Einleitung
Pflegewissen in der Praxis kompakt parat zu haben, ist bei der Fülle an Informationen nicht immer ganz so einfach. Expertenstandards, Pflegemodelle sowie zahlreiche andere Leit-/Richtlinien und Arbeitshilfen erschweren die Übersichtlichkeit einer ganzheitlichen Pflege. Über Pflegesituationen gibt es bislang noch zu wenig eindeutige und gesicherte Studien. Professionell Pflegende wissen, dass sich Pflege nicht hundertprozentig standardisieren und vereinheitlichen lässt, sondern im Rahmen des Pflegeprozesses stets angepasst, reflektiert, evaluiert und individualisiert werden muss. Die Kunst (oder das Kniffel), korrekt zu pflegen, liegt demnach in der fachlich richtigen Argumentation. Dementsprechend liefert dieses Nachschlagewerk, neben der Orientierung an der ganzheitlichen Pflege, die Pflegeplanung nach dem Pflegeprozess, zahlreiche pflegewissenschaftliche, pflegepraktische sowie rechtliche Aspekte. Unter Berücksichtigung der Lebensaktivitäten gilt es, die jeweils optimalsten Pflegekniffe zu verwenden. Kniffelige Aufgaben verlangen Feingefühl, Geduld und Bereitschaft, sich nach allen Perspektiven zu orientieren. Es darf nicht nur beim Überlegen, Planen und Analysen bleiben. Erforderlich ist eine gut ausgeklügelte und gut begründete Pflegehandlung (ein Pflegekniff). Der zu pflegende Mensch möchte schließlich nicht überverwaltet, sondern gut versorgt werden. Dazu soll dieses Nachschlagewerk den Pflegefachkräften gute Pflegekniffe (Argumentationshilfen) bieten.
Übersicht „Lebensaktivitäten“:
- Vitale Funktionen aufrechterhalten können
- Sich situativ anpassen können
- Für Sicherheit sorgen können
- Sich bewegen können
- Sich sauberhalten und kleiden können
- Essen und trinken können
- Ausscheiden können
- Sich beschäftigen können
- Kommunizieren können
- Ruhen und schlafen können
- Soziale Bereiche des Lebens sichern können.
In der größten Verbraucherstudie Europas „Reader’s Digest European Trusted Brands 2007“ weisen 91 % den Pflegenden ihr größtes Vertrauen aus. Befragt wurden 25 000 Menschen in 15 europäischen Ländern u. a. nach den vertrauenswürdigsten Berufsständen (Quelle: http://www.readersdigest.de).
Dagegen enthält der erste Bericht des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) über die „Qualität in der ambulanten und stationären Pflege“ viele Mängel bezüglich der Sicherheit von Patienten/Bewohnern in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen (Brüggemann et al. 2004):
Mängelliste (ambulant)
Berücksichtigung der Hygienevorgaben | 49 % |
Ernährungs-/Flüssigkeitsversorgung | 37 % |
Situationsgerechtes Handeln (z. B. nach Sturz) | 34 % |
Fachliche Qualifikation der Mitarbeiter | 32 % |
Dokumentation von Veränderungen | 32 % |
Maßnahmedokumentation | 22 % |
Aufbewahrung der Wohnungsschlüssel | 16 % |
Pflegezustand der Patienten | 9 % |
Mängelliste (stationär)
Ernährungs-/Flüssigkeitsversorgung | 41 % |
Berücksichtigung der Hygienevorgaben | 34 % |
Personalqualifikation | 31 % |
Situationsgerechtes Handeln (z. B. nach Sturz) | 28 % |
Nachvollziehbare Delegation ärztlicher Tätigkeiten | 23 % |
Nachvollziehbarkeit der Bedarfsmedikation | 22 % |
Dokumentation von Veränderungen | 22 % |
Maßnahmendokumentation | 21 % |
Pflegezustand der Bewohner | 17 % |
Richten der Medikamente | 17 % |
Personalbesetzung in der Nacht | 16 % |
Freiheitsentziehende Maßnahmen | 9 % |
Ein Fehler wird als Abweichung vom Optimum oder gemäß der DIN EN ISO als „nonconformity“ (Nichterfüllung einer Anordnung) verstanden. Nach Kohn et al. (1999) können Fehler in verschiedene Arten klassifiziert werden:
- Diagnostische Fehler,
- Behandlungsfehler,
- Fehler bei der Prävention,
- sonstige Fehler.
Der Begriff Pflegefehler ist nicht geklärt und wird sehr unterschiedlich (multiple) verwendet. Allein ein solches Begriffswirrwarr kann bereits als „Sonstiger Fehler“ (struktureller Organisationsfehler der Metaebene) betrachtet werden, denn die oben beschriebene fehlende Einheitlichkeit macht Fehlererkennungssysteme unmöglich. Dennoch soll und muss derjenige, der einen Fehler macht, dazu stehen. Schließlich kann es nach Einreichen einer Klage durch die geschädigte Person zu Rechtsverfahren kommen. Diese hat Beweise für eine widerrechtliche Behandlung bzw. für einen Pflegefehler zu erbringen. In der Regel besteht jedoch die Beweislastumkehr. D. h., die Pflegeeinrichtung muss beweisen, dass sie den zu Pflegenden sicher und gut versorgt hat. Die Beweislastumkehr gilt z. B. bei lückenhafter oder fehlender Dokumentation, bei fehlender oder unvollständiger Aufklärung des Pflegebedürftigen sowie bei groben Behandlungsfehlern. Weiterhin verfolgt werden können die Haftung der Einrichtung (nicht der Pflegekraft) aus dem Behandlungs-/Versorgungsvertrag sowie die Haftung aus Delikt (Persönliche Haftung des Verursachers/Vorsatz und Fahrlässigkeit).
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) startete im Frühjahr 2007 die Aktion „Neun Regeln zur Patientensicherheit“, um Millionenschäden durch Fehler in der Gesundheitsversorgung entgegen zu wirken, erklärte WHO Generaldirektorin Dr. Margaret Chan. Die Neun Regeln favorisieren klare und prägnante Handlungsanweisungen. Dementsprechend...