Geht es um Veränderungsarbeit, dann ist zunächst zu erörtern, durch welche Faktoren problematisches Verhalten[17] erzeugt wird und was man unter problematischem Verhalten versteht. Im Modell des NLP geht man davon aus, dass ein problematisches Verhalten dann vorliegt, wenn ein Individuum sein erwünschtes bzw. ein adäquates Verhalten nicht erreichen kann, d. h. wenn bei einer Person eine unüberbrückbare Differenz zwischen Ist-Zustand und Soll- bzw. Ziel-Zustand besteht.
Abb. 13: Problematisches Verhalten
Die Unüberbrückbarkeit zwischen Ist- und Soll-Zustand ist dabei nach Bandler und Grinder auf Einschränkungen im subjektiven Modell der Welt der Person zurückzuführen (vgl. Bandler u. Grinder 1998, S. 33 ff.). Die Wirklichkeit als solche bietet eine Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten, welche nahezu jedes Ziel erreichbar werden lassen. Allerdings schränkt die kognitive Repräsentation der Wirklichkeit eine Person bezüglich ihrer Wahl-möglichkeiten ein. Demnach kommt es zu problematischem Verhalten, wenn das Weltbild eines Individuums keine adäquaten Verhaltensweisen zur Zielerreichung enthält.
Problematisches Verhalten kann somit in einer ersten Annäherung als Konflikt zwischen dem „Aktuelles-Ich“ sowie seiner Potentiale und dem „Wunsch-Ich“ verstanden werden. Da der Mensch im NLP als ein handlungsaktives Wesen angesehen wird, welches einerseits Einfluss auf seine Umwelt ausübt und andererseits von der Umwelt sowie von gesellschaftlichen bzw. sozialen Anforderungen beeinflusst wird, muss neben den interpersonellen Konflikten auch die Dimension der sozialen Ansprüche als möglicher Konfliktherd in die Betrachtung miteingeschlossen werden (vgl. Schauer 1995, S. 50 ff.). Demnach entstehen Konflikte, welche sich in problematischem Verhalten äußern, nicht nur durch die Differenz zwischen „Ich“ und „Wunsch-Ich“, sondern können darüber hinaus durch Diskrepanzen des „Wunsch-Ichs“ und den sozialen Anforderungen und/oder durch Diskrepanzen der Potentiale einer Person und den sozialen Anforderungen entstehen. Aus den bisherigen Beschreibungen resultiert nun ein triadisches Konfliktfeld als Ursache problematischen Verhaltens:
Abb. 14: Triadisches Konfliktfeld (vgl. Schauer 1995, S. 51)
Wie bereits erwähnt entstehen Konflikte, wenn die subjektive Welt eines Individuums es nicht zulässt, dass sich die drei Ebenen des triadischen Konfliktsfelds logisch miteinander vereinen lassen. Allerdings ist diese Beschreibung zu allgemein, um für ein Veränderungsmodell von Nutzen zu sein. Ein spezifischeres Verständnis für die Ursachen problematischen Verhaltens ergibt sich, wenn man die in Kapitel I beschriebenen Prozessfilter, Prozessmechanismen und Informationsverarbeitungskonzepte einzeln be-trachtet und in ihnen mögliche Störungsquellen sucht.
In einer weiteren Verallgemeinerung kann man festhalten, dass eine eingeschränkte Repräsentation der Welt durch die Prozessfilter (Tilgung, Verzerrung und Generalisierung) zustande kommt. Durch Tilgung kommt es beispielsweise dazu, dass wichtige Informationen, welche für das Zielverhalten notwendig sind, nicht wahrgenommen werden oder es kommt durch Generalisierung zu einer eingeschränkten Wahrnehmung von feinen Unterschieden von Objekten oder Phänomenen. Die Auswirkungen der einzelnen Prozessfilter sollen an dieser Stelle allerdings nicht ausgeführt werden, da sie in den weiteren Beschreibungen impliziert sind. Zunächst wenden wir uns dem Strategienkonzept als möglicher Störungsquelle zu.
Das Strategienkonzept als Ursache problematischen Verhaltens:
Wie aus Kapitel I.A.4. hervorgeht, sind Strategien die Grundlage des inneren und äußeren Verhaltens. Durch das Zusammenwirken der verschiedenen Repräsentationssysteme kommt es vom Input zum Output. Führt eine Strategie zum erwünschten Verhalten, dann handelt es sich in dem betreffenden Kontext um eine sinnvolle Strategie. In der NLP-Literatur lassen sich insgesamt vier Merkmale finden, die erfüllt sein müssen, damit eine Strategie zum Zielverhalten führt (vgl. Weerth 1994, S. 62, 63).
Es muss eine konkrete Vorstellung vom Ziel der Strategie vorhanden sein. Ansonsten ist nicht klar, welche Strategie zum Einsatz kommen soll.
Die Strategie muss zumindest die drei wichtigsten RS (V, A, K) enthalten, „damit gewissermaßen der ganze Mensch kongruent an ihr beteiligt ist.“ (Weerth 1994, S. 62; Hervorhebung im Original).
Strategien müssen über einen Entscheidungspunkt verfügen, damit ein Ziel (der Exit) überhaupt erreicht werden kann. Mit anderen Worten, die Strategie darf nicht zirkulieren.
Die Strategie soll nach endlich vielen Schritten wenigstens ein externes Element enthalten.
Fehlt eines oder mehrere dieser Merkmale in einer Verhaltensstrategie, dann kann das zu problematischem Verhalten führen. Als Beispiel soll hier eine Strategie, die zu Depressionen führt, herangezogen werden (vgl. Walker 1996, S. 245):
Abb. 15: Depressions-Strategie
Abbildung 15 zeigt eine mögliche Strategie, welche zu Depressionen führen kann bzw. eine solche als Resultat aufweist. Inhaltlich stellt sich die Strategie hierbei wie folgt dar: Ein Individuum fragt sich selbst (Adi): „Warum ist alles so hoffnungslos?“ Daraufhin nimmt er das Gefühl der Hoffnungslosigkeit wahr (Ki) und sagt sich anschließend (Adi): „Ich kann einfach nicht mehr!“, was wiederum ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit und Trauer auslöst (Ki) usw.
Bei der Depressions-Strategie handelt es sich um ein Paradebeispiel für eine unzureichende Strategie. Keins der oben beschriebenen Merkmale ist erfüllt. Die Strategie weist kein Ziel auf (es sei denn, man mag es, traurig zu sein) und beinhaltet lediglich zwei der geforderten RS. Der entscheidende Punkt ist hierbei jedoch, dass kein Entscheidungspunkt in die Strategie integriert ist und dass es demzufolge auch zu keinem Exit kommen kann; die Strategie zirkuliert und dehnt sich zu unendlich vielen Schritten ohne externen Bezug aus!
Eine weitere Möglichkeit, wie es durch Strategien zu problematischem Verhalten kommen kann, ist die Abwesenheit der im Kontext optimalen Strategie zur Zielerreichung. In diesem Fall wäre zwar eine Strategie vorhanden, welche alle geforderten Merkmale besitzt, aber ihre ungünstige Struktur bringt für das erwünschte Verhalten Defizite mit sich.
In der einschlägigen NLP-Literatur wird zur Illustration die Buchstabier-Strategie herangezogen. Man geht hierbei davon aus, dass die Testphase der Strategie entweder einen visuellen oder einen auditiven Vergleich zulässt.
Abb. 16: Auditive/Visuelle Buchstabier-Strategie (vgl. Weerth 1994, S. 60)
Wird im Beispiel ein auditiver Vergleich gewählt, dann wird der Klang des zuvor visuell konstruierten Wortes mit dem erinnerten Klang des Wortes verglichen. Allerdings birgt der auditive Vergleich eine Menge Fehlerquellen in sich und es kommt dazu, dass Worte häufig falsch buchstabiert werden. Im Falle des visuellen Vergleichs wird das zuvor visuell konstruierte Wort mit einer visuellen Erinnerung verglichen. Diese Strategie stellt sich in der Regel als effektiver heraus; es werden weniger Fehler gemacht.
Eine visuelle Buchstabier-Strategie stellt jedoch nicht in jedem Fall eine optimale Lösung dar. Dilts weist darauf hin, dass die Submodalitäten der einzelnen Elemente einer Strategie das Ergebnis beeinflussen können (vgl. Dilts 1989, S. 90). Sind die konstruierten und erinnerten Worte z. B. nur unscharf, klein und in der Ferne zu sehen, wird das Ergebnis schlechter sein als wenn die Bilder nah und scharf erscheinen. Dies führt uns nun zu einer weiteren Kategorie von möglichen Störungsquellen: den Submodalitäten.
Submodalitäten als Ursache problematischen Verhaltens:
Die Art und Weise, wie Menschen Objekte und Erfahrungen wahrnehmen, beeinflusst ohne Zweifel ihr Verhalten und Erleben. Dabei kann es dazu kommen, dass gerade die Submodalitäten den Ausschlag für Verhalten und damit auch für problematisches Verhalten geben.
Die Funktionsweise der Submodalitäten ist nur schwer nachvollziehbar. Deshalb schlägt Bandler vor, man solle zunächst ein Selbstexperiment durchführen, um die Wirkung der Submodalitäten zu erfahren:
„Denken Sie an eine Erfahrung aus der Vergangenheit, die sehr angenehm war – vielleicht eine, an die Sie schon lange nicht mehr gedacht haben. Lassen Sie sich einen Moment Zeit, um zu dieser Erinnerung zurückzugehen, und vergewissern Sie sich, daß Sie sehen können, was Sie damals sahen, als dieses angenehme Ereignis geschah. (...) Während Sie dieses angenehme Ereignis betrachten, möchte ich, daß Sie die...