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E-Book

Pedal the World

Mit dem Fahrrad um die Welt

AutorFelix Starck
VerlagUllstein
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783843712125
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Felix Starck träumte schon lange von einer Weltreise mit dem Fahrrad. Also kündigt er im Juni 2013 seinen Job, verkauft Kühlschrank und Auto und schwingt sich, völlig untrainiert, in den Sattel. Unterwegs lässt ihn sein Reisepartner im Stich, er bekommt eine Lungenentzündung, wird von Polizisten in Kambodscha ausgeraubt und hat unzählige platte Reifen. Aber aufgeben? Kommt nicht in Frage. Genau 365 Tage und 17.918 geradelte Kilometer später ist er überraschend wohlbehalten und mit strammen Waden wieder zurück. In seinem Buch erzählt er von einer Reise, wie es sie kein zweites Mal gegeben hat.

Felix Starck, Jahrgang 1990, hat mit seiner kleinen Fahrradtour seine beiden großen Hobbys vereint: Reisen und Sport. Vor der Reise arbeitete er im Sport-Management. Die nächste Reise ist schon geplant und wird ihn mit dem Wohnmobil durch Argentinien führen.

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Leseprobe

Die Reise beginnt


Unbemerkt von meinen Freunden stolpere ich aus dem Club in Karlsruhe, in dem wir gerade meinen Abschied feiern. Zum ersten Mal realisiere ich, dass wir morgen tatsächlich losfahren, und der Sternenhimmel verschwimmt vor meinen Augen. Jetzt bloß nicht daran denken, was ich alles zurücklasse. Bisher war ich noch nicht ein Mal nervös. Für Nervosität war auch gar keine Zeit, so schnell haben wir aus unserer biergetränkten Idee Ernst gemacht. Viel ist passiert in den vier Monaten seit unserem Handschlag in den Alpen. Einen Tag nach der Skitour lagen unsere Kündigungen auf dem Schreibtisch unseres Chefs. Aber dann fing die Arbeit erst richtig an, weil wir nicht, wie andere, Jahre vorher mit der Planung begonnen haben. Manchmal ließ uns unsere Naivität auf die Nase fallen. Die notwendigen Impfungen machten uns beispielsweise von einer auf die andere Sekunde ungeplant um 1000 Euro ärmer. Ein herber Schlag für unser Reisebudget. Dafür musste mein schöner Retrokühlschrank dran glauben. Nach und nach haben wir aber sowieso alles verkauft, was wir besaßen – mein Leben passt jetzt in eine Umzugskiste.

»Ohne Hab und Gut ist es leichter aufzubrechen«, denke ich gerade, als das Knarzen der schweren Tür und die Musik, die aus dem Club dringt, mich aus meinen Gedanken reißen.

»Na Kumpel, ready?«, fragt Fynn, der mich gesucht hat.

»Türlich«, gebe ich zurück, und wir schauen zusammen in die Sterne.

Unsere Aufgabenteilung bei den Reisevorbereitungen und später unterwegs war schnell klar. Fynn kümmert sich um alles, was die Räder und das Radeln betrifft. Er ist technikaffiner als ich, ehemaliger Radsportler und kennt sich sehr gut aus. Er ist auch der Fittere und wenn man so will der Härtere von uns beiden. Ich kümmere mich um die Vermarktung unseres Trips. Weil wir bei der Ideenfindung beide nur etwa 400 Euro auf dem Konto hatten, sind wir auf Sponsoren angewiesen, die uns das Material stellen. Sie davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, uns zwei Spinner zu unterstützen, war eine Menge Arbeit und meine Aufgabe. Dazu habe ich einen Blog gegründet und eine Facebookseite erstellt, damit Menschen unsere Reise verfolgen können. Unzählige E-Mails später haben viele Radiosender und Zeitungen über uns und die Reiseidee berichtet und damit die Menschen auf uns aufmerksam gemacht. Besonders für Onlinemarketing habe ich ein Händchen, und so ist der Plan aufgegangen. Mit einer bereits vor Abreise beträchtlichen Summe an Facebook-Followern und Bloglesern bin ich an die Sponsoren herangetreten und habe so erreicht, dass wir vom Fahrrad über Satteltaschen und Flickzeug bis hin zu Gaskocher und Klamotten alles gestellt bekommen haben. Geldspenden haben wir aber keine angenommen, wodurch wir unterwegs mit knapp 10.000 Euro pro Nase für alle anstehenden Kosten auskommen müssen. Mehr hat der Verkauf all unserer Sachen nicht eingebracht.

Auf einer Outdoormesse habe ich Max kennengelernt, der seine Fahrradreise gefilmt hat. Sein Film hat mir große Lust gemacht, auch unsere Reise zu dokumentieren. Deswegen haben wir uns eine Spiegelreflexkamera gekauft und auch einige Actioncams gesponsert bekommen, damit wir unsere Eindrücke festhalten können. Diese kleinen und leichten Kameras sind extra für das Filmen von Sportarten ausgelegt. Man kann sie beim Skifahren, Surfen und Ähnlichem auf dem Helm oder irgendwo am Körper befestigen, mit einer Hülle sogar unter Wasser benutzen, und sie filmen trotz der Bewegung ziemlich stabil. Wir haben einige an unseren Rädern befestigt, um den Weg vor und hinter uns festhalten zu können.

Wir wollen aber nur so lange filmen, wie es uns Spaß macht, denn im Vordergrund steht die Reise selbst. Was wir später mit dem Material machen, wissen wir noch nicht, aber mich bestärkt der Gedanke an eine fertige Doku ungemein. Auch dass wir eine breite Öffentlichkeit erreicht haben, gibt mir Motivation.

»Bin gespannt auf das Kamerateam morgen«, sage ich zu Fynn.

»Ich finde es eher komisch, dass nicht nur Freunde und Familie kommen«, entgegnet er.

Zu den Berichten in Zeitungen und im Radio kommt ein Fernsehbeitrag, für den ein Kamerateam unseren Tourstart filmt.

»Wieso mit dem Fahrrad?«, wurden wir häufig gefragt. Es ist die ökonomischste und vor allem ökologischste Art zu reisen, die wir uns vorstellen können. Man ist schneller als zu Fuß und günstiger als mit dem Auto, Flugzeug oder Zug unterwegs und so nah an den Menschen, der Kultur und der Natur, wie es anders kaum möglich wäre. Es geht uns dabei nicht darum, möglichst schnell zu sein oder Rekorde aufzustellen, es geht darum, aus eigener Kraft Landschaften zu erkunden, Erfahrungen zu sammeln und unvergessliche Bekanntschaften zu knüpfen! Wir wollen das Fahrrad als vorrangiges Fortbewegungsmittel nutzen, aber auch mal in den Flieger steigen, wenn es uns irgendwo nicht gefällt oder in eine Gegend zieht, die nicht auf dem Landweg erreichbar ist. Unsere Reise soll keine Fahrradweltreise, sondern eine Weltreise mit und auf dem Fahrrad sein. Wir wollen möglichst viele schöne Orte sehen und befahren, auch wenn das bedeutet, dass wir mal eine Strecke fliegen.

Die meisten Menschen sind begeistert, wenn sie von unserer Reiseidee hören, aber viele glauben nicht, dass wir es schaffen. Einigen konnte man es ansehen, andere haben es uns direkt ins Gesicht gesagt. Unter ihnen waren auch viele andere Radreisende. Von denen gibt es mehr, als man denkt, sie bilden besonders im Netz eine große Community. Von der haben wir uns aber sehr schnell distanziert, weil es uns nervt, dass es dort vorrangig um Kilometerzählerei geht. Auf ständige Konkurrenzgedanken haben wir keine Lust und wollen auch nicht mit unendlich vielen Ratschlägen konfrontiert werden. Natürlich könnten wir viel von ihnen lernen, aber letzten Endes wollen wir doch unsere eigenen Erfahrungen machen.

Erfahrungen sind Maßarbeit. Sie passen nur dem, der sie macht.


Wir haben auch nicht auf Tipps gehört, welche Dinge auf der Reise unabkömmlich und welche unnötig sind, sondern uns mit 60 Kilo inklusive Rad ziemlich vollgepackt, um dann, wenn wir merken, was wir brauchen und was nicht, nach und nach Sachen heimzuschicken. Auch eine Route gibt es nicht wirklich. Wir wollen zwei Jahre lang unterwegs sein und haben aus unseren verschiedenen Wunschzielen eine gerechte Mischung zusammengestellt, die uns realistisch erscheint. Flüge werden wir immer erst vor Ort buchen, um flexibel zu bleiben. Wann wir Lust auf Australien haben und wann es Zeit für Hawaii ist, wissen wir ja jetzt noch nicht. Damit wir nicht zu schnell in den Flieger steigen müssen, werden wir in Richtung Osten starten und wollen uns dann durch Russland und Kasachstan bis nach Asien durchschlagen. Wo wir genau langfahren, wird aber jeden Tag aufs Neue entschieden. Ins Ungewisse zu radeln, passt zu uns. Auch, dass wir nicht trainiert haben, ist Absicht. Unsere Reise hat keinen sportlichen Hintergrund. Wir wollen so, wie wir sind, raus in die Welt und sie auf unseren Drahteseln intensiver erleben.

»Gehen wir zu den anderen?«, holt mich Fynn zurück in die Realität.

»Ja, ich kann auch noch ein Bier vertragen«, antworte ich, und gemeinsam stürzen wir uns wieder ins Getümmel.

9:00, 22. Juni 2013 zeigt der Wecker am nächsten Morgen mit großen Leuchtziffern an. Schon wieder brummt der Schädel. Der letzte Tag ist angebrochen – oder auch der erste. Im Garten meiner Eltern in Herxheim packen wir die letzten Sachen auf die Fahrräder und in die Hänger, die wir beide an unsere Räder montiert haben. »Ich bin schon ziemlich gespannt, wie sich unser Konstrukt hier fahren lässt«, sage ich beim Anblick des vielen Gepäcks zu Fynn, denn ausprobiert haben wir es nicht. Schon jetzt ist es angenehm warm und unserem Abschiedsfest und dem ersten Radtag steht nichts im Weg.

Während der letzten Vorbereitungen sind wir noch relativ entspannt, mit den Gästen kommt dann aber die Nervosität. Als nach und nach immer mehr Menschen eintrudeln und der SWR zu filmen beginnt, genehmigen wir uns das erste Bier. Das hilft auch ein bisschen gegen den Kater. Schneller als es mir lieb ist, steigen wir auf die Räder. Für die Kameras müssen wir den Abschied drei Mal wiederholen. Jedes Mal realisiere ich mehr, was ich für zwei Jahre zurücklasse. Immer wieder muss ich mich kurz sammeln, um die Tränen zu unterdrücken. Vor meinem Haus sind alle Menschen versammelt, die mir wichtig sind. Meine Eltern, mein Bruder Marco, Oma, Opa, meine Freunde und über hundert andere Bekannte, die nur gekommen sind, um mir eine gute Reise zu wünschen. Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf: »Tue ich das Richtige? Will ich das wirklich? Und warum noch mal?«.

Dann ist es plötzlich so weit. Der endgültige Abschied steht bevor. Alle heulen, und als mein Papa mich ein letztes Mal drückt, kann auch ich mich nicht mehr beherrschen. Marco und ich verstecken unsere geröteten Augen hinter großen Sonnenbrillen. Zum Glück fährt er die ersten paar Tage mit. Auch drei Freunde begleiten uns auf den ersten Kilometern bis zu ihrer Heimatstadt Karlsruhe, um mir den Start zu erleichtern. Ein Abschied auf Raten sozusagen. In der Theorie habe ich mir das schön vorgestellt, aber jetzt habe ich ein flaues Gefühl bei dem Gedanken, dass ich mich gleich schon wieder verabschieden muss. Wir fahren los, und hinter uns wird die Menschenmenge immer kleiner. Alle jubeln, aber mir geht es beschissen. Wegen des vielen Gepäcks und dem Hänger kommen wir kaum vom Fleck, und schon nach wenigen Minuten tut mir der Hintern weh.

Die ersten 30 Kilometer reden wir kein Wort. Wie in Trance treten wir in die Pedale. Viel zu schnell ist der zweite Abschied da, für den ich keine Kraft mehr habe. Meine Freunde...

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