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E-Book

Neue Schlüsselsätze der Liebe

Was Beziehungen scheitern und was sie gelingen lässt.

AutorOskar Holzberg
VerlagDuMont Buchverlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl242 Seiten
ISBN9783832189815
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Es gibt viele Aspekte in Beziehungen: Kommunikation, Sexualität oder Macht. Und es gibt etwas, das darüber hinausgeht: den Kern einer Liebesbeziehung. Genau um diesen geht es dem renommierten Paartherapeuten Oskar Holzberg in diesem Buch. Wie können wir diesen Kern pflegen und schützen, damit eine Bindung hält und unser Lebensglück vergrößert? Wie helfen Sexualität und Rituale dabei? Und was hat Liebe mit dem Mut zur Offenheit zu tun? Zugleich zeigen die >Neuen Schlüsselsätze der Liebe< aber auch, was wir keinesfalls tun sollten und was unsere Bindung nachhaltig schädigt. So ist es vor allem das Spannungsfeld zwischen Verletzlichkeit und Verletzung, das Oskar Holzberg hier erforscht. Dabei erweitert der Brigitte-Kolumnist seine pointierten und unterhaltsamen >Schlüsselsätze der Liebe< um längere, fundamentale Texte zu den Dos and Don'ts der Liebe. Kurz: Oskar Holzberg inspiriert zu einem besseren und glücklicheren Liebesleben.

Oskar Holzberg, geboren 1953, studierte Psychologie und Germanistik in Hamburg. Er ist niedergelassener Psychotherapeut, Supervisor, Dozent und Autor. Die Paartherapie ist ein Schwerpunkt seiner Arbeit. Seit 1984 schreibt er zu psychologischen Themen. Durch seine zahlreichen Zeitschriftenbeiträge gehört er zu den meistgelesenen Psychologen Deutschlands. Zuletzt erschien von ihm 2015 bei DuMont der Band >Schlüsselsätze der Liebe. 50 kluge Gedanken, die Ihre Beziehung verbessern können<. Der Autor

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Leseprobe

III

ESKALATION

Eine Beziehung ist keine Handtasche und auch kein Cabrio. Eine Beziehung kann man nicht messen oder wiegen. Eine Beziehung ist kein Ding, sondern ein Prozess, der durch Kommunikation, aus Interaktion besteht. Wir können auch eine Beziehung zu einer Handtasche haben, aber die beruht dann auf innerer Kommunikation. Manche haben eine stärkere Beziehung zu ihrem Cabrio als zu ihrem Partner. Was wir kritisch beurteilen, aber auch nachvollziehen können. Denn es ist die leichtere Beziehung. Was das Mitglied eines Cabrio-Klubs vermutlich völlig anders sieht. Im Sinne einer Partnerschaft, einer Liebesbeziehung ist die Liebe zu einem Cabrio eher eine Flucht und keine Beziehung. Denn ein Cabrio stellt uns nicht infrage. Mit einem Cabrio führt man keine Beziehung auf Gegenseitigkeit.

Die Beziehung eines Paares nehmen wir am Verhalten der beiden Partner wahr. Wie sie mit den Augen rollt, wenn er über ihre letzte Sitzung bei der Paartherapeutin spricht. Wie er etwas zurückweicht, wenn sie ihm den Arm auf die Schulter legt. Als Beobachter denken wir vielleicht, dass sie noch verdammt viele Sitzungen Paartherapie brauchen. Was die beiden vielleicht auch denken. Aber anders als ein Beobachter reagieren sie emotional stets unmittelbar auf das Verhalten ihres Partners. Auf jede Reaktion des einen reagiert der andere. Und darauf reagiert wieder der Erste.

Sie fragt ihn, ob er schon den Tisch für Mittwoch bestellt hat. Und er sagt, nein, aber er werde es noch machen. Doch sie ist unsicher, ob er nicht viel lieber vor dem Champions League-Halbfinale hocken und Bier trinken würde, als mit ihr, wie versprochen, essen zu gehen. Denn für sie läuft ihre Beziehung gerade nicht rund, sie empfindet ihn als abweisend. Sie hat ihn schon darauf angesprochen, aber er sagte nur, es sei alles okay, und was sie denn nun schon wieder habe. Sie hat dann nicht weitergefragt, um ihn nicht zu verärgern. Aber es hat sie nicht beruhigt. Also sagt sie jetzt: »Wenn du keine Lust hast, dann sag es bitte gleich!« Er, der ja weiß, dass sie sich von ihm in letzter Zeit vernachlässigt gefühlt hat, will sie nicht weiter enttäuschen. Also schwört er Stein und Bein, dass er unbedingt mit ihr essen wolle. Seine überzogenen Beteuerungen bestätigen sie nur in ihrem Misstrauen, weshalb sie noch einmal nachfragt. Worauf er genervt reagiert. Denn es macht ihn hilflos, ihr Misstrauen nicht aus der Welt schaffen zu können. Seine unwirsche Reaktion bestätigt ihre Unsicherheit. Sie sagt, dass sie unter diesen Umständen ohnehin keine Lust mehr habe. Worauf er dann trotzig erwidert: »Na gut, dann eben nicht!«. Jetzt fühlt sie sich so schmerzhaft zurückgewiesen, dass sie ihn fragt, ob er überhaupt noch mit ihr zusammen sein will. Dass sie die Beziehung plötzlich grundsätzlich infrage stellt, fühlt sich für ihn sehr bedrohlich an. Und er wehrt diese Verunsicherung auf seine gewohnte Art ab. Er wird noch ärgerlicher, fühlt sich ungerecht behandelt und schnauzt, dass er die Nase voll habe. Dann verduftet er und spielt mit seinem Kumpel das Champions League-Halbfinale schon mal auf der Konsole durch.

Nach dieser misslungenen Interaktion ist sie sich seiner Zuneigung noch weniger sicher. Sie wird versuchen, wieder Sicherheit zu finden. Bei der nächsten Gelegenheit wird sie ihn fragen, ob er sie noch liebt. Durch ihre Frage fühlt er sich dann sofort wieder bedroht, ist alarmiert und zögert einen Augenblick, um nichts falsch zu machen. Denn er will vermeiden, dass sich ihre Beziehung noch weiter verschlechtert. Sein Zögern hat sie aber bereits darin bestätigt, was sie ohnehin glaubt: Er liebt sie nur noch, wenn er Sex mit ihr haben kann. Das macht sie wütend, aber auch noch unsicherer. Was eine neue Runde in ihrem Beziehungstanz auslöst. Sie wird noch mehr herausbekommen wollen, welche Gefühle er wirklich für sie hat. Er wird weiter versuchen, sie zu beruhigen und möglichst wenig sagen, außer dass doch alles gut sei. Denn er hat ja erlebt, dass seine Beteuerungen allesamt nicht ankamen, sondern im Gegenteil offenbar alles noch schlimmer machen. Das empfindet sie natürlich wieder als ausweichendes Vertrösten, was … wir ahnen es schon, den Teufelskreis nur noch weiter verstärkt.

Je mehr sie zweifelt, umso vorsichtiger reagiert er. Je vorsichtiger und gebremster er reagiert, umso mehr zweifelt sie und bohrt nach. In jedem Paar entstehen solche eskalierenden Kreisläufe und nehmen die Partner gefangen. Wir können solche sich selbst verstärkenden Prozesse nicht verhindern. Sobald es Konflikte gibt, steigern sie sich noch. Weil jetzt mehr von einem mit noch mehr vom anderen beantwortet wird. Wenn beide Partner entspannt und unvoreingenommen aufeinander reagieren könnten, wäre es leicht, die Eskalation aufzuhalten. Doch wir reagieren emotional. In unseren Gefühlen sind unsere Erfahrungen miteinander abgespeichert. Was ungelöst ist, bleibt als wunde Stelle in uns zurück. Und sobald unser Partner sie berührt, reagieren wir sofort mit aller Intensität.

Seit Sigmund Freud wissen wir, dass wir fatalerweise unsere Probleme meistens dadurch zu lösen versuchen, indem wir »mehr vom Gleichen« machen. Wir zweifeln eher an unserem Partner und seinem Verhalten als an unserer Art, das Problem lösen zu wollen. Also versuchen wir es auf die immer gleiche Art immer wieder und nur noch intensiver. Wenn der Partner nicht liebevoll ist, dann suchen wir Zuwendung, indem wir besonders lieb sind. Was ihm ziemlich auf den Senkel geht, weil er sich dadurch bedrängt fühlt. Wir nehmen seinen Rückzug wahr und versuchen, noch liebevoller zu sein und werden dadurch noch anhänglicher, worauf er noch mehr die Flucht ergreift. Wenn es schwierig wird, greifen wir fast immer zu alten Erfolgsstrategien aus Kindertagen oder früheren Beziehungen. So haben wir Daddy immer rumgekriegt. Aber das durchschauen wir nicht. Sondern wir sind überzeugt, dass es so gehen muss, und wir uns nur noch ein wenig mehr anstrengen müssen, um Erfolg beim Partner zu haben.

RÜCKZÜGLER UND ANGREIFER

In der unausweichlichen Eskalation entstehen zwei Verhaltenspositionen: Der Rückzügler und der Angreifer. Der Angreifer ist der Fordernde, der seinen Partner erreichen möchte. Er tut alles, damit er beim Gegenüber mit seinen Anliegen ankommt. Der Rückzügler reagiert kaum oder sparsam. Aber nicht aus Boshaftigkeit, sondern aus Sorge, dass alles noch schlimmer wird. Er fühlt sich durch die Forderungen des Angreifers unter Druck gesetzt. Um sich selbst zu schützen und die Beziehung stabil zu halten, versucht er, Konflikte kleinzuhalten. Was den Konflikt dann steigert, denn der Angreifer sucht ja gerade verzweifelt nach einer Reaktion.

Wir können leicht erkennen, dass sich verschiedene Konstellationen ergeben können. Die häufigste, quasi klassische Konstellation, ist die, in der es einen Angreifer und einen Rückzügler gibt. Dann die, in der es zwei Angreifer gibt. Was zumeist eine lautstarke Beziehung ist, in der ständig miteinander gekämpft wird. Wenn beide zu Rückzüglern werden, dann ist es eher still und schweigsam in der Beziehung. Niemand will etwas falsch machen, beide halten sich zurück. Vielleicht fragen Sie sich, wie es sein kann, dass beide Rückzügler werden. Häufig gab es dann einen Angreifer in der Beziehung, der aber irgendwann resigniert hat und sich seitdem auch zurückzieht. Zwei Angreifer entstehen leicht, wenn keiner es gewohnt ist, auch nur ein Stück zurückzuweichen. Und die gegenseitige Wut alle anderen Gefühle überlagert.

Innerhalb einer Beziehung können auch gegenläufige Muster bestehen. Der Klassiker: der Mann, der sich emotional zurückzieht, der aber in der Sexualität der fordernde Angreifer ist. Während die Frau, weil sie sich emotional nicht gut aufgehoben fühlt, hier zur Rückzüglerin wird.

Es ist wichtig zu verstehen, dass wir vielleicht die Tendenz haben, zurückhaltend oder fordernd zu sein. Aber Rückzügler und Angreifer sind Positionen, die in einer Beziehung entstehen, keine Charakterzüge. Jemand kann durchaus in seiner ersten Ehe eher verhalten und eingeschüchtert gewesen sein, aber in seiner neuen Partnerschaft eher fordernd sein. Die Positionen, in die wir geraten, sind mächtig und wirkungsvoll. Sie bestimmen unser Verhalten. Wir werden immer stärker in eine einseitige Position gedrängt. Die sich gegenseitig verstärkenden emotionalen Prozesse sind so machtvoll, dass wir uns selbst fremd werden können. Wir igeln uns dann so schnell ein, sind so zurückgezogen und in uns eingemauert, wie wir uns sonst nicht kennen. Oder wir reagieren sofort genervt und wütend auf unseren Partner, flippen so plötzlich und heftig aus, dass wir selbst erschrecken und uns dafür verurteilen. Partner sagen dann: »Ich hasse es, so bin ich gar nicht. Aber in unseren Konflikten gehe ich sofort durch die Decke.« Die Eskalationsprozesse in einer Partnerschaft sind stark. Sie beherrschen uns, wenn wir sie nicht beherrschen.

IN WELCHER POSITION BIN ICH GEFANGEN?

In der Angreifer-Position habe ich das Gefühl, dass ich mich bemühe und stets um die Beziehung kämpfe. Ich gehe immer wieder auf meinen Partner zu, versuche unendlich oft, ihn zu erreichen. Ich möchte mich ernst genommen fühlen, dass mein Partner auf mein Anliegen eingeht. Ich bin enttäuscht, dass immer ich es bin, die alles ansprechen muss. Ich mache mir viele Gedanken, wie sich unsere Beziehung verbessern ließe. Aber meinen Partner scheint das weniger zu interessieren. Seine Ignoranz macht mich wütend. Ich habe oft das Gefühl, er sei gar nicht so an unserer Beziehung interessiert wie ich. Ich habe das Gefühl, von seinem Innenleben ausgeschlossen zu sein. Ich bin irgendwie falsch. So wie ich bin, bin ich nicht liebenswert. Es fühlt sich an, als sei ich meinem Partner zu...

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