Sie sind hier
E-Book

Nächstes Semester wird alles anders ... Zwischen Uni und Leben!

Für alle, die denken, sie bräuchten einen Plan

AutorTabea Mußgnug
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783104035536
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
***Das Problem am Sommersemester ist der Sommer. Und das Semester.*** »Letztens hab ich mich wahnsinnig erwachsen gefühlt. Und dann hab ich Princess Sparkle, mein rosa Plüsch-Einhorn im Bett gesehen und weg war das Gefühl wieder. Ich habe mal gelesen, die Adoleszenz würde sich immer weiter nach hinten hinausschieben und wenn ich nur mich als Beispiel nehme, glaube ich, dass das stimmt. In meinem Alter waren meine Eltern schon sechs Jahre verheiratet, meine Oma hatte mit 26 drei Kinder. Ich fühle mich schon eingeengt, wenn ich mich für den Uni-Schwimmkurs fürs ganze Semester anmelden muss.« Tabea Mußgnug berichtet aus ihrem Leben als ganz normale Geisteswissenschaftsstudentin: Ein Leitfaden für alle, die wissen, wie es sich anfühlt, gefragt zu werden: 'Und was macht man dann damit?' ***Für alle, die denken, sie bräuchten einen Plan***

Tabea Mußgnug, Jahrgang 1987, studierte in Heidelberg Kunstgeschichte, Religionswissenschaft und Byzantinische Archäologie und promoviert in Kunstgeschichte. Sie arbeitet in einem Archiv und hofft auf das große geniale Jobangebot.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

»Ich danke meinen Eltern und dem ganzen Kunstkurs«


Das Jahr, in dem ich Abi machte und zu studieren anfing, war ein gutes Jahr. Es war passenderweise das offizielle »Jahr der Geisteswissenschaften«, der Sommer war heiß und lang und begann schon in den Osterferien, und Fettes Brot sangen Emanuela. Ich beneide regelmäßig die ziemlich betrunkenen »Abiiiiiii«-Schreier mit ihren frisch bedruckten Shirts mit schlechtem Motto (KohlrABI, How I met your ABI, BacABI, jede Form von James Bond), die sich in Heidelberg Ende Juni auf der Neckarwiese zum Grillen treffen und sich jetzt einen ganzen Sommer lang sehr erwachsen und sehr frei fühlen. Ich weiß noch, wie gut das war. Wir hatten ein schwarz-rotes Abi-Shirt, was uns auf der Abschlussfeier aussehen ließ wie 95 Metal-Fans, und es war schön zu denken, dass alles völlig offen ist. Völlig offen war es natürlich nie, denn ich hatte einen Abi-Schnitt von 2,1, der gemessen an meinem Aufwand zwar ein kleines Wunder war, aber aus mir auf keinen Fall mehr eine Ärztin oder eine Kommunikationswissenschaftlerin machen konnte – beides Studiengänge, bei denen der Numerus clausus in diesem Sommer bei schlechtestenfalls 1,3 lag. Das war kein Problem, zumindest Ärztin hätte ich sowieso nicht werden wollen, außer vielleicht Tierärztin. Das war mein Traumberuf zwischen der dritten und der achten Klasse, und wie viele andere Mädchen stellte ich mir dabei vor allem vor, wie ich den ganzen Tag süßen Hunden die Pfötchen verbinden würde. Hässliche Bilder von Pferdebesamung trieben mir den Berufswunsch letztlich aus.

Mein Schnitt hätte vermutlich ein kleines bisschen besser ausgesehen, wenn ich das Abi ein kleines bisschen ernster genommen hätte. Für Englisch las ich die Clash of Culture-Shortstorys im Freibad am Tag davor. Für Deutsch lernte ich gar nichts, Effi Briest hatte ich immerhin gelesen. Und im Gegensatz zu manchen Mitschülern ging ich auch nicht in einen Mathe-Intensivkurs in den Osterferien. Gerade Letzteres war eine meiner schlechteren Entscheidungen, vor allem weil ich mit dem GTR, diesem riesigen Taschenrechner mit 37183 Funktionen, den wir von der Schule bekamen, keine Kurven zeichnen, sondern nur mit den Buchstabentasten lustige Nachrichten an meine Nebensitzer schreiben konnte. Meine Leistungskurse waren Kunst und Biologie, also die Kombination, mit der man die wenigsten Wochenstunden hatte. Für die andere Faultierkonstellation – Sport und Erdkunde – war ich leider zu langsam im Cooper-Test. Man musste bei uns nur in einem Leistungskurs Abi schreiben, und ich entschied mich kurz vor knapp kopflos für Biologie, weil ich Angst hatte, in der praktischen Kunstprüfung käme Töpfern dran. Kurz zuvor hatten wir nämlich im Kunst-LK eine kubische Architekturphantasie töpfern sollen, und ich bekam als Einzige von 24 Schülern nicht eine gerade Kante hin. Mein Kunstlehrer sprach später von »23 Architekturphantasien und einer Birne«. Für Bio musste man allerdings wesentlich mehr lernen als für Kunst, und Töpfern kam dann auch gar nicht in der Prüfung dran.

Die Tage des Abi-Schreibens zogen wie im Nebel an mir vorbei, und ich dachte mir noch, dass ich immer davon ausgegangen war, in dieser Woche würde man sich irgendwie ganz besonders und ganz angestrengt fühlen. Ich guckte viel aus dem Fenster, weil mir nie so viel einfiel, dass ich die ganzen fünf Stunden hätte durchschreiben können. Ich kann mich sogar noch daran erinnern, wie draußen vorm Fenster der Rasen gemäht wurde und ich versonnen dachte, dass gemähtes Gras sehr gut riecht. Ich ging oft aufs Klo und aß viele Himbeertraubenzucker, die ich – nervig für alle – einzeln aus ihrer knisternden Folienverpackung schälte.

Den mündlichen Teil, die sogenannte Präsentationsprüfung, brachte ich sehr lustlos hinter mich, was man daran merkte, dass meine einzige Quelle zum Thema Wikipedia war, und dementsprechend emotionslos war dann auch meine Benotung. Meine 2,1, mit der ich letztlich vom Platz ging, ist also eigentlich noch viel zu gut. Ich lag damit in etwa im Mittelfeld, viele waren besser, viele schlechter. Zwei in meinem Jahrgang hatten allerdings einen 0,75-Schnitt, und das finde ich irgendwo auch wieder abartig. Der eine arbeitet inzwischen bei McKinsey 23 Stunden am Tag und fährt in der 24. Stunde einen beeindruckenden Porsche nach Hause. Die andere studierte Ethnologie, also ein Fach, für das, wie man an meinem Beispiel sieht, auch 2,1 reicht. Im Rückblick hätte sie also eigentlich auch eine Jugend haben können.

Wir waren eine Reformgeneration, zumindest in Baden-Württemberg: Es begann schon in der Grundschule, wo ich nicht die normale Schreibschrift mit dem schönen geschnörkelten großen H, sondern die langweilige »Vereinfachte Ausgangsschrift« lernte. Im Gymnasium kam die Oberstufenreform drei Jahre vor mir an. Ich konnte nicht mehr Mathe abwählen oder alle Sprachen, und das war für meinen Abi-Schnitt nicht gesund. Vor allem nicht das mit den Sprachen, darin war ich immer schlecht, und das, obwohl ich im Sprachzug war. Der Sprachzug war der Streberzug. Die, die schon in der sechsten Klasse rauchten und später wussten, wie man den Ausweis fälschen kann, um sich in Clubs ab 18 zu schummeln, waren immer in den Naturwissenschaftsklassen. Später, einige Jahrgänge nach uns, wurde der Sprachzug als Strebersammelbecken an unserer Schule dann von der sogenannten Streicherklasse abgelöst, also fünfundzwanzig Elfjährige, die sich zusammenfanden, weil sie so gerne Bratsche spielten. Mit Englisch ging es jedenfalls bei uns los, das fand ich am Anfang noch cool. Wir bekamen englische Namen, um unseren Sprachfluss nicht durch deutsche Namen zu verhunzen, und ich entschied mich für Kelly, nach Kelly Bundy aus »Eine schrecklich nette Familie«, wobei mir diese Begründung inzwischen ein bisschen peinlich ist. Leider hatte ich kein Glück mit meiner Englischlehrerin, denn sie mochte mich nicht. Das zieht sich durch meine Biographie, meine Probleme mit Englischlehrerinnen. Selbst die, die ich in der Oberstufe neu bekam, konnte mich auf Anhieb nicht leiden. Als Einzige aus meiner Klasse bekam ich von ihr einen Klassenbucheintrag, weil ich für die praktische Führerscheinprüfung einen Tag gefehlt hatte. Ich war übrigens durchgefallen, wie fast jede meiner Freundinnen, insofern lohnte sich dieser Klassenbucheintrag nicht einmal. Der Führerschein war eine der teuersten und gleichzeitig traumatischsten Episoden meines Lebens. Er kostete mich 1400 Euro, zwei Fahrlehrer, zwei praktische Fahrschulprüfungen, mehrere Muskelkater wegen verkrampft durchgetretener Kupplung und mindestens beide Ärmel meines Nervenkostüms.

Latein bekam ich in der siebten Klasse. Gallia est omnis divisa in partes tres. Unsere Eltern waren begeistert, vielleicht wegen des leicht humanistischen Touchs. Latein, so sagte man uns, schule die generelle Einsicht in die Grammatik, man könne sich viele Fremdwörter herleiten, und außerdem ginge es ja um die Allgemeinbildung und so. Nur für die Uni, da brauche man es wirklich kaum noch, nur für Medizin oder Jura. Das ist eine der größten Lügen, die mir in meiner Schulzeit erzählt wurden, zumindest wenn man in Heidelberg studieren will. Hier braucht man für Medizin und Jura kein Latinum, aber für etwa jedes andere Fach. Latein für Germanistik, Anglistik, Ethnologie – generell für alles. Darum sitzen unglaublich viele Leute in ihren ersten zwei bis drei Semestern vor allem dreimal die Woche in Lateinkursen statt in Seminaren, die tatsächlich etwas mit ihrem Fach zu tun haben, und holen mit heraushängender Zunge das Latinum nach. Viele fallen durch, manche melden sich aus Angst ewig lange nicht an und verschenken so zwei Semester, wieder andere machen teure Crash-Kurse. Wenn man der Uni dann endlich sein nachgeholtes Latinum vorlegen kann, wird kurz genickt und gestempelt, und danach braucht man es nie mehr, zumindest habe ich für Kunstgeschichte, Religionswissenschaft, Byzantinische Archäologie und mein eines Semester Germanistik nie wieder ein Wort Latein hervorgekramt.

Trotzdem war ich natürlich wahnsinnig froh, in der Schule schon Latein gehabt zu haben, als ich an die Uni kam. Denn im Gegensatz zur Schule muss man in den Uni-Lateinkursen tatsächlich Latein lernen und kann sich nicht jahrelang durchwursteln, ohne zu verstehen, was man da macht. Die ersten vier Jahre hatte ich durchgängig eine Vier, und die war noch geschönt, weil ich weder Vokabeln lernte noch jemals verstanden habe, was ein AcI ist. Im fünften und letzten Jahr kam die Rettung: Wir bekamen eine alte, schwerhörige Lateinlehrerin, mit einer Vorliebe für Stoffhosen mit Bügelfalte, die sie knapp unter den Brüsten mit schmalen Gürteln festzurrte. Sie war meine Chance. Ich ließ mir im Unterricht die richtigen Antworten vorsagen, weil sie Flüsterfrequenzen nicht hörte, schrieb ab, weil sie auch noch schlecht sah, und hielt ein benotetes Referat, das aus einem selbstgeschriebenen und selbstaufgenommenen Hörspiel zum Thema »Die Frau im alten Rom« bestand, bei dem ich meine Freundinnen gezwungen hatte, zu dilettantischen Hintergrundeffekten Frauenschicksale einzusprechen. Ich bekam dafür eine Eins und wählte Latein mit einer Zwei ab, die sich in meinem Zeugnis beeindruckend genug ausmachte, um einen Studienplatz an der lateinbesessenen Heidelberger Uni zu bekommen. Latein und ich, eine...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Gesellschaft - Männer - Frauen - Adoleszenz

Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt

E-Book Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt
Unsere Angst vor Freiheit, Markt und Eigenverantwortung - Über Gutmenschen und andere Scheinheilige Format: ePUB

Freiheit und Eigenverantwortung statt Ideologie und Bürokratie - Günter Ederer analysiert auf Basis dieser Forderung die existenziellen Probleme unserer Gesellschaft: Bevölkerungsrückgang,…

Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt

E-Book Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt
Unsere Angst vor Freiheit, Markt und Eigenverantwortung - Über Gutmenschen und andere Scheinheilige Format: ePUB

Freiheit und Eigenverantwortung statt Ideologie und Bürokratie - Günter Ederer analysiert auf Basis dieser Forderung die existenziellen Probleme unserer Gesellschaft: Bevölkerungsrückgang,…

Mitten im Leben

E-Book Mitten im Leben
Format: ePUB/PDF

Die Finanzaffäre der CDU hat nicht nur die Partei und die demokratische Kultur der Bundesrepublik in eine ihrer tiefsten Krisen gestürzt, sondern war auch der Auslöser für Wolfgang Schäubles Verzicht…

Mitten im Leben

E-Book Mitten im Leben
Format: ePUB/PDF

Die Finanzaffäre der CDU hat nicht nur die Partei und die demokratische Kultur der Bundesrepublik in eine ihrer tiefsten Krisen gestürzt, sondern war auch der Auslöser für Wolfgang Schäubles Verzicht…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Weitere Zeitschriften

BEHINDERTEPÄDAGOGIK

BEHINDERTEPÄDAGOGIK

Für diese Fachzeitschrift arbeiten namhafte Persönlichkeiten aus den verschiedenen Fotschungs-, Lehr- und Praxisbereichen zusammen. Zu ihren Aufgaben gehören Prävention, Früherkennung, ...

Burgen und Schlösser

Burgen und Schlösser

aktuelle Berichte zum Thema Burgen, Schlösser, Wehrbauten, Forschungsergebnisse zur Bau- und Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Denkmalschutz Seit ihrer Gründung 1899 gibt die Deutsche ...

Card-Forum

Card-Forum

Card-Forum ist das marktführende Magazin im Themenbereich der kartengestützten Systeme für Zahlung und Identifikation, Telekommunikation und Kundenbindung sowie der damit verwandten und ...

care konkret

care konkret

care konkret ist die Wochenzeitung für Entscheider in der Pflege. Ambulant wie stationär. Sie fasst topaktuelle Informationen und Hintergründe aus der Pflegebranche kompakt und kompetent für Sie ...

caritas

caritas

mitteilungen für die Erzdiözese FreiburgUm Kindern aus armen Familien gute Perspektiven für eine eigenständige Lebensführung zu ermöglichen, muss die Kinderarmut in Deutschland nachhaltig ...

EineWelt

EineWelt

Lebendige Reportagen, spannende Interviews, interessante Meldungen, informative Hintergrundberichte. Lesen Sie in der Zeitschrift „EineWelt“, was Menschen in Mission und Kirche bewegt Man kann ...