Kapitel 5.3, Herausforderungen
Ängste
Die Begegnung mit Tod und Sterben löst Ängste aus. Auch wenn es sich dabei nicht um unser Sterben handelt, werden wir doch indirekt mit unserer Sterblichkeit konfrontiert. Wir sehen uns den gleichen Ängsten ausgesetzt wie die Sterbenden, also Ängsten, die mit Schmerzen, Verlust und Ungewissheit zu tun haben. Zusätzlich können Gefühle der Unsicherheit im Umgang mit Sterbenden und deren Angehörigen auftreten - was soll man sagen, wann besser schweigen und wenn ja, für wie lange?
Ein sterbender Mensch kann Fragen in den Raum stellen, auf die wir keine Antwort wissen und auch das will ausgehalten werden. Es ist jedoch allemal besser, diese Unwissenheit oder das Unverständnis gemeinsam zu ertragen, als alleine.Student führt zu diesem wichtigen Thema an, dass Ängste vor dem Tod zwar bewältigt, aber nicht aufgelöst werden können.
Bezug nehmend auf Untersuchungen von Becker und Salomon erklärt Student die Angst vor dem Tod als aufeinanderprallen zweier entgegengesetzter Impulse. Auf der einen Seite stehe unser Überlebenswille, auf der anderen unsere verstandesmäßige Fähigkeit die Tatsache, des eigenen Todes als unabänderliche Realität zu erkennen. Student weist darauf hin, dass diese Ängste nicht auflösbar seien und somit Fluchttendenzen oder Aggressionen verursachen können. In diesen Ängsten sieht er auch eine Ursache von Bestrebungen nach Euthanasie. Er betont die Wichtigkeit, diese Ängste bewusst wahrzunehmen und sich damit auseinander zusetzen, um sie bewältigen zu können. Am wichtigsten sei jedenfalls, dass unsere Ängste nicht in Aggression umschlagen.Manche Sterbende schaffen es, ihr Sterben anzunehmen.
Der elfjährige Morten sagt beispielsweise, dass es nicht so schwierig sei zu sterben, wenn man sich erst mal an den Gedanken gewöhnt habe. Mit dieser Einstellung gehört er sicher einer Minderheit an, aber er zeigt deutlich, dass es möglich ist, eine positive Haltung zum Sterben einzunehmen. Meiner Meinung nach ist diese Haltung nicht nur für den Sterbenden erstrebenswert, sondern auch für sein Umfeld, besonders aber für Hauptamtliche. Es ist einfacher, eine positive Haltung in einer gleichgestimmten Umgebung aufrecht zu erhalten, als in einer entgegengesetzten. Dabei ist es ziemlich problematisch, angesichts eines hoffnungslosen Sterbenden oder depressiver Angehöriger Optimismus zu verbreiten. Viel einfacher und in unserer Kultur üblicher ist es, sich quasi einzuschwingen und die anderen nicht mit deviantem Verhalten zu irritieren. Das macht es allerdings besonders schwierig, aufmunternde Worte zu finden, wenn eine Bittermine regelrecht gesellschaftlich eingefordert wird und man gesellschaftliche Sanktionen befürchten muss, ob des Versuchs, die Stimmung zu wandeln.Andererseits muss bedacht werden, dass Sterbende in ihrem Sterben auch ernstgenommen werden wollen (wenn sie es denn einmal akzeptiert haben). Hier muss aufgepasst werden, mit frommen Genesungswünschen und der Projektion von Gesundungsphantasien, die eher befremdlich auf den Sterbenden wirken. Es ist also erkennbar, dass eine Vielzahl von Ängsten, einerseits bezogen auf das Sterben, andererseits auf „korrektem Verhalten“ gegenüber Sterbenden auftauchen können und damit will umgegangen sein.
Ekel
Zwar kommt der Sozialarbeiter in wesentlich geringerem Maße in Kontakt mit Ekligem als vergleichsweise Pflegekräfte, dennoch kann es zu Situationen kommen, in denen Gerüche, Körperausscheidungen, Erbrechen, offene Wunden oder aufgebrochene Gesichtskarzinome in unterschiedlichem Maße Gefühle des Ekels auslösen. Eine naheliegende Haltung wäre, den Patienten vor der Belastung, eine „Quelle des Abscheus“ zu sein, zu bewahren, also die eigenen Empfindungen und Gedanken vor dem Sterbenden zu verbergen. Gerade für empfindliche Menschen eine große Herausforderung. Handlungsfähigkeit und Professionalität scheinen bedroht und nicht jeder wird eine derartige Situation aushalten können. Wichtig sind hierbei das Erkennen von Grenzen sowie entsprechendes Handeln. Es kann besser sein derartige Situationen vermeiden, als im Falle von Unvermögen dem Sterbenden Lebensqualität zu rauben (durch unvermeidbares Zeigen von Ekel und der damit einhergehenden Belastung des Klienten).