Nachdem in den vorherigen Kapiteln die Vorschriften zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach IAS 32 und IAS 39 dargestellt wurden, bezieht sich das vorliegende Kapitel auf die neuen Regelungen des IFRS 9, der die Vorschriften des IAS 39 ersetzten soll.
Das als Reaktion auf die durch die internationale Finanzmarktkrise begründete Kritik der Europäischen Union und anderer Anspruchsgruppen an den geltenden Standards zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten durch das IASB angestoßene Projekt mit der Bezeichnung „IAS 39 Replacement Project“, zielt darauf ab, statt einer Überarbeitung des IAS 39 durch den IFRS 9 einen neuen Standard zu erarbeiten, der den aktuellen Anforderungen an eine zeitgemäße Bilanzierung von Finanzinstrumenten gerecht wird.[134]
Grundsätzlich gliedert sich das Projekt in die folgenden drei Phasen:[135]
- Phase 1: Klassifizierung und Bewertung von Finanzinstrumenten (classification and measurement)
- Phase 2: Außerplanmäßige Abschreibungen (impairment)
- Phase 3: Bilanzierung von Sicherungsgeschäften (hedge accounting)
Die bei Abschluss einer Phase erarbeiteten Regelungen werden aus IAS 39 gestrichen, um diese im Anschluss den Vorschriften des IFRS 9 zuzuschreiben.
In den folgenden Kapiteln werden die einzelnen Phasen des Projektes zur Ablösung des IAS 39 durch den IFRS 9 genauer dargestellt.
Eine erstmalige verpflichtende Anwendung der neuen Vorschriften des IFRS 9 plant das IASB für alle Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen, wobei die freiwillige Anwendung der fertiggestellten Teilbereiche des neuen Standards bereits jetzt erlaubt ist.[136] Wann allerdings die Anwendung des IFRS 9 in der Europäischen Union für die bilanzierenden Unternehmen verpflichtend wird, ist noch nicht abzusehen, da das zur Ratifizierung durch die EU Kommission durchzuführende Endorsement-Verfahren noch nicht genau terminiert wurde.[137]
Die erste Phase des IASB Projektes zur Ablösung des IAS 39 durch den IFRS 9 befasst sich mit der Überarbeitung der momentan geltenden Regelungen zur Klassifizierung und Bewertung von Finanzinstrumenten im Sinne der internationalen Rechnungslegung.
Diese erste Phase wurde durch das IASB am 28. Oktober 2010 abgeschlossen und die darin erarbeiteten Vorschriften veröffentlicht.[138] Allerdings wurde zusätzlich zu den im Jahr 2010 fertiggestellten Regelungen durch das IASB am 28. November 2012 der Exposure Draft ED/2012/4 „Klassifizierung und Bewertung: Begrenzte Änderungen an IFRS 9“ veröffentlicht. Dieser ergänzt die bisher erarbeiteten Vorschriften des IFRS 9 um weitere Anwendungsleitlinien zur Bestimmung des Geschäftsmodells sowie eine zusätzliche Bewertungskategorie für finanzielle Vermögenswerte ein.[139]
Eine detaillierte Darstellung der nach IFRS 9 geltenden Vorschriften zur Kategorisierung und Bewertung von Finanzinstrumenten folgt in Kapitel 3.4.
In der zweiten Phase des IASB Projektes zur Ablösung des bestehenden IAS 39 durch den neuen IFRS 9 werden die Regelungen zur bilanziellen Abbildung von außerplanmäßigen Abschreibungen überarbeitet beziehungsweise durch neue Vorschriften ersetzt, die nach dem Abschluss dieser Projektphase als IFRS 9 in den Regelungsbereich der IFRS Rechnungslegung einbezogen werden.
Die in diesem Kapitel dargestellte zweite Phase des Reformprojektes befindet sich momentan noch im Entwurfsstatus, wobei zu deren Erarbeitung bereits im Jahr 2009 der Exposure Draft „ED/2009/12: Financial Instruments: Amortised Cost and Impairment“ veröffentlicht wurde und zusätzlich im Jahr 2011 eine in Zusammenarbeit mit dem FASB entstandene Ergänzung des bereits publizierten ersten Exposure Drafts.[140] Darüber hinaus wurde durch das IASB im März 2013 der Exposure Draft „ED/2013/3: Expected Credit Losses“ veröffentlicht, dessen Kommentierungsfrist im Juli 2013 endet. durch diesen Exposure Draft beabsichtigt das IASB, das bisherige „Credit Loss-Modell“ durch ein „expected credit-loss model“ zu ersetzten.[141]
Bezüglich eines Abschlusses der zweiten Phase des Reformprojektes seitens des IASB wurde bisher nur der Entschluss gefasst, diesen vorzunehmen, wenn die neuen Vorschriften des IFRS 9 veröffentlicht werden.[142]
Bei der dritten Phase des Reformprojektes erarbeitet das IASB neue Regelungen zur Bilanzierung von Sicherungsgeschäften (hedge accounting).
Die ersten Regelungen dieser dritten Phase wurde durch den vom IASB bereits im Jahr 2010 veröffentlichten Exposure Draft „ED/2010/13: Hedge Accounting“ zur Diskussion gestellt. Darauf aufbauend veröffentlichte das IASB im September 2012 einen Standardentwurf des IASB staff zum hedge accounting, durch den sich die bilanzierenden Unternehmen explizit mit den zukünftigen Vorschriften des IFRS 9 auseinandersetzten können.[143]
Ein endgültiger Abschluss der Projektphase zur Erarbeitung neuer Regelung bezüglich der Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen ist für das dritte Quartal 2013 geplant.[144]
Der die bisherigen Regelungen zur Bilanzierung nach IAS 39 ersetzende IFRS 9 soll zukünftig den Ansatz, die Kategorisierung, die Erst- beziehungsweise Folgebewertung und die Ausbuchung finanzieller Vermögenswerte und finanzieller Verbindlichkeiten regeln.[145]
Davon abzugrenzen sind Teilbereiche der Regelungen zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten, die bisher noch nicht in die abschließenden Vorschriften des IFRS 9 eingeflossen sind und daher weiterhin durch den IAS 39 geregelt werden. Dazu gehören die bilanzielle Darstellungen von außerplanmäßigen Abschreibungen bei finanziellen Vermögenswerten oder finanziellen Verbindlichkeiten und die Bilanzierung von Sicherungsgeschäften, dem so genannten hedge accounting. Zusätzlich werden auch weiterhin die Bereiche der Darstellung von Finanzinstrumenten und die durch das bilanzierende Unternehmen dazulegenden Anhangangaben durch die beiden Standards IAS 32 und IFRS 7 geregelt.[146]
Die Vorschriften zur Regelung des erstmaligen Bilanzansatzes von Finanzinstrumenten wurden durch die Regelungen des IFRS 9 nahtlos von denen des IAS 39 übernommen.[147] Daher gilt auch weiterhin die grundsätzliche Vorschrift, dass ein finanzieller Vermögenswert oder eine finanzielle Verbindlichkeit zu jenem Zeitpunkt zum ersten Mal durch die Bilanz des anwendenden Unternehmens zu erfassen ist, zu welchem das bilanzierende Unternehmen Vertragspartei an einem über ein Finanzinstrument abgeschlossenen Vertrag wird.[148] In diesem Zusammenhang besitzt das bilanzierende Unternehmen bei Vertragsabschlüssen, die einen nach den Bestimmungen des Marktes vorhandenen marktüblichen Handel darstellen, das Wahlrecht, den Erstansatz des finanziellen Vermögenswertes am Handelstag oder erst am Erfüllungstag vorzunehmen, wogegen bei der Frage des erstmaligen Ansatzes von nicht an einem Markt gehandelten finanziellen Vermögenswerten die Vorschriften des IFRS 9 auf einen akzeptablen Zeitrahmen abzustellen sind.[149]
Davon abweichend sollen allerdings Forderungen und Schulden aus einer feststehenden Verpflichtung zum Kauf beziehungsweise Verkauf von Waren oder Dienstleistungen nach den Vorschriften des IFRS 9 erst dann bilanziell erfasst werden, wenn eine der beiden Vertragsparteien die vertraglichen Leistungen erfüllt hat. So hat zum Beispiel ein entsprechendes Unternehmen eine Forderung aus Lieferung erst ab dem Zeitpunkt bilanziell zu erfassen, wenn die Lieferung durchgeführt wurde.[150]
Nach den Vorschriften des IFRS 9 sind finanzielle Vermögenswerte zum Zeitpunkt ihres Zuganges der Kategorie der zu fortgeführten Anschaffungskosten (at amortised costs) bewerteten finanziellen Vermögenswerte, der Kategorie der zum beizulegenden Zeitwert (at fair value) bewerteten finanziellen Vermögenswerte oder der Kategorie der zum beizulegenden Zeitwert mit Wertänderungen im sonstigen Ergebnis (fair value through other comprehensive income) bewerteten finanziellen...