3 Die Umsetzung: Training zur Steigerung von Medienkompetenz
Das dritte Kapitel leitet in die Darstellung eines konkret realisierten Trainingskonzeptes über. Dazu werden der modulare Trainingsaufbau und das didaktische Konzept des Trainings erläutert. Das didaktische Konzept setzt Prinzipien des Instruktionsdesigns und der konstruktivistischen Lerntheorie um.
3.1 Zielsetzung und Rahmenbedingungen des Trainings
Das Trainingskonzept wurde im Rahmen der Entwicklung der Universität Göttingen zu einer „Notebook-Universität“ entworfen1. Dozierende sollen befähigt werden, Seminarangebote virtuell aufzubereiten und anzubieten. Zu den erforderlichen Fähigkeiten gehören die Vorbereitung und Auswahl der geeigneten Online-Ressourcen und Online-Interaktionsmöglichkeiten, die Ablaufplanung von virtuellen Seminaren und die sozialen und kommunikativen Kompetenzen, um in einer textbasierten Lehr-/Lernumgebung Arbeitsprozesse begleiten und Gruppenprozesse moderieren zu können. Das Training ist somit als Weiterbildungsveranstaltung für Dozierende konzipiert. Der Schwerpunkt dieser Weiterbildung wird auf die Moderation von virtuellen Seminaren gelegt, da der Erfolg von E-Learning von der Qualität der tutoriellen Betreuung und der Vernetzung von Wissensstrukturen durch den kommunikativen Austausch zwischen Lernenden und Lehrenden abhängig ist.
Aufgrund der besonderen Zielgruppe müssen spezifische Rahmenbedingungen im Trainingskonzept berücksichtigt werden. Da die Zielgruppe der Dozierenden aufgrund ihrer Arbeitsbelastung in der Regel nur wenig Zeit für eine Weiterbildung aufwenden kann und sehr unterschiedliche Grade der Medienkompetenz angenommen werden müssen, soll das Training folgende Eigenschaften aufweisen.
- Das virtuelle Seminar soll auf 11 Wochen (Semesterdauer abzüglich Orientierungs- und Prüfungsphase) beschränkt werden.
- Es soll zum zeit- und ortsunabhängigen Lernen online angeboten werden.
- Der Aufbau soll modular sein, so dass Inhalte bedarfsgerecht gewählt werden können.
- Der Online-Content soll kurz, übersichtlich und anschaulich gestaltet und alle Vertiefungs-Texte zum Download und Offline-Lesen angeboten werden.
- Die Übungen sollen optional sein, so dass zwischen Selbstlernübungen und angeleiteten Trainings gewählt werden kann.
Damit die Vorteile des modularen Aufbaus, der frei wählbaren Optionen und des individuell bestimmbaren Zeitpunkts und Orts zum Lernen tatsächlich genutzt werden können und nicht zu Frustration und Überforderung bei den Teilnehmenden führen, soll eine Strukturierung und Anleitung zum Lernen gegeben werden. Zusätzlich wurde zu diesem Zweck ein Blended-Learning-Modell gewählt, in dem Präsenz- und Online-Phasen abwechseln.
Bei einer Präsenz-Auftaktveranstaltung sollte ein Überblick über das Curriculum gegeben werden. Idealerweise könnte sich daran eine Übung für das Zeitmanagement der Weiterbildung anschließen.
Unmittelbar nach Beginn der Weiterbildung sollte der Trainingsbedarf mit Hilfe eines Fragebogens diagnostiziert werden. Der Fragebogen ermöglicht den Teilnehmenden, einen bedarfsgerechten Plan für die Online-Weiterbildung aufzustellen, indem sie folgende Fragen beantworten:
- Wo benötige ich Übungen und Training?
- Wo benötige ich Vertiefung?
- Welche Basiskompetenzen sollte ich noch erwerben?
- Sind für mich eher Selbstlernübungen oder angeleitete Trainings empfehlenswert?
Darüber hinaus sollte der Fragebogen eine Zuordnung der Teilnehmenden zur Gruppe der gering oder hoch Medienkompetenten erlauben, so dass bei der Einführung in die benutzte Lehr-/Lernumgebung die Gruppen getrennt werden können. Weiterhin sollte der Fragebogen den Veranstaltern erlauben, Daten für den ersten Messzeitpunkt einer späteren Evaluation zu erheben.
3.2 Das Curriculum
Der Lehrstoff wurde in vier Module unterteilt. Die Auswahl und Entwicklung des Lehrstoffes und der darauf aufbauenden Übungseinheiten orientiert sich eng an den zu vermittelnden Fähigkeiten und Kenntnissen für medienkompetentes Handeln nach Winterhoff-Spurk (vgl. Abschnitt 2.3). Des Weiteren sollen die Trainingsteilnehmenden schrittweise an die besonderen Anforderungen der Online-Moderation im Vergleich zu klassischen Lehr-/Lernformen herangeführt werden. Sie sollen die Rollen kennenlernen, die sie als zukünftige Online-Moderatoren und -Moderatorinnen zu erfüllen haben (vgl. Abschnitt 1).
Modul I beginnt mit einer Präsenzauftaktveranstaltung, die einen Überblick über die Inhalte und den Ablauf des Curriculums bietet. Das didaktische Konzept des modularen Aufbaus und der Wahlmöglichkeiten für die Teilnehmenden wird dargestellt. Es wird darauf hingewiesen, dass diese maximale Unabhängigkeit beim E-Learning zu Zeitproblemen führen kann, wenn man keine aktive Zeitplanung betreibt. In einem zweiten Block sollte bereits eine erste inhaltliche Einführung in die Grundlagen der computervermittelten Kommunikation in Form eines Vortrags angeboten werden.
Da selten alle Teilnehmende die Präsenzveranstaltung besuchen können und sicherlich einige bestimmte Inhalte gerne nachlesen würden, werden zusätzlich alle Inhalte online zur Verfügung gestellt. Der Online-Content von Modul I enthält das Curriculum, die Ablaufplanung, einen Kalender, eine genaue Beschreibung der Module, Übungen und Arbeitsaufträge und die Folien des Vortrags zu Grundlagen der computervermittelten Kommunikation.
Über diese Inhalte hinaus stellt der Online-Content von Modul I die Vorteile des sozialen Lernens, die generellen Hindernisse von Gruppenarbeit, die Rollen des Online-Tutors und die sich daraus ergebenden Moderationskompetenzen kurz und überwiegend grafisch dar. Vertiefende Literatur und Beispielprotokolle werden im Online-Content zum Download als PDF-Dateien zur Verfügung gestellt.
Da das Modul I zur Orientierung über den Lehrstoff, der Eingewöhnung in die Lernumgebung und der Gruppenbildung dient, wird hier nur ein leicht durchzuführender Arbeitsauftrag gegeben. Der Arbeitsauftrag soll in erster Linie dazu dienen, dass die Teilnehmenden durch den Abgabetermin eine klare zeitliche Struktur vorgegeben bekommen und motiviert werden, die Phase des Zugangs und der Orientierung zu durchlaufen. Hier ist ein Arbeitsauftrag geeignet, der dazu motiviert, den Inhalt von Modul I durchzuarbeiten. Besonders geeignet scheint dazu ein dynamisch programmierter Fragebogen, der es den Teilnehmenden ermöglicht, entweder selbst oder mit Unterstützung der Tele-Tutoren ein individuelles Programm für ihre Weiterbildung zusammenzustellen. Dieser Fragebogen ist mit dem Evaluations-Messzeitpunkt 1 kombinierbar. Modul I ist auf eine Zeitdauer von zwei Wochen angelegt.
Modul II besteht wahlweise aus einer Präsenzveranstaltung und/oder dem Online-Content zu den Aufgaben des Tele-Tutors, technische Unterstützung zu bieten und zwischen dem sozialen und technischen System zu vermitteln. Dabei soll der unterschiedlich ausgeprägten Medienkompetenz der Teilnehmenden Rechnung getragen werden.
Die Gruppe der wenig Medienkompetenten könnte beispielsweise eine virtuelle Schnitzeljagd durch die Lernumgebung machen, damit exploratives Verhalten bei ihnen angeregt wird. Eine virtuelle Schnitzeljagd lässt sich ähnlich gestalten wie eine Schnitzeljagd im realen Leben: Man hinterlässt Zeichen und Nachrichten in den verschiedenen Bereichen der Lernumgebung, die auf einen versteckten Schatz hinweisen. Das kann z. B. das Bild einer Schatztruhe sein, welches in der Bibliothek eingestellt wird. Die Gruppe der wenig Medienkompetenten sollte dazu eingeladen werden, unbedingt vollständig an der Präsenzveranstaltung teilzunehmen.
Teilnehmende, die bereits erste Erfahrungen im Umgang mit der Lernumgebung gesammelt haben, können Modul II im Selbststudium absolvieren, da alle Materialien als Online-Content zur Verfügung gestellt werden. Ergänzend zu einer Einführung in die Lehr-/Lernumgebung wird auch die Perspektive der Administratoren und damit das Verständnis vermittelt, welches für die spätere Kommunikation im Team wichtig ist. Der Lernstoff von Modul II ist auf zwei Wochen verteilt.
Exkurs
An der Universität Göttingen stand als Lehr-/Lernumgebung die Open-Source-Plattform Stud.IP zur Verfügung, die zum damaligen Zeitpunkt bereits einen hohen Verbreitungsgrad an deutschen Universitäten besaß (siehe auch www.studip.de oder www.goettingen.studip.de). Die praktischen Übungen der Weiterbildung fanden daher in der Umgebung Stud.IP statt, können aber ohne großen Aufwand in jede andere Umgebung übertragen werden.
Stud.IP schafft eine Lernumgebung ausgehend von einer Veranstaltung (Vorlesung, Seminar, Übung) und bietet als Kommunikationsmöglichkeiten ein Forum und einen geschlossenen Chat pro Veranstaltung an. Darüber hinaus steht den Nutzern eine eigene Homepage zur Verfügung, auf der ein Bild oder Kontaktinformationen veröffentlicht werden können.
Modul III ist auf drei Wochen angelegt, damit die Teilnehmenden zwei Wochen zur Verfügung haben, um den Online-Content zur Rolle des Tele-Tutors als Coach (Zielsetzung, Zeitmanagement, Motivation, individuelle Beratung per E-Mail) und als Experte (mediendidaktische Aufbereitung) zu lesen. In der dritten Woche werden eine Vertiefung und ein Arbeitsauftrag angeboten, der bis zum Ende des Moduls III abgegeben werden sollte.
Zur Vertiefung dient ein...