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Zwischen Methodenpluralismus und Datenhandel

Zur Soziologie der kommerziellen Konsumforschung

AutorDominik Schrage, Markus R. Friederici
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl197 Seiten
ISBN9783531910567
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis36,99 EUR
Die kommerzielle Konsumforschung unterliegt als Teil der Marktforschung einem fortwährenden Wandel: Ändern sich die Konsumgewohnheiten der Konsumenten, so müssen neue 'Sonden' auf den Weg gebracht werden, die den 'Kosmos' Konsum erneut ausleuchten und verborgene Strukturen aufzeigen. Der Band untersucht vor diesem Hintergrund Methoden und Ansätze der Konsumforschung, geht aber über bisherige Ansätze der kommerziellen Konsumforschung hinaus, indem eine Meta-Perspektive die Strukturen und Mechanismen aufzuzeigen versucht.

Dr. phil. habil. Dominik Schrage ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der TU Dresden.
Dr. Markus R. Friederici vertritt derzeit eine Professur für Soziologie am Departement für Sozialwissenschaften der Universität Hamburg.

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Leseprobe
2 Validität als Prestigewert der kommerziellen Konsumforschung (S. 55-56)

Die kommerzielle Konsumforschung erhebt Daten über Konsumentenvorlieben und verschafft Unternehmen dadurch strategierelevante Einsichten. Die von ihr erhobenen Daten, die sich nicht zuletzt ihrer methodischen Expertise verdanken, versprechen Auftraggebern deshalb einen spezifischen Nutzen. Zugleich können aussagekräftige und prognosefähige Daten von diesen aber auch gegenüber anderen als ein symbolisches Gut eingesetzt werden, das ihren Prestige symbolisiert – auch kann die ostentative Hervorhebung methodisch angeleiteter Verfahrensweisen in diesem Sinn als Strategie zur Absicherung von Entscheidungen eingesetzt werden. Felix Keller beschreibt in seinem Beitrag die von der Marktforschung erhobenen Daten als ein konsumierbares Gut.

Gerade weil Marktkonstellationen nichts weniger als unüberschaubar sind, kommt dem Datenmaterial der Marktforschung als solchem offenbar ein eigentümlicher, nicht zu unterschätzender Distinktionswert zu: Im Rückgriff auf Veblens Theorie des Distinktionskonsums zeigt Keller, wie Unternehmen sich mit diesen Daten „schmücken", obwohl deren Aussagekraft gerade in Bezug auf die Prognose von Zukunftstrends außerordentlich spekulativ ist.

Thomas Heun betrachtet das Verhältnis von Werbung und Marktforschung, von denen zumeist angenommen wird, sie beruhten auf diametral entgegengesetzten Leitvorstellungen: Das Kreativitätspathos der Werber sei mit der Testfixierung der Marktforscher nicht in Einklang zu bringen. Tatsächlich wird in Werbeagenturen jedoch auch mit Elementen der Marktforschung operiert, wie Heun zeigt – und sei es deshalb, weil Auftraggeber sich nicht ohne Kontrollmöglichkeit auf riskante Kreativideen der Werber einlassen wollen. Bei Lichte besehen handelt es sich jedoch oftmals um einen „strategischen Einsatz" der Marktforschung, bei dem es mehr darum geht, ihr Prestige als valides Verfahren zu Überzeugungszwecken zu nutzen.

Theorie der feinen Daten

Über den Konsum von Zahlen und Tabellen

Felix Keller

Es gibt viele Daten über Konsum. Doch es gibt Weniges über den Konsum dieser Daten. Dabei ist der ökonomische Wert von Daten über Konsum augenfällig: Je unbekannter die Märkte sind, je unsicherer die Informationen über die Akzeptanz eines Produkts sind, als um so begehrter erweisen sich Daten über Märkte: Sie stellen darin augenscheinlich selbst ein gefragtes Konsumgut dar. Das Verständnis dieser Daten und ihres Gebrauchs ruft konsequenterweise auch nach einer konsumsoziologischen Fragestellung. Dabei stellt sich zuallererst die Frage, was denn genau konsumiert wird. Konsumiert werden symbolische Güter, die, als Konsequenz des oben genannten Begehrens, Konsumenten und Konsum vornehmlich in Form von Diagrammen und Reihen numerischer Werte erscheinen lassen, die über Alter, Geschlecht, Einkommen, Milieu, Kaufgewohnheiten und Absichten potentieller Konsumenten berichten. Zeigt sich darin auch anderes und mehr als der Wunsch nach Informationen über den Konsum? Wie ist dieses Wissen zu verstehen?

Daß gerade numerischen Daten bei der Abschätzung des Konsums ein so großes Gewicht zukommt, ist zunächst aufgrund der Kommunikationsmedien der Märkte selbst erklärbar: Geldwert verkörpert die Abstraktion des Tauschprozesses, Unternehmen rechnen mit Zahlen, ihre Existenz und Zukunft bemißt sich in numerischen Werten, in Geldwerten. Unternehmen weisen ihren Erfolg in Zahlen aus, das fragliche Gleichgewicht zwischen Passiva und Aktiva drückt sich in Zahlen aus, und die Chance für ein Unternehmen, Investoren zu finden, steigt drastisch, wenn entsprechende Indices, resultierend aus der Buchhaltung, stimmen.

Insofern muß konsequenterweise auch die Außenwelt der Unternehmen selbst als eine Welt von Zahlen erscheinen, damit sich Unternehmen darin zu orientieren vermögen, ihren Erwartungshorizont und ihre Aktionen definieren können. Um mit dem Biologen und Semiotiker Jakob von Uexküll zu sprechen: Die „Merkwelt" der Unternehmen besteht aus einem Universum aus Zahlen, aus Indices der Zu- respektive Abnahmen, der Chancen desgleichen – so wie die Umwelt der Zecke, um Uexkülls berühmtes Beispiel zu nennen, aus einem Universum von Merkzeichen aus: „oben vs. unten", „Buttersäure: ja oder nein" und „warm" versus „nicht-warm" besteht (vgl. Uexküll 1934: 8ff).
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort8
1 Zur Situierung der kommerziellen Konsumforschung10
Zur Soziologie der kommerziellen Konsumforschung11
1 Zweierlei Konsumforschung14
2 Transfers zwischen kommerzieller und akademischer Forschung17
3 Zur Situierung der kommerziellen Konsumforschung19
4 Zwischen Methodenpluralismus und Datenhandel – ein Ausblick25
Literatur27
Zur Rolle der Marktforschung in der Konsumgesellschaft28
1 Einleitung28
2 Konsum, Gesellschaft und Marktforschung29
3 Konsumgesellschaft und Marktforschung im Wandel32
4 Marktforschung als Brücke zwischen Unternehmen und Konsument40
5 Perspektiven von Marktforschung und Konsumgesellschaft44
Literatur48
2 Validität als Prestigewert der kommerziellen Konsumforschung51
Theorie der feinen Daten52
Über den Konsum von Zahlen und Tabellen52
1 Die Frage nach dem Konsum von Daten53
2 Symbolische Güter und relationale Positionierung56
3 Das Design der Märkte57
4 Die Genese diagrammatischer Markträume60
5 Die imaginären Märkte der Zukunft63
Literatur68
Zwischen Schein und Sein70
Die Bedeutung der Marktforschung für die Werbewirtschaft und ihre Werbung70
1 Marktforschung als Hemmnis der Kreativität?70
2 Von der Produktion zur Konsumtion72
3 Ausgewählte Methoden der Konsumentenforschung81
4 Marktforschungsmethoden als Resultat der Markenposition?88
Literatur89
3 Transfers zwischen akademischer und kommerzieller Forschung92
Qualitative Marktforschung als Akteur in der Produktentwicklung93
1 Einleitung93
2 Technik als Kulturprodukt94
3 Qualitative Marktforschung als Vermittlungsinstanz zwischen Produktions- und Konsumtionssphäre99
4 Fazit104
Literatur107
Der „soziale Raum“ der Lebensstile und Prominenten109
1 Einleitung109
2 Der Ansatz von Pierre Bourdieu112
3 Prominente und Publikumssegmente113
4 Daten115
5 Methode118
6 Konstruktion und Interpretation des „sozialen Raums“120
7 Fazit und Ausblick131
Literatur133
4 Die kommerzielle Konsumforschung und das Internet136
Personalisierter Massenkonsum und das Internet137
1 Perspektiven auf das Internet139
2 Das Internet und der (Massenkonsum-)Markt142
3 Konsequenzen für die kommerzielle Konsumforschung154
Literatur159
Transparente Märkte in interaktiven Wertschöpfungsprozessen161
Synchrone Konsumforschung mit vernetzten Konsumenten161
1 Ausgangsfrage161
2 Informationelle Intransparenz auf Märkten162
3 Informationen steuern die Märkte163
4 Kooperative Wertschöpfung in offenen Produktionskontexten165
5 Konsumenten als Marktforscher der Unternehmen170
6 Vom Konsumwunsch zur kooperativen Forschung172
7 Was motiviert Konsumenten zur Mitarbeit?175
8 Informationalisierung der Überallmärkte180
Literatur183
Nachwort185
1 Zur Funktion der Marktforschung186
2 Vorbemerkungen zu einer Theorie der Marktforschung187
3 Marktforschung im Zeitalter der Internetökonomie190
Literatur191
Autorenangaben192

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