KAPITEL 2
Wie ernähre ich mich paläo-vegan?
Dem Paläo- und dem veganen Ernährungsansatz ist gemeinsam, dass beide verarbeitete Lebensmittel vermeiden und sich auf solche konzentrieren, die »Mutter Natur« für unsere optimale Ernährung vermutlich vorgesehen hat. Wenn wir die wenigen Punkte, in denen sich die beiden Ernährungsgewohnheiten voneinander unterscheiden, einmal außen vor lassen, so öffnet sich unser Blick auf eine Fülle an Obst, Gemüse und anderen Nahrungsmitteln, die ein köstliches Ensemble auf dem paläo-veganen Teller bilden. Sehen wir es uns genauer an.
NÜSSE UND SAMEN
Seit Menschengedenken essen wir Nüsse und Samen. Da sie sich problemlos lagern lassen, dienten sie in vergangenen Zeiten häufig als eine Quelle für die Versorgung mit Nährstoffen während des Winters. Als Jäger und Sammler ernährten sich unsere Vorfahren höchstwahrscheinlich von dem, was in ihrer Nähe verfügbar war, und sie deckten ihren Eiweißbedarf durch diese kleinen, aber gehaltvollen Happen, die sie gesammelt hatten.
Wegen ihres hohen Fettgehalts genießen Nüsse und Samen häufig einen schlechten Ruf. Doch in ihrer unendlichen Weisheit hat Mutter Natur sie in harte Schalen eingeschlossen, die erst zeitaufwendig geknackt werden müssen. Diese Öffnungsprozedur entschleunigt den Verzehr und wirkt einer übermäßigen Kalorienaufnahme entgegen – außer natürlich, Sie befreien die Kerlchen alle auf einmal von ihren Schalen und schaufeln sie dann in sich hinein!
OBST
Ohne Frage war Obst Bestandteil des altsteinzeitlichen Speiseplans. Bei archäologischen Ausgrabungen in Nordisrael fand man Überreste von Feigen, Oliven, Birnen und Pflaumen. Noch viel ältere Spuren von Trauben fanden sich in Tennessee (USA), und Überbleibsel aus anderen urgeschichtlichen Stätten bestätigen den frühen Verzehr von Früchten, so dass wir mit einiger Berechtigung annehmen können, dass ein Mensch der Altsteinzeit sich dort, wo es keine Früchte in Hülle und Fülle gab, nicht niedergelassen hätte. Heutzutage können Paläo-Anhänger auf eine ziemlich umfangreiche Liste bevorzugter Obstsorten zurückgreifen, an deren Spitze die dunklen Beeren stehen.
BUNTES GEMÜSE
Grüne Gemüse sind die Kraftwerke veganer Ernährung. Die Paläo-Ernährung folgt diesem Beispiel und schließt eine große Bandbreite dieser essentiellen Lebensmittel mit ein. Zudem legen beide Ernährungskonzepte Wert auf Nahrungsmittel, die reich an Antioxidantien sind, das heißt in pflanzlicher Nahrung vorkommende chemische Verbindungen, die Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes vorbeugen helfen. Antioxidantien bekämpfen Entzündungen und oxidativen Stress, der zu einer Vielzahl von degenerativen, chronischen Erkrankungen führen kann. Der einfachste Weg, seinen Körperhaushalt mit diesen heilsamen Verbindungen aufzufüllen, ist der Verzehr von buntem Gemüse, denn Antioxidantien wie Anthocyanidine, Carotinoide, Catechine und Flavone sind für das farbenfrohe Äußere von Pflanzen verantwortlich.
Genau wie wir uns von unseren Vorfahren unterscheiden, so unterscheiden sich auch unsere heutigen von den alten Gemüsesorten, denn spätestens seit der Jungsteinzeit wurden Gemüse in gewisser Weise »genetisch« verändert. Damit meine ich nichts anderes, als dass die frühen Menschen durch Auslese die Keimlinge der wohlschmeckendsten Wildpflanzen züchteten und kombinierten. So nimmt man beispielsweise an, dass die verschiedenen Kohlsorten, etwa Brokkoli, Rosenkohl, Weißkohl, Grünkohl und Kohlrabi, sich alle aus einer urgeschichtlichen Pflanze entwickelt haben.
GESUNDE FETTE
Unsere altsteinzeitlichen Vorfahren zerstampften vermutlich keine Oliven oder andere Nahrungsmittel, um daraus Öl zu gewinnen. Wahrscheinlicher ist, dass die Menschen im Nahen Osten, der Wiege der Zivilisation und wo es schon lange Oliven in Hülle und Fülle gab, Olivenvorräte anlegten und sie als ganze Frucht aßen.
Alle pflanzliche Nahrung enthält einen gewissen Fettanteil, mag er auch noch so winzig sein. Paläos und Veganer sind sich einig, dass diese natürlich vorkommenden Fette gesund sind. Geht es jedoch um ausgelassene, extrahierte und zugesetzte Fette, so unterscheiden sich ihre Empfehlungen hinsichtlich Art und Menge erheblich voneinander. Noch dazu zeigen sich zwischen den verschiedenen Paläo-Konzepten bemerkenswerte Widersprüche. Beispielsweise zählen manche Autoren auch Butter, Schmalz und sogar Talg zu den gesunden Fetten. Natürlich haben solche Fette in meinem paläo-veganen Ansatz nichts zu suchen; ich bleibe bei meiner veganen Ausrichtung, ohne deshalb auf nahrhafte Fette und Öle zu verzichten.
Wir alle achten auf unser Gewicht, also ist es klug, unsere Kalorienaufnahme im Blick zu behalten. Vielleicht hatten unsere altsteinzeitlichen Ahnen so viel Bewegung, dass sie sich eine Ernährung mit einem hohen Fettanteil erlauben konnten, doch die meisten von uns – außer vielleicht Marathonläufer und Sumoringer – sollten einen großen Bogen um Nussbutterbällchen machen! Fette, einschließlich Öle, enthalten 9 Kalorien pro Gramm, Proteine und Kohlenhydrate hingegen jeweils nur 4 Kalorien. Die Zugabe von Öl kann die Kalorienmenge schneller erhöhen als Sie eine mit ordentlich Butter bestrichene Kartoffel verputzen können. Ein einziger Esslöffel Butter sind etwa 14 Gramm, das sind 102 Kalorien. Um ohne Fettzugabe den Geschmack zu erhöhen, verzichten Sie auf die Butter und geben Sie auf eine gebackene Kartoffel stattdessen gehackte Frühlingszwiebeln und Tomaten, Mandelblättchen oder gedünstete Brokkoliröschen.
Wenn Sie auf zusätzliches Fett verzichten, können Sie Berge von Obst und Gemüse essen, ohne sich große Sorgen um Kalorien machen zu müssen. Sie können auch unverarbeitete, ungesalzene Nüsse und Samen genießen, besonders wenn Sie sie vorher knacken müssen. Die Zeit, die Sie für das Entfernen der Schalen brauchen, gibt Ihrem Gehirn genau die 15 bis 20 Minuten, die es benötigt, um das Signal zu empfangen, dass sich Ihr Magen füllt. Außerdem werden Sie weniger essen müssen, denn ganze Nüsse und Samen sind vollgepackt mit Nährstoffen, was sie zu echten Hungerknackern macht.
ROH ODER GEKOCHT?
Üblicherweise hat die Paläo-Ernährung einiges gemeinsam mit einer rohkostbasierten veganen Ernährung, die den Akzent auf unverarbeitete, natürliche Nahrungsmittel setzt. Für all diese Ernährungsweisen konnte nachgewiesen werden, dass sie vor Krebs, Herzkrankheiten und Diabetes schützen und bei Diäten helfen.
Wenn Sie den Rohkost-vegan-Ansatz verfolgen, können Sie bestimmte Lebensmittel zu einem Smoothie zusammenmixen, sie aufkeimen lassen oder dörren. Es überrascht nicht, dass Rohkost-Enthusiasten verarbeitete Lebensmittel zurückweisen – abgesehen vom gelegentlichen Gebrauch von extrahierten Ölen, Essig, Tamari Sojasauce und ein paar wenigen natürlichen Süßstoffen – und sich für ihren Speiseplan vornehmlich auf frische Lebensmittel und Nüsse stützen. Zum Beispiel können Weizenkörner eingeweicht und dann zu Vollkornbrot und anderen Vollkornleckereien verarbeitet werden oder fermentiert, um rohen Nusskäse herzustellen. Man kann jedoch auch komplett auf Getreide verzichten.
Die rohkostbasierte vegane Ernährung lehnt raffinierte Kohlenhydrate ab und erhöht die Aufnahme von sekundären Pflanzenstoffen, genauso wie es in der üblichen Paläo-Ernährung der Fall ist. Tendenziell ist sie arm an Natrium und schädlichen Fetten. Weiterhin ist sie völlig frei von den gefährlichen Stoffen, die bei der Zubereitung von Nahrungsmitteln bei hohen Temperaturen entstehen. Diese Nebenprodukte tragen Namen wie Advanced Glycation Endproducts (AGEs), heterocyclische aromatische Amine (HAA) oder polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK).
In der Paläo-Gemeinde wird darüber diskutiert, inwiefern der Prozess des Kochens dazu beiträgt, dass manche Nährstoffe leichter aufgenommen werden können; das ist als gesteigerte Bioverfügbarkeit bekannt. Allerdings umfasst der Speiseplan von Rohkost-Veganern eine solche Bandbreite von frischen Produkten, dass sie etwaige Aufnahmeprobleme locker durch die Menge der Nährstoffe, die sie zu sich nehmen, wettmachen. Nichtsdestoweniger sollte jeder, der sich rohkostbasiert-vegan ernährt, von Zeit zu Zeit zu ein paar Sprossen von Hülsenfrüchten greifen, denn der Kaloriengehalt von Sprossen liegt unter dem von Nüssen – man sollte Nüsse als hauptsächliche Eiweißquelle nicht zu sehr strapazieren. Die Qualität des in Hülsenfrüchten enthaltenen...