Einleitung
Über eine Million Menschen in Deutschland sind an einer Demenz erkrankt. Mehrere Millionen sind, vor allem als Angehörige, zusätzlich betroffen. Die häufigste Ursache einer Demenz ist die Alzheimer-Krankheit. Sie ist nach dem derzeitigen Stand des medizinischen Wissens nicht heilbar, d.h. es besteht keine Möglichkeit, die Ursache der Erkrankung zu beheben. Mit den derzeit verfügbaren medikamentösen Therapien, die im Folgenden kurz dargestellt werden, kann allerdings eine Verzögerung des Krankheitsverlaufs und eine Milderung der Symptomatik erreicht werden. Nicht-medikamentöse Verfahren und Therapien können während des gesamten Krankheitsverlaufs eine große Hilfe bei der Bewältigung der jeweils anstehenden Aufgaben sein, von der Früherkennung der Erkrankung bis hin zum Umgang mit schweren Verhaltensstörungen in ihren fortgeschrittenen Stadien. Ihnen kommt daher eine besondere Bedeutung zu, weshalb sie in den folgenden Buchkapiteln umfassend dargestellt werden. Zunächst sollen jedoch die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten der Alzheimer-Demenz kurz angesprochen werden.
Bei leichten bis mittelschweren Stadien der Erkrankung sind Cholinesterasehemmer die Mittel der Wahl. Das sind Medikamente, die den Stoffwechsel der Überträgersubstanzen (Neurotransmitter) im Gehirn, insbesondere den von Azetylcholin, beeinflussen. Zur Verfügung stehen hierbei die Wirkstoffe Donepezil, Rivastigmin und Galantamin, die sich in kontrollierten Studien als wirksam im Sinne einer Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit und der Alltagskompetenzen der Patienten erwiesen haben. Auch Begleitsymptome der Demenz wie Ängste, Depressionen und Agitiertheit können durch diese Medikamente gemildert werden (z. B. Bullock und Dengiz 2005). Sofern Durchblutungsstörungen eine wesentliche Rolle spielen, wie bei der Alzheimer-Demenz vom gemischten Typ, lässt sich der Krankheitsverlauf auch durch eine zusätzliche Behandlung mit einem Gerinnungshemmer verzögern.
Durch diese therapeutischen Möglichkeiten stellt sich der zu erwartende Krankheitsverlauf der Alzheimer-Demenz deutlich günstiger dar als noch vor einigen Jahren. Allerdings profitieren nicht alle Patienten von der Behandlung, außerdem sind die krankheitsbedingten Leistungsminderungen letztlich nur hinauszögerbar, nicht jedoch aufzuhalten. Darüber hinaus können die Cholinesterasehemmer zu Nebenwirkungen wie Durchfall, Übelkeit und Erbrechen führen.
In mittelschweren und schweren Stadien der Erkrankung ist eine Behandlung mit Memantin möglich, einem Glutamatmodulator, der ebenfalls auf den Neurotransmitterhaushalt einwirkt. In Studien zeigen sich positive Effekte von Memantin auf die geistige Leistungsfähigkeit, die Alltagsfunktionen und das Verhalten (McShane et al. 2006). Beide Wirkstoffe, Memantin und Cholinesterasehemmer, können in mittelschweren und schweren Krankheitsstadien auch in Kombination verabreicht werden. Es gibt Hinweise, dass eine Kombinationstherapie der Monotherapie überlegen ist, d.h., dass dem Abbau sowohl der geistigen Leistungsfähigkeit als auch der Alltagsfunktionen durch die gleichzeitige Gabe von Cholinesterasehemmern und Memantin effektiver entgegengewirkt werden kann (Atri et al. 2008; Tariot et al. 2004).
Die Verabreichung von Cholinesterasehemmern und Memantin wird jedoch immer wieder kritisiert; so weisen viele Wirksamkeitsstudien methodische Mängel auf, wodurch die Zuverlässigkeit ihrer Ergebnisse in Frage gestellt werden kann. Außerdem gibt es bislang keine zuverlässige Möglichkeit, im Vorfeld Patienten, die von der Medikation profitieren, von jenen, die nicht profitieren, zu unterscheiden. Darüber hinaus können Nebenwirkungen auftreten, die die Lebensqualität des Patienten deutlich beeinträchtigen (zusammengefasst von Vollmar et al. 2008). Trotzdem sind Cholinesterasehemmer und Memantine nach wie vor Mittel der Wahl, da es bislang keine effektiveren Wirkstoffe gibt, um eine Demenz pharmakologisch zu beeinflussen.
Die Symptome und der Verlauf einer Demenzerkrankung und wie diese von dem Patienten und seinen Angehörigen erlebt wird, hängt jedoch nicht ausschließlich von organischen Faktoren ab, sondern wird durch eine Reihe weiterer Aspekte beeinflusst, etwa die soziale Umwelt des Patienten oder seine Lerngeschichte. So darf eine Demenzerkrankung nicht nur einseitig aus einer rein biologischen Perspektive betrachtet werden, sondern es muss eine Vielzahl von Einflussfaktoren angenommen werden, die zueinander in Wechselwirkung stehen, so dass ein bio-psycho-soziales Krankheitsmodell angemessen erscheint (z. B. Stechl et al. 2007).
Diese vielfältigen Aspekte müssen im therapeutischen Umgang mit dementen Patienten berücksichtigt werden. Neben der medikamentösen Behandlung können zusätzlich nicht-medikamentöse Strategien eingesetzt werden, um dem Patienten und seinen Angehörigen das Leben mit der Erkrankung zu erleichtern. Vorrangiges Ziel ist hierbei die Stabilisierung oder Verbesserung der Lebensqualität des Patienten und seiner Angehörigen, z. B. durch eine psychologische Unterstützung bei der Bewältigung der Diagnose, therapeutische Maßnahmen zur Milderung von Verhaltensstörungen oder Hilfestellungen zur Entlastung der Angehörigen.
Auf nicht-medikamentösem Wege kann auch versucht werden, dem Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit entgegenzuwirken. Entsprechende Maßnahmen machen sich hierbei die Eigenschaft des Gehirns zu nutze, kein starres Gebilde zu sein, sondern sich im Wechselspiel zwischen biologischen und umweltbezogenen Aspekten zu verändern. Durch diese sogenannte „neuronale Plastizität“ ist das menschliche Gehirn in der Lage, sich veränderten Bedingungen anzupassen. So ist beispielsweise bekannt, dass blinde Menschen die fehlende Verfügbarkeit eines Sinnessystems kompensieren können, indem sie Wahrnehmungsleistungen anderer Sinnessysteme oder komplexe kognitive Leistungen verbessern – eine solche Kompensation findet in Form von Veränderungen im Gehirn statt (Röder und Rösler 2004). Auch durch Übung und Training können mit biologischen Methoden nachweisbare Veränderungen im Gehirn hervorgerufen werden (Müllbacher 2007). Aus der Demenzforschung ergeben sich Hinweise darauf, dass sich kognitive Trainingsverfahren bei leichten kognitiven Beeinträchtigungen positiv auf die geistige Leistungsfähigkeit auswirken (Kap. 3).
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass den nicht-medikamentösen Verfahren in der Therapie von Demenzerkrankungen ein wichtiger Stellenwert zukommt. Sie können dazu beitragen, die Lebensqualität des Patienten und seiner Angehörigen deutlich zu verbessern, das Fortschreiten der Erkrankung zu verzögern und psychischen sowie Verhaltensstörungen entgegenzuwirken. Die nachfolgenden Kapitel geben daher einen ausführlichen Überblick über die wichtigsten nicht-medikamentösen Hilfen und therapeutischen Unterstützungsmöglichkeiten.
Zunächst werden allgemeine Merkmale der Erkrankung, insbesondere Möglichkeiten der Früherkennung dargestellt (Kap. 1). Dann wird auf Unterstützungsmöglichkeiten bei der Bewältigung der Diagnose eingegangen, da diese für den Patient und seine Angehörigen einen tiefen Einschnitt in ihr bisheriges Leben darstellt (Kap. 2). Im darauf folgenden Kapitel werden kognitive Trainingsmaßnahmen vorgestellt, die dem geistigen Abbau entgegenwirken sollen (Kap. 3). Auch die Aktivierung des Patienten ist ein sinnvoller nicht-medikamentöser Ansatz, um die Lebensqualität trotz der Diagnose zu stabilisieren und gegen Depressivität und das Gefühl der Hilflosigkeit vorzugehen (Kap. 4). Demenzpatienten entwickeln neben negativen Gefühlszuständen wie Depressivität und Angst häufig auch Verhaltensstörungen, z. B. impulsives oder aggressives Verhalten; die Umgangsweisen und Techniken, mit denen Angehörige und Pflegepersonal auf solche Probleme reagieren können, werden ebenfalls besprochen (Kap. 5). Die Betreuung eines Demenzpatienten wird von vielen Angehörigen als sehr belastend empfunden, weshalb sich das letzte Kapitel des Buches den Möglichkeiten widmet, mit denen pflegende Angehörige entlastet werden können (Kap. 6). Adressen, an die sich die Betroffenen wenden können, insbesondere die Kontaktadressen der Alzheimer Gesellschaften, sind im Anhang beigefügt.
Literatur
Atri, A., Shaughnessy, L., Locascio, J., Growdon, J. (2008). Long-term course and effectiveness of combination therapy in Alzheimer’s disease. Alzheimer disease and associated disorders 22(3): 209–221.
Bullock, R., Dengiz, A. (2005). Cognitive performance in patients with Alzheimer’s disease receiving cholinesterase inhibitors for up to 5 years. International journal of clinical practice 59(7): 817–822.
McShane, R., Areosa Sastre, A., Minakaran, N. (2006). Memantine for Dementia. The Cochrane Database of Systematic Reviews 2.
Müllbacher, W. (2007). Das lernende Gehirn – Neuroplastizität als Chance. Focus Neuro-Geriatrie 1(1): 16–19.
Röder, B., Rösler, F. (2004). Kompensatorische Plastizität bei blinden Menschen. Zeitschrift für Neuropsychologie 15(4): 243–264.
Stechl, E., Lämmler, G., Steinhagen-Thiessen, E., Flick, U. (2007). Subjektive Wahrnehmung und Bewältigung der Demenz im Frühstadium SUWADEM: Eine qualitative Interviewstudie mit Betroffenen und Angehörigen. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 40(2): 71–80.
Tariot, P., Farlow, M., Grossberg, G., Graham, S., McDonald, S., Gergel, I. (2004). Memantine treatment in patients with moderate to severe Alzheimer disease already receiving donepezil: a randomized controlled trial. Jama 291(3): 317–324.
Vollmar, H., Mand, P., Wilm, S., Butzlaff, M. (2008). DEGAM Leitlinie Demenz-Teil 2:...