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E-Book

Netzwerk-Evaluation

Herausforderungen und Praktiken für Verbundnetzwerke

VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl238 Seiten
ISBN9783170294493
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis28,99 EUR
Die Steuerung von Unternehmensnetzwerken gehört heute zu den Kernkompetenzen des Managements. Eine Teilaufgabe ist dabei die Evaluation: Sie klärt, ob ein Netzwerk tatsächlich die Ziele erreicht, die sich Gründer und Mitglieder von der Teilnahme versprechen. Solche Evaluationen werden bisher jedoch nur selten durchgeführt. Denn jede Netzwerk-Evaluation steht vor der Herausforderung, Klarheit über die Zielerreichung in einem oft sehr heterogenen Zielsystem zu schaffen. Insbesondere Verbundnetzwerke zeichnen sich aufgrund ihrer zahlreichen Mitglieder und der gemeinsam betriebenen Verbundunternehmen durch besonders komplexe Zielsysteme aus. Der vorliegende Sammelband führt mit dem Fokus auf Verbundnetzwerke Ideen und Anregungen von Wissenschaftlern, Verbundmanagern und Unternehmensberatern zur Netzwerk-Evaluation zusammen.

Prof. Dr. Andreas Aulinger ist Professor für Organisation sowie Programmdirektor an der School of Management and Innovation (SMI) der Steinbeis-Hochschule Berlin.

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Leseprobe

Unternehmensnetzwerke und Verbundnetzwerke


Andreas Aulinger

1 Einleitung


Dieser einleitende Beitrag hat das Ziel, ein Angebot zum begrifflichen Verständnis von Unternehmensnetzwerken und Verbundnetzwerken zu machen. Dieses Ziel ist deshalb keineswegs so bescheiden, wie es zunächst wirken mag, weil beide Begriffe – aus jeweils ganz unterschiedlichen Gründen – erhebliche Spielräume der Begriffsverwendung aufweisen. Der Begriff des Unternehmensnetzwerks gehört zum Standardrepertoire der Managementsprache und seine Nutzer haben damit umzugehen, dass es eine kaum zu überschauende Vielfalt an verschiedenartigen Unternehmensnetzwerken gibt. Dennoch wähnen sich viele Nutzer dieses Begriffs in dem Glauben, dass mit dem Begriff »Unternehmensnetzwerk« relativ klar benannt sein, was genau darunter zu verstehen sei. Dies ist jedoch, wie sich in Abschnitt 2 dieses Beitrags zeigen wird, keineswegs der Fall.

Im Unterschied zum Begriff des Unternehmensnetzwerks erfreut sich der Begriff des Verbundnetzwerks noch einer bemerkenswerten Unberührtheit. Dies schafft ganz eigene definitorische Herausforderungen, da nun eher zweckgeleitete Setzungen erfolgen müssen, um diesem Begriff Kontur zu geben und ihn als sinnvolle Kategorie in der Welt der Unternehmensnetzwerke zu positionieren (Abschnitt 3).

In diesem Beitrag wird – als einzigem in diesem Sammelband – auf Bezüge zur Evaluation von Netzwerken verzichtet. Es geht alleine darum, Klarheit darüber herzustellen, was unter einem Unternehmensnetzwerk und einem Verbundnetzwerk verstanden werden könnte, bevor sich die folgenden Beiträge dann der Frage zuwenden, wie diese Art von Netzwerken evaluiert werden sollten.1

2 Unternehmensnetzwerke


Nach Auffassung des Verfassers haben alle Unternehmensnetzwerke einiges sehr Grundsätzliches gemeinsam. Auf der Grundlage dieses »Gemeinsamen« differenzieren sich Unternehmensnetzwerke dann in unzählige einzelne Formen aus. Nachfolgend wird zunächst auf dieses »Gemeinsame« aller Unternehmensnetzwerke geschaut (Abschnitt 2.1), bevor dann einige Beispiele für Ausdifferenzierungen auf dieser gemeinsamen Basis geben werden (Abschnitt 2.2). Auch die im Anschluss daran (Abschnitt 3) ausführlicher beschriebenen Verbundnetzwerke werden auf dieser Grundlage als eine Ausdifferenzierung von Unternehmensnetzwerken beschrieben.

2.1 Das Gemeinsame aller Unternehmensnetzwerke

Unternehmensnetzwerke haben in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung der vergangenen fünfzehn Jahre einen festen Platz als Forschungsgegenstand bekommen. Ungezählt sind die betriebswirtschaftlichen Tagungen, Konferenzen und Publikationen, die den Begriff des Netzwerkes und den verwandten Begriff der Kooperation in ihrem Titel tragen. Es gibt auch jenseits der Wirtschaftswissenschaften kaum mehr einen Bereich, in dem in den vergangenen Jahren nicht die Rede von und das Interesse an Netzwerken beachtlich zugenommen hat. Dies betrifft dann nicht nur die sozialen, sondern mindestens ebenso die technischen Netzwerke, allen voran das Internet. Wer sich nun in den einschlägigen wirtschafts- oder sozialwissenschaftlichen Standardwerken auf die Suche nach Netzwerktheorien macht stellt jedoch fest, dass der Begriff des Netzwerks, aller gegenwärtigen Popularität zum Trotz, dort als solcher kaum anzutreffen ist. In einer Untersuchung sozialwissenschaftlicher Netzwerktheorien aus dem Jahr 2000 gelangt Weyer zu der Einsicht, dass die Netzwerkforschung »meist ohne eine tiefer gehende Fundierung durch die soziologische Theorie (arbeitet), die ihrerseits das Netzwerk-Thema weitgehend ausblendet« (Weyer 2000, S. 237). So ist überraschend festzustellen, dass die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften über keine eigenständige Netzwerktheorie verfügen. Der Begriff des sozialen Netzwerks wird daher, wenn er denn überhaupt einmal explizit definiert wird, sehr weit gefasst als das »Gesamt an sozialen Beziehungen zwischen einer definierten Menge an Personen, Rollen und Organisationen« (Röhrle 1994, S. 1; ähnlich Schenk 1984; Pappi 1987, S. 13; Scott 198).

Soziale Netzwerke begründen sich dann in der bloßen Existenz sozialer Beziehungen. Die Akteure, die diese Beziehungen aufrechterhalten, können sowohl Personen wie auch deren Rollen oder Organisationen sein. Soziale Beziehungen wiederum repräsentieren »wiederkehrende Muster unterschiedlicher sozialer Interaktion zweier oder mehrerer Individuen über die Zeit, die aus einer gemeinsamen Vergangenheit resultieren und zukünftige Interaktion wahrscheinlich machen bzw. nach sich ziehen« (Hinde 1993, S. 9 mit Verweis auf Rogers/Millar 1988).

Die enorme Breite dieser Definition von sozialen Netzwerken ist gleichsam der Grund dafür, dass es keine originäre Netzwerktheorie geben kann. Wenn jede Form wiederkehrender sozialer Interaktion, von der Familie über die Fußballmannschaft, den Freundeskreis und die Nachbarschaft bis hin zu allen längerfristigen Beziehungen zwischen Unternehmen zurecht als soziales Netzwerk bezeichnet wird, dann müsste eine entsprechende Netzwerktheorie eine Universaltheorie des Sozialen sein. Eine solche Theorie gibt es nicht und es scheint in Anbetracht verschiedenartiger möglicher Perspektiven auf das Soziale auch ausgesprochen fraglich, ob es überhaupt sinnvoll ist, ihr nachzustreben. So sind Beiträge zur Netzwerkforschung in aller Regel fokussiert auf bestimmte Arten von Beziehungen zwischen bestimmten Arten von Akteuren. Oder sie fragen nach bestimmten Wirkungen, die sich aus besonderen Netzwerken ergeben. Oft sind es Kombinationen dieser Schwerpunktsetzungen, die einen Strang der Netzwerkforschung auszeichnen.

Wenn nun also von Unternehmensnetzwerken die Rede sein soll, dann ist zunächst explizit zu klären, wer die Akteure (Rollen, Personen und/oder Organisationen) sind, die als Mitglieder in Unternehmensnetzwerken gelten. Anschließend ist zu klären, was das Besondere an den Beziehungen zwischen diesen Akteuren ist, wenn der Begriff des Unternehmensnetzwerks Verwendung finden soll. Die folgende Abbildung 1 macht deutlich, dass als Akteure in Unternehmensnetzwerken zunächst einmal ganz selbstverständlich einzelne Unternehmen gelten. Einzelne Unternehmensnetzwerke (zum Beispiel regionale oder Innovationsnetzwerke) können darüber hinaus auch Partner haben, die nicht aus der Wirtschaft, sondern zum Beispiel aus dem Bereich der Forschung oder der Politik kommen.

Wenn man nun nach den maßgeblichen Merkmalen der Beziehungen fragt, die zwischen Unternehmen herrschen müssen, damit diese Kombination aus Akteuren und Beziehungen den Namen »Unternehmensnetzwerk« verdienen, dann ist diese Klärung deutlich weniger offensichtlich, als dies bei den Akteuren der Fall war. In Abbildung 1 werden drei Merkmale der Beziehungen genannt, die aus Sicht des Verfassers grundsätzlich vorhanden sein sollten, wenn von Unternehmensnetzwerken die Rede ist. Dabei handelt es sich (a) um die Kooperation der Partner miteinander, (b) um die Dauerhaftigkeit der (Kooperations-)Beziehung und (c) um die gesellschaftsrechtliche Unabhängigkeit der Partner.

Diese drei Beziehungsmerkmale gelten als Grundbedingungen, von denen jede zumindest in einem gewissen Umfang erfüllt sein sollte, wenn von Netzwerken bzw. Unternehmensnetzwerken die Rede ist. Nachfolgend werden alle drei Merkmale erläutert.

Abb. 1 Akteure und wichtige Merkmale der Beziehungen in Unternehmensnetzwerken

2.1.1 Kooperation der Partner miteinander

Das Prinzip der Kooperation stellt den Schlüssel zum Verständnis von Unternehmensnetzwerken dar. Dennoch wird es im Kontext der Netzwerkforschung in seiner grundlegenden Bedeutung oft nicht konsequent angewandt. Wenn man die Frage stellt, was Kooperation bedeutet, dann wird sehr häufig auf das Prinzip der Zusammenarbeit verwiesen. Kooperation steht dann – umgangssprachlich – für Zusammenarbeit. Wenn es dabei nicht bleiben soll, dann wird diese ggf. noch um das Prinzip des Vertrauens in Richtung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit erweitert. Ich verwende dagegen eine Definition von Kooperation, die ihr eigentliches Augenmerk neben dem zweifellos wichtigen Vertrauen zunächst auf ein ganz anderes Kriterium legt. Unter Kooperation verstehe ich jede Art von Interaktion, bei der zwei oder mehrere Akteure zusammenwirken, um gemeinsam die Ziele der beteiligten Akteure, die durchaus unterschiedlich sein können, effizienter zu erreichen (vgl. Aulinger 1996, S. 30 ff. mit Bezug auf den Soziologen Deutsch 1949, S. 131 ff.).

In diesem Verständnis von Kooperation nehmen die Ziele derjenigen, die zusammen etwas tun oder tun wollen, eine maßgebliche Rolle ein. Kooperation kann nur dann entstehen und existieren, wenn die Partner damit jeweils eigene Ziele verfolgen und wenn die Ziele der Partner miteinander harmonieren. Das Erreichen des Ziels eines Partners darf also das Erreichen des Ziels des anderen Partners nicht nur nicht behindern, es muss das...

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