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Musik in der Geschichte – zwischen Funktion und Autonomie

VerlagHerbert Utz Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl172 Seiten
ISBN9783831640164
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Die Musik ist zwar eine besonders ›flüchtige‹ und an den Augenblick der Aufführung gebundene Kunst. Da sie jedoch zu allen Zeiten zu den fundamentalen kommunikativen und kulturellen menschlichen Praktiken zählt, ist sie – ebenso wie Literatur oder bildende Kunst –stets in historische Zusammenhänge eingebunden. Die hier versammelten Beiträge sind teils auf einzelne Quellen oder Werke, teils auf ästhetische, politische und soziale Kontexte bezogen und auf die zentrale Fragestellung nach der Beziehung zwischen Funktion und Autonomie in der Musik, dem Verhältnis von sozialer Bedeutungszuweisung und künstlerisch-ästhetischer Entwicklung fokussiert.
Die Auswahl von Fallstudien gibt Einblick in aktuelle musikhistorische Forschungsarbeiten zu Themen vom Kulturtransfer im Mittelalter bis zur Elektronischen Musik des 20. Jahrhunderts. Sie behandeln Aspekte wie die ideologische oder propagandistische Verwendung von Musik, ihren Beitrag zur kulturellen Identitätsfindung, Parallelen zur Philosophie und anderen Künsten sowie die Auswirkungen technologischer Innovationen.

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Leseprobe
Amerika, hast Du es besser? Überlegungen zur Identitätsfrage der nordamerikanischen Musik (S. 101-102)

Wolfgang Rathert

I


In seinem Amerika-Gedicht von 18271 preist Goethe die Jugend der amerikanischen Nation als ihren größten Vorteil gegenüber dem »alten Europa«: Kein historischer Ballast, keine Ruinen, kein aus Besitzständen und Privilegien herrührender Streit, der zu gesellschaftlichem Dissens führen könne. Auch wenn diese Äußerung eher an die europäischen Verhältnisse der Metternich-Zeit adressiert ist, kann sie doch als Ausgangspunkt für Überlegungen am Beispiel der Musik dienen, ob das Verhältnis der Nordamerikaner zu ihrer Geschichte tatsächlich so unbelastet, geradezu naturhaft ist, wie Goethe es hier als Utopie entwirft. (Immerhin aber war die Attraktion der USA so groß, dass nach der gescheiterten Revolution 1848/49 hunderttausende Deutsche in die neue Welt auswanderten, unter ihnen auch eine große Zahl von Musikern, die für die musikalische Ausbildung in der USA eine wichtige Rolle spielen sollten.

Und noch Richard Wagner überlegte nach der Reichsgründung 1870/71 und der von ihm scharf kritisierten Situation des öffentlichen Musiklebens, ob er nicht in das »freie« Amerika auswandern solle.) Tatsächlich nimmt die nordamerikanische Musik unter den nationalen musikalischen Stilen des 19. und 20. Jahrhunderts eine Sonderrolle ein: Ihre Physiognomie und Eigenart lässt sich kaum oder nur unzureichend mit den Kriterien erklären oder analysieren, die für die von geschichtlicher Kontinuität und Traditionslastigkeit, von mächtigen formalen und ästhetischen Paradigmen gekennzeichneten Entwicklungslinien der europäischen Musik gelten.

Die Erklärungsversuche, die unternommen wurden, spiegeln zumeist eine europäische Sichtweise wider. Auf europäischer Seite dominierte lange das Bemühen, die amerikanische Musik in einen universalgeschichtlichen Zusammenhang – der nur ein Fortschritts- oder Verfallsmodell sein könne – zu stellen, wenn man ihren künstlerischen Eigenwert nicht von vorneherein bestritt. Von amerikanischer Seite entgegnete man dem seltsamerweise oft genug mit dem wie Selbstverleugnung anmutenden Bemühen, dass man sehr wohl den europäischen Stilforderungen und -idealen Genüge tue.

Die Frage nach der Identität der amerikanischen Musik berührt somit – bis in die Gegenwart hinein – das Kernproblem, wie denn der Beitrag der amerikanischen Komponisten zur Musik des 19. und 20. Jahrhunderts zu definieren sei. Dieses Problem wird durch zwei Faktoren wesentlich bestimmt, nämlich zum einen durch die relative Kürze der Entwicklung der Kunstmusik im Vergleich zur Literatur und zur bildenden Kunst Nordamerikas (vor allem der Ostküste), zum anderen durch den niemals unterbrochenen Austausch zwischen europäischen und amerikanischen Komponisten.

Es besteht also eine Interferenz, die zunächst mit den ›Pilgerfahrten‹ amerikanischer Komponisten zu den europäischen, mit Vorliebe deutschen, Konservatorien einsetzte, und später umgekehrt durch den direkten Einfluss der Europäer – beginnend mit Einzelgängern wie Edgard Varèse, dann durch die Emigranten der 30er Jahre – in den USA in Gang gehalten wurde."
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort8
Joseph Haydn - Komponieren im Geist der Aufklärung12
Der Mensuralcodex St. Emmeram. Zur Musikgeschichte im spätmittelalterlichen Zentraleuropa34
Das Rätsel in der Musik und anderen Kunstformen der Renaissance48
Schlacht im Salon. Musikalischer Gefechtslärm in der Zeit um 180066
»Unissant l’Hymne russe avec la Marseillaise«: Der Klang der französisch-russischen Allianz in Paris 189378
Amerika, hast Du es besser? Überlegungen zur Identitätsfrage der nordamerikanischen Musik102
Die Anfänge der oberbayerischen Volksmusikpflege in der Zwischenkriegszeit112
Carl Orff’s Bairisches Welttheater: Die Bernauerin136
Avantgardistische Experimente mit ungeahnten Folgen. Das Siemens-Studio für elektronische Musik um 1960154

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