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Negatives Lehrerverhalten und Lehrergewalt in der Schule.

Eine Interviewstudie.

AutorJuliane Schmid
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl75 Seiten
ISBN9783656488828
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Pädagogik - Der Lehrer / Pädagoge, Note: 1,0, Technische Universität Dresden, Sprache: Deutsch, Abstract: Wenn man an Gewalt in der Schule denkt, denkt man häufig zuerst an die Gewalt, die bei Schülern untereinander stattfindet. Dass es aber auch Lehrer und Lehrerinnen gibt, die gegenüber Schülern in verschiedenen Formen gewalttätig sind, wird mitunter verschwiegen. Mit Hilfe von Fragebögen und Interviews konnten Daten erhoben werden, die den Schluss zulassen, dass Gewalt oder negatives Verhalten durch Lehrer weitaus häufiger stattfindet als angenommen. Die Arbeit förderte verschiedene Ausprägungsformen und Häufigkeiten von Gewalt im weitesten Sinne gegenüber Schülern aller Altersklassen zu Tage.

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Leseprobe

2 Bisheriger Forschungsstand


 

Wie bereits erwähnt ist die Gewaltforschung in vielen Facetten in Soziologie und Erziehungswissenschaft seit spätestens den 1980er Jahren sehr ausgeprägt. In den einzelnen Jahrzehnten lassen sich gewisse Trends bezüglich thematischer Fokussierung und der Wahl spezieller Forschungsmethoden erkennen[5]. Doch bis heute gibt es kaum Untersuchungen zur Gewalt, die von Lehrern ausgeht. Um sich diesem Thema nähern zu können, soll zunächst eine Definition aufgestellt werden, um abzustecken, was mit den Begriffen „Negatives Lehrerverhalten“ und „Lehrergewalt“ zum einen in der Forschung, zum anderen auch in dieser Arbeit verstanden werden soll. Davon ausgehend werden im Anschluss eine Auswahl der wenigen Erkenntnisse zum Thema Lehrergewalt vorgestellt und deutlich gemacht, in welchem Verhältnis diese zur vorliegenden Arbeit stehen.

 

2.1 Definition der Begriffe „Lehrergewalt“ und „negatives Lehrerverhalten“


 

Die beiden Begriffe werden in dieser Arbeit häufig gebraucht und müssen daher differenziert dargestellt werden. Sie bezeichnen dabei jeweils unterschiedliche Phänomene im Schulkontext. Dem Begriff Lehrergewalt liegt eine engere Definition zugrunde. Er meint die Vorfälle, die in der einschlägigen Forschung als „Gewalt“ bezeichnet werden und umfasst folglich das gesamte Spektrum struktureller und personaler Gewalt mit der Unterteilung in physische und psychische. Mit diesen Formen wird die Schädigung von Menschen beabsichtigt und ist durchgehend negativ konnotiert[6]. Die Gewalt aber, die als Voraussetzung für Demokratie – auch in der Schule – zu sehen ist, soll nicht unter den Begriff der Lehrergewalt gefasst werden, da ihr Einsatz keine absichtliche Schädigung zur Folge hat. Für die sprachliche Unterscheidung kann die lateinische Sprache herangezogen werden: Die erstgenannte, „negative“ Gewalt wird mithin als violentia[7] bezeichnet, die zweitgenannte als potestas[8]. Im Verlauf der Arbeit wird zu beobachten sein, dass es Passagen, Ereignisse und Schilderungen gibt, an denen eine solche Trennung zunehmend schwierig wird.

 

Um dies ein Stück weit zu kompensieren, soll der Begriff „negatives Lehrerverhalten“ zum Einsatz kommen. Hierunter soll alles das verstanden werden, was sowohl als beabsichtigte Schädigung als auch unbeabsichtigte Schädigung in der Schule geschieht. In der Literatur wird die Verwendung dieses Begriffs als „diffus“ kritisiert[9], dennoch öffnet diese Perspektive weitere Räume zur Schilderung erlebter inakzeptabler oder negativer Verhaltensweisen, die unter dem Schlagwort „Gewalt“ möglichweise nicht zutage treten würden. Somit wird auch der Forderung von Schubarth und Winter (2012) entsprochen, dass die Wahrnehmung der „Opfer“ als Kriterium angemessener sei[10]. So wird nicht nur die personelle Ebene, sondern auch die institutionelle Ebene einbezogen.

 

Schließlich haben die Vorgaben der Institution Schule nicht auf alle Schüler dieselbe Wirkung. Um mit Melzer et al. (2011) zu sprechen, handelt es sich um den „Missbrauch politischer Macht“[11]. Auf den Schulkontext angepasst muss man nicht ausschließlich von politischer Macht sprechen, vielmehr umfasst diese Macht die gesamte institutionelle Ebene der Schule mitsamt ihren Funktionen, d.h. Qualifikations-, Selektions-, Legitimations- und Sozialisationsfunktion[12]. Der Begriff „negatives Lehrerverhalten“ schließt also den Begriff der Lehrergewalt in sich ein. Diese Differenzierung erschien nötig und wichtig, da „echte“ Gewalttätigkeit durch den Lehrer oftmals als legitim wahrgenommen und nicht als Gewalt als solche erkannt wird. Dies zeigt auch die Einschätzung einer Teilnehmerin am Interview:

 

„Wir haben es [den Klaps auf den Po] vielleicht jetzt nicht so ernst genommen, obwohl es uns natürlich schon gestört hat. Aber so die Dimension, dass das also eigentlich nicht geht, das Verhalten, das haben wir da noch nicht so eingeschätzt (…).“ (A83, Z. 230-233)

 

 Mit der Vergabe von Zensuren wird der Selektionsfunktion der Schule Rechnung getragen. Da die Notenvergabe anhand bestimmter Gütekriterien stattfinden soll, deren 100%ige Umsetzung in der Praxis aber mehr als schwierig ist[13], kommt es ggf. zu fehlerhaften Willkürbehauptungen bzw. werden unter dem Deckmantel „nicht praktikabel“ willkürlich verteilte Noten vertuscht. In die Analyse fließt folglich die subjektive Wahrnehmung des Benotungsvorgangs mit ein. So kann u.U. eine Note, die sich im Rahmen der Vorgaben bewegt, als ungerecht empfunden werden.

 

Dass nicht nur die Notenvergabe, sondern auch andere Handlungen als negatives Verhalten bzw. Gewalt wahrgenommen werden, zeigen die nun folgenden Studien zum Forschungsbereich „Lehrergewalt“.

 

2.2 Ausgewählte Studien zum Thema


 

Obwohl die Forschung zum Thema „Lehrergewalt“ und „negatives Lehrerverhalten“ schwierig ist, ist sie dennoch nicht unmöglich. Dies zeigen Publikationen, die in den vergangenen Jahren erschienen sind. Eine gute Zusammenstellung der relevanten Arbeiten und ihren Ergebnissen zum Thema bieten Schmitz et al. (2006). Sie zeigen, dass das Thema der Lehrergewalt keinen Einzug in die klassischen Lehrbücher zur Gewaltforschung gehalten hat, aber es einige Forscher bzw. Forschungsgruppen gibt, die sich damit beschäftigen und ihre Forschungsfragen in breit angelegte Schulforschungsuntersuchungen wie TIMSS[14] einbauen können[15]. In dieser Arbeit sollen exemplarisch Untersuchungsergebnisse vorgestellt werden, die in engem Zusammenhang mit den Ergebnissen der Fragebögen und Interviews stehen und vordergründig für die Erstellung und Auswertung derselben herangezogen wurden.

 

Krumm (2003); Krumm & Eckstein (2003) und Krumm & Weiß (2000 & 2001)

 

In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse der drei Autoren deshalb zusammengefasst, da es sich um lediglich zwei verwandte Studien handelt, deren Ergebnisse in kleineren Aufsätzen mit jeweiliger Schwerpunktlegung präsentiert worden sind. In diesen Aufsätzen wird auch auf die Erhebung im Rahmen der österreichischen TIMSS-Studie mit 10 000 Probanden aus den Klassen 7 bis 12/13 verwiesen. Es wurde herausgefunden, dass 17% der Befragten in den letzten 4 Wochen von Lehrern „gekränkt, geärgert und/oder ungerecht behandelt“ worden sind. ⅔ der Befragten gaben an, dass sie die Angriffe durch den Lehrer mindestens genauso belastend einstuften wie jene durch Mitschüler[16]. Da diese Untersuchung zahlreicher Kritik wegen des Mangels an qualitativen Elementen ausgesetzt war, wurde eine zweite Untersuchung veranlasst, die quantitative und qualitative Forschung miteinander verband[17].

 

So wurden in Deutschland, Österreich und der Schweiz ca. 3000 Studenten zu verletzenden Lehrerverhaltensweisen befragt. Es interessierten die Formen, das Ausmaß, die Häufigkeit und die Folgen. Es gab eine geschlossene Ja/Nein-Frage mit 16 Antwort-Items und eine offene Frage, in der eine detaillierte Fallschilderung verlangt wurde. 77% der Befragten schilderten einen Fall, wobei die Fälle nach verschiedenen Kategorien klassifiziert werden konnten[18]. Bei der Befragung verwendeten Krumm und Weiß das Konzept des „Machtmissbrauchs“, mit der Begründung, dass dies von Schülern bzw. Studenten bevorzugt würde, wenn es um inakzeptables Lehrerverhalten ginge[19]. Mitunter impliziert „Gewalt“ ein engeres Verständnis, sodass etwaige, für die Befragung bedeutsame inakzeptable Vorfälle nicht als solche erkannt und geschildert werden.

 

Weiterhin wurden 650 Eltern und 670 Lehrer aus Österreich befragt[20]. Die Ergebnisse der Elternbefragung werden ausführlich in Krumm und Eckstein (2003) dargelegt. Auf die Lehrerbefragung wird an späterer Stelle Bezug genommen.

 

Weitaus interessanter sind die Einschätzungen der Schüler: Die Erlebnisse reichen von der Erfahrung negativer Zuschreibungen, über Bloßstellen, unfaires Verhalten, Beschimpfen, Lächerlich machen, Missachten, das Verletzen von Rechten, die Unterstellung von Fehlhandlungen, Informationsweitergabe, Isolierung, das Verteilen unangemessener Arbeitsaufträge bis hin zu Drohungen und Körperverletzung[21]. Alle Befragten konnten Fälle schildern, in denen Lehrer Mitschüler ungerecht behandelten, selbst wenn sie selbst keine Erfahrungen mit ungerechter Behandlung gemacht hatten[22].

 

Die erlebten Kränkungen fanden oft wiederholt statt[23] und wurden von den Opfern als schwer belastend empfunden[24]. Besonders häufig wurden ungerechte Benotung und die Zuschreibung von Dummheit oder Unfähigkeit genannt. Daher widmeten Krumm und Weiß diesen Aspekten jeweils einen eigenen Artikel[25]. Aufgrund des einprägsamen negativen Verhaltens ließen sich entsprechend weitreichende Auswirkungen erkennen. Sie kennzeichnen sich durch „Zorn und Wut auf den Lehrer, Widerwillen gegen sein Fach oder die Schule, Angst, Demotivation, Niedergeschlagenheit, Minderung des Selbstvertrauens, Entmutigung und manchmal Flucht aus der Klasse oder...

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