Sitzung 2: Schlafsituation, Schlafverhalten und Erziehungsverhalten unter der Lupe
In dieser Sitzung steht das Erziehungsverhalten im Vordergrund, vor allem Erziehungsregeln für einen gesunden Schlaf. Zunächst soll aber auf den Zusammenhang von Schlaf und dem Verhalten am Tag eingegangen werden.
Sitzung 2 – Inhaltlicher Einstieg
2.1 Der Zusammenhang von Schlaf und dem Verhalten am Tage
Tagesgeschehen
Schlaf und Schlafstörungen stehen immer in Zusammenhang mit dem Tagesgeschehen. Der Rhythmus unseres Schlafens und Wachens ist mehr oder weniger über 24 Stunden verteilt. Was am Tage geschieht, beeinflusst die nächtliche Ruhephase und diese wirkt sich wiederum auf den kommenden Tag aus. Ausreichend Schlaf ist eine Grundvoraussetzung für Ausgeglichenheit und körperliche Leistungsfähigkeit. Bei lang anhaltendem Schlafmangel kann ein Kreislauf aus Unruhe am Tag und Schlafstörungen in der Nacht entstehen.
2.1.1 Der Schlafdruck-Teufelskreis
Schlafmangel, Schlafdruck
Ein Schlafmangel kann vielfältige Auswirkungen auf das Verhalten und Empfinden des Kindes tagsüber haben. Dabei führen der Schlafmangel sowie die damit einhergehenden Beeinträchtigungen oft zur Entstehung eines Teufelskreises. Zu wenig Schlaf führt dazu, dass der Schlafdruck (das Bedürfnis zu Schlafen) steigt. Dieser erschwert die Ausführung von ruhigen und wenig anregenden Tätigkeiten, die hohe Aufmerksamkeit, Konzentration oder Kreativität erfordern (oder er verhindert sie ganz).
Schwierigkeiten mit niedrigem Erregungsniveau
Selbststimulation
Erhöhung des Erregungsniveaus
Das Kind bekommt Schwierigkeiten mit ruhigen Situationen und dem sogenannten niedrigen Erregungsniveau und versucht, dies auszugleichen: Es sucht Anregung bzw. Stimulation. Dies kann nun auf eine vielfältige Weise geschehen. Häufig sind Unruhe, ein auffallender Bewegungsdrang – auch in Situationen, in denen dies nicht angemessen ist – oder ungezogenes Verhalten (beides kann als »aktive Stimulation« bezeichnet werden). Aber auch ein übermäßiger Fernsehkonsum oder virtuelle Spiele gehören dazu und stellen eine »passive Stimulation« durch die ständige Aufnahme von Reizen von außen dar. Somit wird ein Kind häufig aktiver und unruhiger, wenn es müde ist und sucht nicht die Ruhe wie ein Erwachsener. Beide Formen der Stimulation wirken sich negativ auf den Schlaf aus, indem sie das Erregungsniveau unkontrolliert erhöhen. Dies bedeutet, dass das Kind am Abend nur schwer zur Ruhe kommt und hierdurch natürlich wieder der Schlaf gestört wird. Der Teufelskreis beginnt von vorn. ► Abbildung 7 veranschaulicht diesen Zusammenhang.
Abb. 7: Der Schlafdruck-Teufelskreis
Auswirkungen
Die vielfältigen Aufgaben des Schlafes (► Sitzung 1) erklären, weshalb sich Schlafstörungen auf so viele Lebensbereiche und auf so unterschiedliche Weisen auswirken können. Neben den schon erwähnten Verhaltens- und Konzentrationsproblemen (und als ihre Folgen) können Beeinträchtigungen der körperlichen Verfassung, Lern- und Entwicklungsschwierigkeiten sowie soziale und emotionale Probleme (wie z. B. Ängstlichkeit) auftreten.
Die Selbststimulation ist ein Grund dafür, dass ein Teil der Kinder mit Schlafproblemen tagsüber nicht durch Müdigkeit auffallen (obwohl dies auch vorkommen kann). Häufig zu beobachten und ein wichtiges Signal ist eher eine schwere Weckbarkeit am Morgen.
2.2 Zur Bedeutung des Erziehungsverhaltens
Der Zusammenhang von Schlaf und dem Verhalten am Tage bietet zwei mögliche Ansatzpunkte zur Veränderung: die Schlafsituation an sich und die Tagesstruktur. Da bei beiden Aspekten ein einheitliches Erziehungsverhalten Ihrerseits notwendig ist, sollen im Folgenden grundsätzliche Erziehungsprinzipien erklärt werden. Diese sind mit vielen Übungen und Anregungen versehen, die wir teilweise gemeinsam durchführen, oder die von Ihnen zuhause bearbeitet werden sollen. Es gibt die unterschiedlichsten Ansätze und Empfehlungen, nach welchen Grundsätzen Kinder zu erziehen sind. Diese verschiedenen »Erziehungsschulen« stehen zum Teil in offenem Widerstreit zueinander. Wir wollen uns hier nicht auf eine Richtung festlegen oder eine bestimmte empfehlen, sondern wir konzentrieren uns auf einzelne Elemente, die sich besonders in Hinblick auf Schlafschwierigkeiten als wirkungsvoll erwiesen haben. Dabei dienen entwicklungs- und lernpsychologische Erkenntnisse als Grundlage. Für alle Veränderungen die Sie einführen gilt: Machen Sie nur so große Schritte, wie Sie sich selbst zutrauen und passen Sie diese an das Alter Ihres Kindes an, auch kleine Schritte führen zum Ziel!
2.2.1 Wie Kinder lernen
Kinder lernen in der Regel schnell, welche Verhaltensweisen besonders hilfreich und welche weniger günstig sind, um bestimmte Ziele zu erreichen. Innerhalb der Verhaltenspsychologie wurden Theorien entwickelt, die beschreiben, wie wir lernen. Sie haben eine sehr große praktische Bedeutung für die Erziehung und das Schlafverhalten von Kindern und sind daher Grundlage dieses Programms.
Es werden verschiedene Arten von Lernen unterschieden:
Lernen am Modell
Modelllernen
Wie isst man am Tisch mit einem Löffel oder mit Messer und Gabel? Wie zieht man sich einen Pullover an? Wie baut man einen Turm? Wie verhält man sich beim Bäcker? – Kinder lernen vieles durch beobachten und imitieren. Dabei dienen in den ersten Lebensjahren vor allem Sie als Eltern als wichtige Vorbilder und Modelle. Später werden die gleichaltrigen Freunde immer wichtiger, um sich Verhaltensweisen abzuschauen. Aber auch Großeltern, Lehrer und alle weiteren Personen, zu denen Ihr Kind Kontakt hat, dienen als Vorbilder oder »Modelle«.
Eine besondere Art Modell sind Figuren aus Geschichten. In dem Gute-Nacht-Geschichtenbuch, das Sie von uns in der ersten Sitzung als Begleitmaterial bekommen haben, erleben Kinder und Tiere ähnliche Begebenheiten, die verschiedene Schlafsituationen Ihrer Kinder abbilden. »Modellhaft« werden in diesen Geschichten Lösungen angeboten, von denen Ihre Kinder sich Verhaltensweisen abschauen können.
Sie können diese Lernmöglichkeit bewusst nutzen, indem Sie sich von Ihrem Kind imitieren lassen und hin und wieder erklären, was Sie gerade tun. Es ist eine gute Möglichkeit, Kindern neue Fertigkeiten beizubringen.
Lernen durch Konsequenzen und Lernverknüpfungen
Lernen durch Konsequenzen
Stellen Sie sich vor, die Kindergärtnerin Ihres Kindes lobt Ihr Kind, weil es ein Bild besonders sorgfältig gemalt hat. Ihr Kind wird sich sicherlich freuen, vielleicht empfindet es auch Stolz und wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit in Zukunft wieder Mühe beim Malen geben.
Bei dieser Art des Lernens kommt es vor allem auf die Konsequenzen an, die einem bestimmten Verhalten folgen. Grundsätzlich kann man sagen, dass positive Konsequenzen dazu beitragen, dass ein Verhalten öfter gezeigt wird. Genauso wird das Verhalten nicht mehr gezeigt, wenn es keine oder negative Konsequenzen nach sich zieht. Die positive Konsequenz auf das Verhalten »Bild malen« ist das (ehrlich gemeinte) Lob der Kindergärtnerin.
Verhaltensweisen werden auch beibehalten, wenn sie durch andere unbeabsichtigt oder unbewusst belohnt werden. Zusätzlich werden (ursprünglich neutrale) Dinge oder Handlungen als angenehm empfunden, wenn sie auf irgendeine Weise mit anderen (positiven) Dingen oder Handlungen verbunden werden; daraus können positive, aber auch ungünstige Lernverknüpfungen entstehen. Das kann der Fall sein, wenn zwei Dinge regelmäßig gleichzeitig auftreten – beispielsweise lernt ein Kind das nächtliche Erwachen als etwas sehr angenehmes kennen, wenn die Mutter es stillt oder der Papa es mit einer extra Kuscheleinheit wieder in den Schlaf wiegt. Manchmal reicht aber ein einmaliges gemeinsames Auftreten, das emotional besonders intensiv erlebt wurde, damit eine solche Lernverknüpfung entsteht. Ein Beispiel hierfür wäre die Angst vor dem Schlafen als Konsequenz eines vorangegangenen besonders schlimmen Alptraums.
Sie finden im Folgenden praktische Tipps, die Sie befolgen sollten, wenn Sie ungünstige Lernverknüpfungen vermeiden wollen, die oft unbemerkt entstehen.
Eltern
Tipps für positive Lernverknüpfungen
✓ Setzen Sie sich durch. Seien Sie konsequent in Ihrem Verhalten – tun Sie, was Sie angekündigt haben.
➔ Bei ständigem Nachgeben lernt Ihr Kind: »Ich bestimme und es lohnt sich immer, sich zu widersetzen.«
✓ Bringen Sie Ihr Kind wach ins Bett und verlassen Sie das Zimmer, bevor es eingeschlafen ist.
➔ Sonst verbindet es das Einschlafen stets mit Ihrer Anwesenheit.
✓ Wechseln Sie sich beim Begleiten der Zubettgehroutine ab.
➔ Ihr Kind soll keine bestimmte Person mit dem Schlafen assoziieren.
✓ Lassen Sie Ihr Kind selbst das Licht ausmachen.
➔ Das stärkt das Kontrollempfinden und die Selbstständigkeit. Das Kind kann angemessen »Macht« ausüben, selbst etwas verändern.
✓ Machen Sie kein Licht im Zimmer, wenn Sie nachts einmal zum Trösten o. Ä gebraucht werden.
➔ Sonst verbindet Ihr Kind Dunkelheit auf Dauer mit Not und Licht mit angenehmer Anwesenheit der Eltern. Vermeiden Sie auch andere Belohnungen in solchen Fällen: kein Essen, kein Trinken, nicht zu viel sprechen, keine langen Umarmungen....