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E-Book

Nichts war umsonst

Stauffenbergs Not

AutorHartmut von Hentig
VerlagWallstein Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl64 Seiten
ISBN9783835306790
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
In wenigen Jahren wird es niemanden geben, der den Nationalsozialismus 'ganz' - von 1933 an - bewusst miterlebt hat. Die Geschichtsschreibung hingegen nimmt zu. Ihre Urteile wandeln sich und widersprechen einander, und fast alle versuchen, die Deutung und Bewertung der Zeit an sich zu reißen, sie 'neu' vorzunehmen - die der Nazis, der Mitläufer, der Gegner. Hartmut von Hentig tut etwas anderes: Aus der Fülle des vorhandenen Wissens über die Brüder Claus und Berthold Stauffenberg destilliert er das heraus, was den Nachgeborenen hilft, die Voraussetzungen ihrer Tat zu verstehen. Die Stauffenberg-Brüder zeigen nicht nur 'Entschlossenheit und Rationalität' gegenüber den übermächtigen 'Verhältnissen'; sie vollziehen eine schwierige Abkehr von eigenen, nunmehr missbrauchten Idealen; sie wissen, es genügt nicht, den Tyrannen zu beseitigen, man muss auch für das aufkommen, was danach geschieht; sie nehmen die Einsamkeit bewusst auf sich. Können die Attentäter vom 20. Juli Vorbild sein? Hentig antwortet: Ja, indem sie in schwerster Zeit das getan haben, was man selber gern getan hätte. Es gibt notwendige Taten, die nicht sinnlos werden, indem sie misslingen. Und: Man muss nicht von vornherein das Richtige gewusst und gewollt haben.

Hartmut von Hentig, geb. 1925, war seit 1963 Pädagogikprofessor zunächst in Göttingen, ab 1968 in Bielefeld, wo er bis zu seiner Emeritierung 1987 lehrte. Hentig war Wegbereiter der Bildungsreform in den 60er und 70er Jahren. Veröffentlichungen u.a.: »Warum muss ich zur Schule gehen?' (2004); »Die Schule neu denken' (2003); »Der technischen Zivilisation gewachsen bleiben' (2002); »Bildung - ein Essay' (2001).

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Leseprobe
I. Der Täter (S. 9)

Paradoxerweise hören wir das Wort »Täter« seit der Nazizeit anders – vornehmlich als Gegensatz zu »Opfer«. Das Wort hat – ohne Kontext – zunächst einen schlechten Klang. Eine Täter-Nation trägt schwer an dieser bezeichnung. Schreibtisch-Täter sind Schreibtisch-Übeltäter. Schreibtisch-Wohltäter gibt es gewiss auch, aber der Gedanke kommt uns erst durch Innehalten und Nachdenken.

Eigentlich sollten Absicht und Ergebnis da rüber entscheiden, was wir bei dem Wort Täter empfinden. Die Ungeheuerlichkeiten der Nazis haben dem Wort Täter die Neutralität geraubt.

Hinfort entscheidet das Opfer, ob Täter und Tat etwas Nobles oder etwas Verächtliches sind. Das sieht anders aus, sobald ein anderer Gegensatz angesprochen wird: »Täter« – und also nicht Träumer, Zweifler, Zauderer, »Täter« –und also nicht dem Rasonieren ausgeliefert, "Tater" und also nicht bedenkentrager, wie wir heute gern sagen.

Hamlet, dessen Entschließng (prohairesis / resolution!) von "des Gedankens blasse angekränkelt" wird, kann die Tat nicht tun, die er doch tun will, er denkt zu viel. Unternehmung voll Mark und Nachdruck / Durch diese Rucksicht aus der bahn gelenkt, / Verlieren so den Namen Handlung.(III. Akt, 1. Szene) Die Vorstellungskraft, eine Ahnung von der Begrenztheit unserer Sicht, das nervose Gewissen machen uns zu Feiglingen. Hamlet "das weiß meine Generation" ist das deutscheste Stück, das je die Bühne gesehen.

Dem Nicht-Täter steht der bloß-Täter zur Seite: der Aktivist, der, dem das Handeln Selbstzweck ist. Auch das ist eine deutsche Gefahr, die sich in Schillers "Räubern" mit jugendlichem Ungestum, in seinem "Fiesco" mit Ehrgeiz und Rivalität bekleidet. All dem stelle ich Claus Stauffenberg gegenüber: den ebenso entschlossenen wie besonnenen Tater einen Mann, der aus Überzeugung und mit bezwingendem Verstand die politische, das ist "die Polis rettende" Tat tut.

Dies hebe ich hervor, um sie von der nicht weniger bewundernswerten, aber einsamen, die Folgen ausblendenden Tat eines Georg Elser zu unterscheiden. Um dieser Überlegung willen hatte ich meinem Text den alles zusammenfassenden Titel geben konnen "Wir haben uns vor Gott und unserem Gewissen geprüft: Es muss geschehen" . Claus Stauffenberg zu Jakob Kaiser. (Zitiert nach Zeller, S. 161) Was macht den solchermaßen philosophisch geadelten Täter aus?

Alle, die Claus Stauffenberg kannten, schildern ihn als dynamisch und gefasst zugleich. Alexander Stahlberg, dem Ordonanzoffizier von Feldmarschall von Manstein, verdanken wir eine Schilderung dieser beschwingten, zielstrebigen, gleichsam jeden Augenblick nutzenden Person: er stand in der offenen Tur, sah sich kurz im Raum um und kam mit wenigen raschen Schritten auf mich zu, er sagte: Stauffenberg und Sie sind Stahlberg.

Das geschah so schnell, dass ich keine Zeit fand, mich als der Jüngere dem Alteren vorzustellen. (Stahlberg, S. 264) Stauffenbergs Schnelligkeit der Auffassung und der Reaktion drückt nicht Hast oder gar Ungeduld aus, sondern Konzentration. (S. 265) Erkundung, Gedanke und Entschluss kommen immer in kürzerer Zeit zustande als bei anderen Menschen , er erreicht die Tat eher als sie. Er ist stets vorbereitet , auch auf das Unvorhersehbare. Der Gräfin Marion Yorck genügen drei Wörter zu seiner Kennzeichnung: Er ist aufmerksam, dezidiert und schön. Als Frau weist sie seiner buchstäblich einnehmenden Erscheinung unbefangen eine strategische Wirkung zu. Der Schuler Claus Stauffenberg wollte noch Architekt werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Der Täter9
II. Was macht den geborenen Täter zum politischen Täter?20
III. Die unmittelbaren Folgen der Tat46
IV. Wirkungen über die Tat hinaus52
Zitierte Quellen63

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