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Newsroom: Vor- und Nachteile der Neuorganisation journalistischer Redaktionsarbeit

AutorOlivia Konieczny
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl102 Seiten
ISBN9783656340553
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Journalismus, Publizistik, Note: 1,6, Universität Hamburg (Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschafft), Sprache: Deutsch, Abstract: Euphoriker preisen sie als 'Kulturrevolution' in den Redaktionen, sehen in ihnen die Zauberformel für eine erfolgreiche Zukunft der Zeitung. Ulrich Reitz spricht von der Erfindung der 'edlen Großküche', Uwe Vorkötter von einer 'Kathedrale des Journalismus'. Die Rede ist von 'Newsrooms': modernen, zentralisierten Redaktionen, die mithilfe eines 'Newsdesk' als 'Herzstück' ressort- und medienübergreifend arbeiten. Bislang voneinander unabhängig operierende Arbeitsbereiche werden hier zusammengeführt, Themen gemeinsam geplant und in Teams bearbeitet, Inhalte für Print und Online aufbereitet und zunehmend auch als Audio- und Videoformate produziert. Ziel dieser innovativen Redaktionsstrukturen ist, Barrieren zwischen den Ressorts abzubauen, Kommunikation und Arbeitsabläufe zu optimieren, Themen multiperspektivisch zu erfassen und über mehrere Kanäle auszuspielen, und somit sowohl Effizienz als auch Qualität zu steigern. Was an der Schwelle zum 21. Jahrhundert begann, hat sich mittlerweile großflächig zu einem tiefgreifenden Reformprozess entwickelt, der über Jahrzehnte tradierte Arbeitsweisen umkrempelt. In den Redaktionen werden Wände niedergerissen, um die architektonischen Bedingungen für die Umstrukturierung zu schaffen. Nicht selten entstehen hierbei Newsrooms gewaltigen Ausmaßes. Das Spektrum ist vielfältig wie die Redaktionslandschaft selbst: Die Modelle reichen von einfachen Produktionstischen bis hin zu Arbeitsbereichen, in denen Dutzende Mitarbeiter verschiedene Ressorts und Plattformen bedienen. Immer mehr Zeitungen verstehen sich nicht länger 'nur' als gedrucktes Medium, sondern als multimediale Akteure, die ihre Zielgruppen über mehrere Kanäle erreichen wollen. Die Branche reagiert damit auf sinkende Auflagen und Anzeigenerlöse sowie den durch das Internet verschärften Wettbewerb. Kritiker monieren hingegen, dass mit Newsrooms vor allem Kosten gespart werden sollen - zulasten der Redakteure. Sind die Ursachen für die Einführung eines Newsrooms schnell zu ergründen, so steht die Analyse möglicher Folgen der Umbauwelle erst am Anfang. Eine tiefergehende Untersuchung und Systematisierung der Vor- und Nachteile der innovativen Redaktionsmodelle steht noch aus. Die vorliegende Analyse arbeitet die zentralen Vor- und Nachteile von Newsrooms systematisch heraus. Als Forschungsziel entsteht eine strukturierte Übersicht, die als Grundlage für zukünftige empirische Arbeiten dienen kann - welche zweifelsfrei wünschenswert wären.

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Leseprobe

3. Kulturrevolution „Newsroom“: Die Neuorganisation journalistischer Redaktionsarbeit


 

3.1 Verschiedene Formen von Newsroom-Modellen


 

Nachdem in Kapitel 2 gezeigt wurde, wie traditionelle Redaktionsorganisation aussieht, welchen Herausforderungen Zeitungsredaktionen heute unterliegen und an welche Grenzen sie dabei stoßen, soll sich nun der Fokus auf die Newsrooms richten, zu denen klassisch organisierte Redaktionen als Reaktion auf diese Probleme umgebaut wurden und werden. Die Konzepte, die hierbei zum Tragen kommen, sind so vielfältig wie die Redaktionslandschaft selbst (vgl. Meier 2004b: 34; Milz 2005: 178). Jede Redaktion unterliegt anderen Rahmenbedingungen; die konkreten Ausgestaltungsformen von Newsrooms sind individuell auf die einzelnen Redaktionen zugeschnitten und hängen nicht zuletzt mit der jeweiligen Tradition und Redaktionskultur zusammen (vgl. Meier 2002g: 32). In ihren Innovationszielen stimmen die Konzepte meist überein - in ihren organisatorischen Details nicht (vgl. Meier 2006: 211). Das eine Newsroom-Modell gibt es nicht. Diese Tatsache erschwert vergleichende und generalisierende Aussagen. Auch der Forschungsstand lässt sich an dieser Stelle nicht in gewohnter Weise referieren, weil der Gegenstand der Betrachtung so vielfältig und verhältnismäßig neu ist; die Umbaulawine rollte erst nach der Jahrtausendwende los (vgl. Meier 2005: 397)..  Die theoretische und empirische Decke ist daher (noch) dünn. „Es gibt [..] weder flächendeckende Erhebungen noch einheitliche Definitionen.“ (Meier 2006: 206). Dennoch lassen sich - auf Basis einer Literaturanalyse und unter Rückgriff auf Fallbeispiele - sowohl zentrale Strukturmerkmale von, als auch typische Arbeitsabläufe in diesen innovativen Redaktionsmodellen zusammenfassen. Beides soll im Folgenden geschehen, um Newsrooms anschließend auf ihre Vor- und Nachteile hin analysieren zu können. Um eine klare Kontrastierung zur klassischen Redaktionsorganisation und somit eine bessere Nachvollziehbarkeit zu erreichen, gliedert sich Kapitel 3 analytisch ähnlich wie Kapitel 2: Nach der Begriffsdefinition erfolgt die Beschreibung der Aufbauorganisation von Newsrooms (Strukturmerkmale), anschließend wird die Ablauforganisation (Arbeitsabläufe) vorgestellt, wobei sich beide Ebenen bei der Beschreibung von Newsroom-Konzepten nicht immer klar trennen lassen, sodass teilweise Überlappungen entstehen. Im Anschluss werden zur Veranschaulichung einige Fallbeispiele von Newsrooms genauer vorgestellt.

 

3.2 Begriffsdefinition „Newsroom“ und „Newsdesk“


 

Newsrooms stehen international seit mehreren Jahren im Zentrum redaktioneller Innovationen, und auch in Deutschland gewinnen sie nun zunehmend an Bedeutung (vgl. Meier 2007a: 358). Neueren Schätzungen zufolge hat hierzulande bereits etwa die Hälfte der 137 publizistischen Einheiten „Newsrooms“ eingeführt (vgl. Lungmus 2007: 30; Meier 2007a: 356). Gemeinsam ist den innovativen Redaktionskonzepten, dass es bei ihnen um die „Neu-Organisation und Neu-Definition von Strukturen, Abläufen und Tätigkeiten“ geht (Meier 2006: 204). Zentral erscheint zudem, dass nicht wild neue Arbeitsformen eingeführt, sondern zunächst Strategien und Ziele definiert werden, bevor man die redaktionellen Strukturen daraufhin ausrichtet (vgl. Meier 2002g: 32). Unter den Motiven für Newsrooms stechen dabei drei Ziele hervor [12]: Erstens sollen hier, meist mithilfe eines „Newsdesks“, die Ressorts zusammengeführt, ressortübergreifende Teams gefördert sowie Themen- und Produktinnovationen ermöglicht werden. Optimierte Kommunikation und Arbeitsabläufe sollen zweitens sowohl Qualität als auch Effizienz steigern, wodurch (gegebenenfalls trotz weniger Personal) Freiräume für Eigenproduktionen geschaffen werden sollen. Drittens soll der. Newsroom crossmediales Arbeiten und die Ausspielung der Inhalte über mehrere Plattformen erleichtern beziehungsweise ermöglichen (vgl. Meier 2006: 204f.). Da viele Redaktionen die Anglizismen „Newsroom“ und „Newsdesk“ teils nur im weitesten Sinne verwenden und begriffliche Missverständnisse bestehen [13], hat Meier eine Definition vorgenommen (vgl. ebenda: 210):

 

Der Newsroom ist demnach „nicht einfach ein traditionelles Großraumbüro, sondern unterstützt architektonisch neue redaktionelle Konzepte des ressort- und medienübergreifenden Planens und Arbeitens. Die Wände zwischen Ressorts und Medien werden eingerissen; alle Journalisten sitzen in einem gemeinsamen Redaktionsraum und sollen sich so besser absprechen und koordinieren. Mit dem Begriff ,Newsroom‘ ist indes gar nicht so sehr die Architektur, sondern eher das neuartige Organisationsmodell und die neue Art journalistisch zu denken und zu handeln gemeint. Oft ist die Rede vom ,Fall der Mauern im Kopf‘.“

 

Der Newsdesk hingegen ist „eine Koordinations- und Produktionszentrale, in der alles zusammenläuft, was die Redaktion an Material zur Verfügung hat. In Zeitungsredaktionen werden dort die Seiten verschiedener Ressorts und/oder Lokalredaktionen gemeinsam koordiniert und produziert. Am Newsdesk können zudem crossmedial mehrere Plattformen abgestimmt und bedient werden. Je nach Konzept können am Newsdesk nur ein oder zwei Redakteure, aber auch bis zu einem Dutzend oder sogar noch mehr Redakteure [...] sitzen.“

 

Häufig werden beide Konzepte verbunden: Der Newsdesk bildet dann das Zentrum eines Newsrooms. Die vorliegende Analyse lehnt sich an Meiers (einschlägigen) Definitionsvorschlag an, fokussiert sich aber - aus Gründen der Vergleichbarkeit und weil es die meisten der umstrukturierten Redaktionen betrifft - auf Newsroom-Modelle, die mit einem Newsdesk arbeiten und ferner mindestens zwei verschiedene Plattformen (etwa Print und Online) integrieren.

 

3.3 Eingerissene Mauern: Wie Newsrooms aufgebaut sind


 

Zunächst soll beschrieben werden, welche zentralen Strukturmerkmale Newsrooms auszeichnen. „Wer Ressortmauern einstürzen lässt, macht auch vor wirklichen Wänden nicht Halt.“ (Raue 2004: 23). Die Idee eines Newsrooms stellt viele Redaktionen erst einmal vor architektonische Herausforderungen: Es müssen Mauern eingerissen oder neue Räumlichkeiten bezogen werden, damit die einst durch separate Ressort/Einzelbüros getrennten Redakteure in einem gemeinsamen Großraum auch physisch zusammenrücken können. Im Newsroom arbeiten dann die Redakteure aller Ressorts sowie Produktionsabteilungen (Bild, Grafik, Dokumentation, etc.) zusammen. Das ,Herzstück“ bildet der Newsdesk, der oft zentral in der Raummitte positioniert ist. Er ist der Dreh- und Angelpunkt der Redaktion, an dem alle Fäden zusammenlaufen (vgl. Mast 2008: 497). Newsroom-Konzepte lehnen sich am Vorbild angelsächsischer Redaktionsorganisation an, die auf funktionaler Arbeitsteilung und Spezialisierung der Redakteure in „editors“ und „reporters“ basiert (vgl. Kap. 2.1.3.1). Am Newsdesk vereinigen sich die inhaltlichen, fachlichen und organisatorischen Kernkompetenzen der Redaktion: Sogenannte , Editoren“ sind hier zusammen mit Technikredakteuren für die Planung, Organisation, Produktion und Kontrolle der journalistischen Beiträge zuständig. Mit ihnen am Desk sitzt der ,Redaktionsmanager“ (ähnlich dem ,Chef vom Dienst“, vgl. Kap. 2.1.4), dem der Kontakt zu allen anderen Abteilungen (Druck, Anzeigenabteilung, etc.) und die Koordination von Mantel- und Lokalredaktionen obliegen. Der ,Desk-Chef“ ist im Tandem mit der Chefredaktion gesamtverantwortlich (vgl. Ritter 2004: 11).[14]

 

Mithilfe des Newsdesks können Themenplanung und Abläufe von einer zentralen Stelle aus gesteuert werden (vgl. Mast 2008: 497). Die genaue Zusammensetzung bestimmen die einzelnen Redaktionen: So gibt es Tische, an denen immer ein fest installiertes Editoren-Team sitzt, Desks, deren Besetzung wochenweise nach dem Rotationsprinzip wechselt, und Tische, die zwar eine feste Einteilung aufweisen, bei denen aber auch die Newsdesk-Leute ein, zwei Themen haben, um die sie sich kümmern, sodass auch sie gelegentlich zum Schreiben kommen (vgl. Kemper 2004: 31). Idealtypisch sind um den Newsdesk herum weitere Desks angeordnet, an denen nach Themen zusammengestellte Teams sitzen. Die Redakteure an diesen Tischen erfüllen funktional die Aufgabe der ,Reporter“: Sie recherchieren und bearbeiten die ihnen zugewiesenen Themen. In. einigen Redaktionen fungiert an jedem dieser Tische ein Desk-Chef (ähnlich einem Ressortleiter, vgl. Kap. 2.1.3.3) für das Team; dabei sitzt er häufig am Tischkopf in unmittelbarer Nähe zum Newsdesk. Jedoch sind die Hierarchien im Newsroom deutlich abgeflacht: Ein Desk-Chef besitzt nicht die Machtfülle, wie sie einst ein Ressortleiter inne hatte, da alle relevanten Entscheidungen am Newsdesk getroffen werden.

 

Charakteristisch für Newsrooms ist auch das medienübergreifende Arbeiten: „Es geht um eine neue Philosophie des crossmedialen Publizierens, bei der die Information und die Lesergewohnheiten im Vordergrund stehen und nicht mehr das klassische Trägermedium Zeitung.“ (Rainer Mittelbach, damaliger IFRA-Chef, zit. nach Milz 2005: 186). Vom Newsdesk aus können mehrere Plattformen abgestimmt und bedient werden - von der Zeitung übers Web bis zu mobilen Endgeräten. Insbesondere der Verzahnung von Print und Online kommt hier eine tragende Rolle zu: Zeitungsredaktionen nutzen den Newsroom dafür, die einst am , Katzentisch‘ oder in separaten Räumen untergebrachten, oft als ,zweitklassige“ Journalisten betrachteten Online-Redakteure mit ihren...

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