Batchelor.9
Man nimmt an, dass der Buddha auf seinen Wanderungen mit den verschiedenen nordindischen Dialekten vertraut war und diese auch benutzte. Es wird gesagt, dass Ananda, der sein Vetter und Mönch war und Buddhas Diener während der letzten 25 Jahre seines Lebens, alles, was der Buddha gesagt hatte, in seinem Gedächtnis bewahrte und so die Grundlage für den Pali-Kanon nach Buddhas Tod schuf. Ananda kämpfte nach Buddhas Tod sehr darum, dass die Worte des Buddhas nicht verändert wurden. Der Pali-Kanon wurde nahezu 400 Jahre mündlich in der Form, die Ananda festgehalten hatte, aufbewahrt, indem er von den Mönchen auswendig gelernt wurde. Dieses umfassende Werk eignet sich vorzüglich, um als Quelle der Information auch für Buddhas Leben zu dienen.
Das erste buddhistische Konzil wurde um das Jahr 400 v. Chr. in der Sieben-Blatt-Höhle in Rajagaha abgehalten. Von da aus verbreitete sich der Dharma aus Indien kommend bis zum heutigen Tage über viele Teile Asiens und später über andere Kontinente. Später, im 1. Jhdt. n. Chr., wurde der Pali-Kanon in Sri Lanka niedergeschrieben.
Im Pali-Kanon finden wir eine andere persönliche Rekonstruktion des historischen Buddha. Der Vater war demnach kein König, wohl aber ein Adeliger von hohem Rang, aus dem Clan der Gotamiden. Er hatte in der Versammlung der Sakiya den Vorsitz. Sakyia gehörte zum mächtigen Königreich Kosala, das von König Pasenadi regiert wurde. Wir lesen im Pali-Kanon dazu: «Die Sakiyas sind Untertanen des Königs von Kosala,» sagte Siddhattha Gotama. «Sie erweisen ihm demütig ihre Dienste und grüßen ihn, erheben sich und verneigen sich vor ihm und dienen ihm angemessen».10
Es finden sich weitere Widersprüche in den Schriften anderer Experten, die sich mit dem Leben Buddhas und der buddhistischen Tradition befasst haben, so auch bei einigen Arbeitsergebnissen von Stephen Batchelor. Die kritischen Fragen, die dort gestellt werden, sind nicht erheblich aber auch nicht unwichtig.
Schält man, einer Zwiebel vergleichbar, die Mythen ab, die den historischen Buddha umgeben, dann kann man zum Beispiel getrost, «die idealistischen Beschreibungen, die ihn (den Buddha) als gelassenen, perfekten Lehrer darstellen, der nie einen falschen Schritt tun konnte, beiseitelassen», stellt Batchelor fest.11
Gautama lebte nämlich in einer sehr unsicheren Welt. Er war als Wandermönch und Lehrer von seinen Gönnern abhängig. Ständig konnte Krieg ausbrechen oder es konnte während eines Staatsstreiches sein Gönner, der König Pasedani, abgesetzt oder umgebracht werden, was später auch geschah. Der Buddha war aber auf ihn angewiesen, denn er lebte 25 Jahre im Jeta-Hain unter dem Schutz des Königs. Dort wohnten er und seine Mönche in jedem Jahr während der Regenzeit wie in einem Kloster. Der Buddha hielt den größten Teil seiner uns überlieferten Reden und erarbeitete auch die Ordensregeln. Nach der Regenzeit wanderte Buddha mit seinen Schülern als Pilger um Almosen bettelnd im Lande umher und hielt weitere Lehrreden.
Ganz am Ende seines langen achtzigjährigen Lebens legte sich Buddha zwischen zwei Sal-Bäume und starb im östlichen Kosala, außerhalb von Kusinara, einer Stadt in Malla (Nord-Indien).
Das alles wird uns im Parinirvana-Sutra geschildert. Buddhas Sterben war genau so, wie menschliches Sterben nun einmal ist, ein leidvoller Prozess. Buddha war krank, erschöpft und machte sich Sorgen, weil die Zukunft seiner Landsleute, die vom Krieg bedroht waren, ungeklärt war. Beim Sterben wurde er begleitet von seinem Vertrauten und Diener Ananda und Anuruddha, seinen Cousins und Anhängern aus Sakiya. Sie waren auf dem Weg dorthin, schafften es aber nicht mehr zum sterbenden Buddha. Auch der britische Wissenschaftler Trevor Ling hinterfragt kritisch in seinem Buch «The Buddha. Buddhist Civilization in India and Ceylon» (London; Temple Smith 1973) die historische Perspektive des Lebenshintergrundes von Buddha. Er schildert, dass das Leben von Siddharta Gautama geprägt war von den sozioökonomischen Verhältnissen in der Gangesebene im 5. Jhdt. v. Chr. Es gab Güter im Überfluss, reicher Handel wurde getrieben, erste Städte entstanden und auch eine Mittelschicht. Mächtige Heere eroberten Nachbarländer und Königreiche. Als Folge davon wurden Stammesrepubliken, wie auch die Heimat Gautamas, in zentralisierte, autokratische Königsgebiete überführt. Es könnte demnach nachvollziehbar sein, dass Ling den Schluss zieht: «Gautama … habe … nie die Absicht gehabt, eine neue Religion zu gründen, sondern eine neue zivile Ordnung». Das klingt...