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Mia Meyer - eine Heidedichterin in der Mark Brandenburg 1925-1945

Spuren 19 - Schriftenreihe zur Geschichte Bienenbüttels und der Ortsteile

AutorAxel Holst
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783741248092
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,49 EUR
Mia Meyer wurde 1894 auf einem Bauernhof im Dorf Beverbeck bei Bienenbüttel geboren und durchlief dort die einklassige Volksschule bis zum Besuch einer Berufsschule für Mädchen in Hamburg, den sie wegen Erkrankung der Mutter abbrechen musste. Schon früh zeigte sich ihre Begabung, in kleinen Gedichten und Geschichten die Ereignisse in ihrer Familie und Umgebung festzuhalten. Sie heiratete 1925 den Ingenieur Hermann Meyer und zog mit ihm aus beruflichen Gründen nach Beeskow/Mark. Nachdem sie ab 1922 in Beverbeck Texte für die Freunde und Familie geschrieben hatte, veröffentlichte sie 1926 erstmalig in Beeskow in der Tageszeitung und im Kreiskalender fast zehn Jahre hindurch eine Vielzahl an Gedichten und Erzählungen. Weihnachten 1930 fasste sie ihre plattdeutschen Gedichte in einer Sammlung für ihre Eltern zusammen und 1932 ihre hochdeutschen Gedichte als Privatdruck im Sammelband 'Feierstundenträumereien'. Fast alle diese Texte sind bis heute in ihrer Heimat unbekannt. Diese Lücke schließt nunmehr der SPUREN-Band 19.

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Leseprobe

I. Mia Meyers Biographie 1894 - 1948


Marie Dorothea Meyer (Mia Meyer) wird am 5. November 1894 in Beverbeck geboren als zweites von sechs Kindern des Landwirts Johann Meyer, zeitweilig Bürgermeister von Beverbeck und Mitbegründer der dortigen Freiwilligen Feuerwehr, und seiner Ehefrau Anna Catharine Marie, geborene Vick, aus Steddorf. Von den sechs Kindern sterben drei bereits im ersten Lebensjahr, und auch Marie muss bei ihrer Geburt sehr schwach gewesen sein, denn sie erhält eine Nottaufe durch die Hebamme. Sie wächst auf mit den beiden Brüdern Alfred, geboren 1899, und Wilhelm, geboren 1900, von denen Alfred im 1. Weltkrieg 1918 in Flandern fällt, woran noch heute ein Gedenkstein auf dem Hof erinnert. Der jüngere Wilhelm erbt den seit 1559 im Familienbesitz befindlichen Hof .1

Mia Meyer ( rechts sitzend) mit Eltern und Brüdern auf dem Hof in Beverbeck vor 1918 (Bild aus Privatbesitz Dr. Uwe Meyer)

Mia Meyer besucht acht Jahre lang zusammen mit ihrer lebenslangen Freundin Frieda Kruse, verehelichte Harms, aus Grünewald die einklassige Volksschule in Beverbeck unter dem Lehrer Heinrich Meyer und dem Schulinspektor Pastor Haentzsche aus Bienenbüttel, der sie später auch konfirmieren und trauen wird, und zu dem sie bis zu seinem Tod 1937 Kontakt hält. Nach Beendigung der Schule arbeitet sie zunächst ohne eine Ausbildung auf dem elterlichen Hof. Auf eigenen Wunsch besucht sie dann nach Ende des 1. Weltkriegs die Gewerbeschule in Hamburg. Diese Ausbildung muss sie jedoch trotz sehr guter Zensuren wegen einer längeren Krankheit der Mutter und der dadurch notwendigen erneuten Mitarbeit auf dem elterlichen Hof abbrechen.2

Jugendbildnis von Mia Meyer aus der Beverbecker Zeit 1915
(Bild aus dem Privatbesitz von Dr. Uwe Meyer)

Zeugnis Mia Meyers von der Gewerbeschule für Mädchen Hamburg-St. Georg 1919/20
(Aus dem Privatbesitz von Dr. Uwe Meyer)

Aus dieser Hamburger Zeit hat sie viele Freundschaften, die teilweise bis an ihr Lebensende halten.

Am 16. Oktober 1925 heiratet sie in Bienenbüttel vor Pastor Haentzsche den vier Jahre älteren Hermann Meyer von einem Bauernhof in Melbeck, der nach seiner Ausbildung zum Wiesenbaumeister in Suderburg und Bromberg/Westpreußen eine Anstellung am Wasserwirtschaftsamt Beeskow/Mark erhält. Dieses Beeskow wird für die nächsten zwanzig Jahre ihre neue Heimat, und hier bauen beide unter Verwendung der Mitgift aus den beiden Höfen ihr neues Heim.

Das neue Haus in der Schützenstrasse 8 in Beeskow (Bild aus Privatbesitz Dr. Uwe Meyer)

In das nimmt Mia Meyer auch junge Mädchen auf, die wie sie selbst keine Berufsausbildung haben und diese durch den Besuch der Handelsschule in Frankfurt/Oder nachholen wollen. Aus ihrer Heimatregion holt sie u.a. ihre Cousine Anni Vick aus Steddorf sowie ihre Nichte Aenne Peters aus Lüneburg nach Beeskow, damit sie in Frankfurt/Oder die Handelsschule besuchen können.

Sie selbst leidet zeitlebens darunter, keine Berufsausbildung abgeschlossen zu haben und beschreibt das mit einer gewissen Verbitterung später in dem (undatierten und ungedruckten) Gedicht „Die Frau ohne Beruf“:

„Ohne Beruf“ so stand es im Paß.

Mir wurden fast die Augen naß.

„Ohne Beruf“ war da zu lesen.

Und sie ist doch das nützlichste Wesen!

Nur für andere zu sinnen, zu sorgen

Ist ihr Beruf vom frühen Morgen

Bis in die Tiefe der kargen Nacht,

nur für der Ihren Wohl bedacht.

Gattin, Mutter, Hausfrau zu sein,

schließt das nicht alle Berufe ein?

Als Köchin von allen Lieblingsspeisen,

als Packer, wenn es geht auf Reisen,

als Chirurg, wenn ein Dorn sich im Finger versplittert,

Schiedsmann bei Kämpfen erbost und erbittert,

Färber von alten Mänteln und Röcken,

Finanzgenie, wenn sich der Beutel soll strecken,

als Lexikon, das schier alles soll wissen,

als Flickfrau, wenn Strümpfe und Wäsche zerrissen,

als Märchenerzählerin ohne Ermüden,

als Hüterin von des Hauses Frieden,

als Puppendoktor, als Dekorateur,

als Gärtner, Konditor, als Friseur!

Unzählige Titel könnt’ ich noch sagen

(doch soll sich der Drucker nicht länger plagen)

von Frauen, die Gott zum Segen erschuf –

und das nennt die Welt dann „Ohne Beruf“.

Dieses Gedicht muss vor 1945 entstanden sein, denn nur zu jener Zeit enthielten die Personalausweise im Deutschen Reich die Rubrik „Beruf“.3

Von Beeskow aus hält sie engen brieflichen Kontakt zu ihrer Familie in Beverbeck und zu ihrer Freundin Frieda Harms. Feier- und Urlaubstage verbringt sie mit Mann und Sohn in Beverbeck. Folgender Brief Mia Meyers an Frieda Harms gibt einen kleinen Einblick in diese Zeit:4

Ihren Eltern widmet sie Weihnachten 1930 unter dem Titel „Een Mundvull Platt von düt un dat“ ein Buch von über 100 Seiten in altdeutscher Schrift mit Gedichten in ihrem geliebten Plattdeutsch, die sie in Beverbeck und seit 1925 in Beeskow geschrieben hat.5 Ostern 1933 nimmt sie ihren gut dreieinhalbjährigen Neffen Werner mit nach Beeskow, wo er bis Pfingsten bleibt und dann mit ihr nach Beverbeck zurückkehrt. Die Erlebnisse mit dem Kleinen schildert sie in dem ihrer Schwägerin Anna gewidmeten maschinenschriftlichen Büchlein „Zwischen Ostern und Pfingsten – Was der kleine Werner aus der Lüneburger Heide in Beeskow erlebt hat.“6 Hier in Beeskow wird am 2. August 1937 ihr einziges Kind, ihr Sohn Uwe, geboren.

Mia Meyer und ihr Sohn Uwe in Beeskow (Bild aus Privatbesitz Dr. Uwe Meyer)

Ab April 1926 veröffentlicht sie erstmals Gedichte und Erzählungen im „Täglichen Kreisblatt für den Kreis Beeskow - Storkow“ und ab 1927 auch im jährlichen „Kreis-Kalender für den Kreis Beeskow - Storkow“. Gleich im ersten Jahr widmet sie ihrer neuen Heimat das Gedicht „Beeskow“:7

„Kleine Stadt, es will der Alltag

Gar zu gern in dir regieren,

Will so wie an andern Orten

Hart und streng die Zügel führen.

Doch es blieb in Deinen Mauern

Etwas von Romantik hängen,

Deren blaue Zipfelenden

Neckisch sich dazwischen drängen.

Laß sie flattern, diese Enden,

Denn sie können dir berichten

Aus den längstentschwund’nen Zeiten

Wundersame Traumgeschichten...“

Diese Veröffentlichungen im Kreisblatt und im Kreis-Kalender erfolgen regelmäßig und in großer Zahl über 10 Jahre, bis sie 1935 plötzlich abbrechen.

1928 beginnt Mia Meyer ihren Roman "Onkel Jürn", den sie allerdings nach 80 Seiten nie vollendet. 1932 lässt sie ihre bis dahin erschienenen oder fertig geschriebenen Gedichte und Geschichten unter dem Titel „Feierstundenträumereien“ im Beeskower Verlag Knüppel &Haeseler, der auch den „Kreis-Kalender“ herausgibt, „als Manuskript“ drucken und widmet davon einige Exemplare Freunden und Verwandten.8 Es ist die einzige von Mia Meyer selber redigierte Sammlung ihrer Gedichte.

Die nationalsozialistische Machtergreifung 1933 wird von Mia Meyer in den ersten Jahren zunächst öffentlich positiv begrüßt, was im Kreis Beeskow - Storkow mit über 50 % der Stimmen für die NSDAP bei den letzten halbwegs freien Reichstags- und Landtagswahlen im März 1933 nicht verwunderlich ist.9

Sie selbst ist nie in die NSDAP eingetreten, aber ihr Mann als leitender preußischer Beamter findet 1937 nach der Rückkehr aus dem Urlaub einen Aufnahmeantrag für die NSDAP auf seinem Schreibtisch vor, den er auch unterschreibt.

Sie engagiert sich in Beeskow im kulturellen Bereich und nach Kriegsbeginn 1939 auch bei der Betreuung Verwundeter im Lazarett in Beeskow. Öffentliche Äußerungen sind von ihr ab 1936 nicht überliefert. Stattdessen beschreibt sie am 20. Dezember 1944 in dem nur handschriftlich vorliegenden Gedicht die Not und Verzweiflung dieses fünften Kriegsjahres angesichts der aus dem Osten heranrückenden Front:

„Grau und dunkel sind die Tage.

Kriegsnot lastet hart und schwer.

Und die große bange Frage

Nach der Zukunft drückt uns sehr...

Einmal muß zur Wahrheit werden,

Was der Weihnachtsgruß verspricht:

Friede! Frieden auf der Erden!

Einmal endlich siegt das Licht.“10

Wenn dieses Gedicht bekannt geworden wäre, hätte es bei einem Oberbefehlshaber Heinrich Himmler für die deutsche Front an der Oder auf jeden Fall zu...

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