Vorwort
Als ich ihm zum ersten Mal begegnete, lästerte ich hinterher bei meiner besten Freundin über ihn: »Wenn der Typ mal eine Freundin hat, tut sie mir jetzt schon leid.«
Mit diesem Typen bin ich nun 32 Jahre zusammen, 22 Jahre davon verheiratet. Wir haben zusammen Kinder, laufen unter einer gemeinsamen Steuernummer beim Finanzamt und teilen uns einen Kleiderschrank im Verhältnis 70 : 30 zu meinen Gunsten. Ebenfalls 70 : 30 zu meinem Vorteil steht die Aufteilung unserer Charakterstärken zu unseren Verhaltensstörungen. Für ihn steht … ja, was eigentlich?
Er ist die Sorte: Einrichtung-in-Eiche-rustikal, Formel-eins-Freak, Gäste-stören-nur-Cocooning-Haltung, Latein-bildet-fürs-Leben und »Was ich heute kann besorgen, das verschieb ich nicht auf morgen«, weshalb er mittlerweile schon gleich nach dem Aufstehen die Anziehsachen für den nächsten Tag bereitlegt. Ich stehe auf ein offenes Großstadtloft mit minimalistischer Einrichtung, hasse Wettkämpfe in der Glotze, würde am liebsten jeden Tag für das ganze Viertel eine Party schmeißen, bin genervt von Bildungsbürgern und werfe beim Ausziehen am Abend einfach die alte Wäsche vor mein Bett.
Zu meinem großen Erstaunen haben wir uns bisher noch nicht gegenseitig umgebracht. Und noch verwunderlicher als die Tatsache, dass wir uns schon gegenseitig 32 Jahre überlebt haben, ist, dass wir uns immer noch … ähm … lieben. Denn weder Reichtum, Gewohnheit oder das Geheimnis eines gemeinschaftlich begangenen Mordes mit einer Leiche im Keller schweißen uns zusammen.
Auch meine Mutter fragte mich neulich: »Sag mal ehrlich, wieso bleibst du bei Alex? Lass mich raten! Wegen der Hypothek? Wegen der Kinder? Aus Phlegma?«
»Nö«, antwortete ich nach kurzer Überlegung. »Es muss wohl Liebe sein.« Meine Mutter blickte mich daraufhin an, als würde ich seelenruhig ein Mikadospiel legen, obwohl gerade ein Erdbeben der Stärke acht auf der Richterskala ausbricht.
Wie ist das möglich? Wenn andere vom »größten Rätsel der Menschheit« sprechen, denke ich persönlich weder an die Entstehung des Lebens, die Weiten des Universums oder den Kalender der Maya, sondern an ihn, meinen Mann und … ähm … ja: unsere Liebe.
Ich finde, es ist Zeit, diesen Begriff wieder zu entstauben und zu recyceln. So, wie die Homosexuellen »schwul« als Schimpfwort entsorgten und neu positiv besetzten. Wir in unseren Psychozeiten reden von »intakter Beziehung«, »gleichberechtigter Partnerschaft« oder »seriellem Lebensabschnittsgefährten«. Wir trauen uns nicht mehr zu sagen: »Ich liebe ihn«, weil die Schnulzen, der Kitsch und die Werbung den Begriff gekapert haben. Aber trotzdem gibt es keine treffendere Vokabel für diesen Zustand, weil sie nicht die Zweckgemeinschaft, sondern das Gefühl in den Mittelpunkt stellt. Liebe ist einfach eine prima Erfindung der Menschheit. Aber gut … das sind die Narkose, das Fahrrad und die Spülmaschine auch.
Keine Sorge, liebe Leserin und lieber Leser, »es muss wohl Liebe sein« führt nicht dazu, wieder in voremanzipierte Zeiten zurückzufallen und Kinder, Küche und Kerl zu bedienen. Sich altmodisch als Liebende zu betrachten befreit vielmehr vom psychologischen Optimierungs-Korsett unserer Zeit und den zahlreich damit verbundenen Zwängen, alles perfekt hinzukriegen. Und das, obwohl Konfliktforscher bei meinem Mann und mir bis ans Lebensende Studienmaterial finden würden. Denn wir streiten uns ständig. Und nicht nur das. Wir missachten meist alle Regeln des positiv-konstruktiven Umgangs miteinander. Wir schenken uns nichts – nicht mal zum Hochzeitstag, den wir neulich schon wieder vergessen haben (woraus ich ihm aber einen fiesen Strick drehte und einen Bogen vom Feminismus über die patriarchale Struktur bis hin zu einem vergessenen Hochzeitstag spannte, was zum gewünschten Ergebnis führte, dass er schnell doch noch zur Parfümerie meines Vertrauens eilte. Sie sehen, wie fantasievoll er schenken kann!). Durchschnittlich einmal im Jahr (früher drei Mal!) verlasse ich ihn für mindestens eine Nacht und ziehe in ein Hotelzimmer mit dem festen Vorsatz, diesen Widerling ein für alle Male zu verlassen – bis ich um fünf Uhr morgens aufwache und nicht mehr weiterschlafen kann, weil ich ebendiesen Widerling nicht neben mir spüre und er seinen schwarzen Humor nicht zeigen kann: »Das nächste Mal müssen wir uns noch lauter anschreien, damit die Nachbarn auch was von dem Spektakel haben, deren Leben ist doch langweilig!«
Wir belügen uns, wir sagen uns aber auch manchmal die Wahrheit. Wir reden viel miteinander. Meist nur Banales. Manchmal aber auch über ganz Tiefes. Wir können auch mal einen Schritt zurücktreten und uns von außen sehen. Wie neulich, als wir vor dem Kühlschrank standen und uns darüber zankten, ob die Milch nun links oder rechts in der Kühlschranktür stehen soll, bis unser Sohn kopfschüttelnd bemerkte: »Unglaublich, über was sich Erwachsene streiten können!«
Es darf nicht wahr sein – wir sind nun 32 Jahre zusammen. Wie ist das möglich? Wieso ist das ausgerechnet mir passiert, die ich die Ehe früher für eine Verspießerungsanstalt ohne täglichen Freigang hielt? Wie funktioniert eine gute (gibt es das?) Ehe überhaupt in Zeiten enormer Scheidungsraten und der Suche nach dem perfekten, individuellen Glück?
Jede Zeit hat ihre gemeinsamen Werte und Wertvorstellungen, die keiner grundsätzlich infrage stellt, weil sie uns in ihrem scheinbar universellen Charakter Geborgenheit vermitteln. Eine Geborgenheit, die wir dringend brauchen, die wir in der Gesellschaft und vor allem auch im Nächsten, dem Partner, suchen. Wir sind nicht so unabhängig, wie wir denken, sondern auch immer Kinder unserer Zeit. Und die heutige Zeit raunt uns unaufhörlich zu, wir müssten nur loslassen können. Wir haben vergessen, dass uns manchmal »festhalten können« glücklicher macht. Wo die Generationen vor uns noch überzeugt forderten: »Bleib bei ihm, es kommt nichts Besseres nach!«, betreiben wir meist lieber Partner-Hopping, als uns vor uns selbst wegen »mangelnder Flexibilität« zu schämen.
Es gibt immer gute Gründe, einen Mann zu verlassen, klar. Wenn er eine andere hat oder den Müll nicht wegbringt. Wobei die Frauen in meiner unmittelbaren Nähe sogar noch eher mit dem Fremdgänger als mit dem Haushaltsfaultier zurechtkommen. »Meine drei Kinder können die Jacken an der Garderobe aufhängen, mein Mann nicht«, erklärte mir neulich eine Bekannte auf die Frage, warum sie die Scheidung eingereicht hat. Sosehr wir auch wissen, dass wir uns mit einem Mann ein Kind einhandeln, das nie erwachsen werden wird, so sehr hoffen wir wider besseres Wissen doch, dass er durch das Windelwechseln bei den Kleinen gelernt hat, nicht mehr nach uns zu schreien: »Was soll ich denn machen, Schatz? Es ist nichts mehr im Kühlschrank!« Denken Sie in solchen Situationen nie daran, dass er als Single eigenständig einen vorbildlichen Haushalt führen konnte, die Kinder bisweilen exzellent bekocht und ein Büro leitet. Bei infantilen Kühlschrankfragen dieser Art helfen nur klare Ansagen oder hilfreiche Tipps wie: »Dann geh halt einkaufen!«
Es gibt aber auch immer gute Gründe, doch bei einem Mann zu bleiben und sich deshalb nicht der Feigheit zu bezichtigen. Manchmal liebt man sich einfach nicht mehr – dann trennt man sich besser. Aber wie kommt es, dass bei einem Drittel der deutschen Paare im Schnitt nach 14 Jahren Diebe aufkreuzen und die Liebe stehlen? Und warum verstehen sich andere Ignoranten wie wir wiederum darauf, das Haltbarkeitsdatum der Ehe ständig zu verlängern, wobei keiner von uns vor dem Traualtar jemals an eine mögliche Ablaufzeit des himmlischen Gefühls dachte? Wie kommt es, dass zwei Drittel der Bundesbürger an eine Liebe glauben, die ein Leben lang hält, aber unverdrossen weiter die Scheidungsrichter beschäftigen? Und wie um Himmels willen ist es möglich, dass laut Statistik Ehen im Vergleich zu Partnerschaften ohne Trauschein glücklicher sind? Haben wir uns freiwillig einen Wert zurückerobert? Einen Wert, der vielleicht gar nicht so reaktionär, sondern eher universell, da verbindlich ist? Wieso glauben wir an Vollkasko, obwohl im Vertrag nur Haftpflicht steht? Wie kann ich mir einen idealen Mann basteln, und warum gehören »zu einer glücklichen Ehe meist mehr als zwei Personen«?
Diesen und anderen Fragen geht dieses Buch nach. Auch die wichtigste Frage zur Liebe schlechthin wird diskutiert – woher weiß ich, dass er der Richtige ist, wenn er nicht mal WLAN im Haus installieren kann?
Falls es nach dem neuesten Stand der Forschung überhaupt eine halbwegs zuverlässige Betriebsanleitung für die Ehe gibt, lautet sie: Die Frau muss glücklich sein, dann läuft der Laden! Echt jetzt. Es geht nur um Sie, liebe Leserin! Das Seelenleben des Gatten spielt nach neuesten Untersuchungen kurioserweise keinerlei Rolle, ist völlig irrelevant im Hinblick darauf, ob man sich später mal einen Seniorenteller im Stift teilt. Es kommt nur auf Sie und Ihr persönliches Glück an. Wie das aber neben ihm zu erreichen ist, verrät auch wiederum niemand außer mir und hier – vielleicht.
32 Jahre sind Langstrecke und kein Sprint. Entsprechend anders verläuft das Training für einen One-Night-Stand oder eine lange Partnerschaft. Aber Achtung! Dieses Buch ist kein Trainingsprogramm mit strikten Fitnessanweisungen. Es ist auch kein (Patent-)Rezept für die Liebe, denn das gibt es nicht. Ich stelle Ihnen nur die kuriosen Zutaten vor, mit denen Sie Ihr eigenes Liebessüppchen so kochen...