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Persönlichkeit und Motivation im Unternehmen

Anwendung der PSI-Theorie in Personalauswahl und -entwicklung

AutorAlexandra Strehlau, Bernhard Mikoleit, David Scheffer, Julius Kuhl
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783170295681
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Das Buch gibt einen Einblick in Modelle der Mitarbeitermotivation. Es überwindet die Schwächen bisheriger Modelle dadurch, dass Motivationsformen unterschieden werden, die für jeweils andere Aufgaben und Arbeitskontexte sinnvoll sind. Die Beschreibung der Funktionsprofile jeder Motivationsform auf der Grundlage einer fundierten Persönlichkeitstheorie (PSI-Theorie) eröffnet neue Perspektiven für die Förderung der Mitarbeitermotivation. Fallbeispiele verdeutlichen, welchen Nutzen eine komplexere Betrachtung der Persönlichkeit bei der Frage nach der Person-Job-Passung schaffen kann.

Professor Dr. Julius Kuhl lehrt Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung an der Universität Osnabrück. Dr. David Scheffer lehrt Eignungsdiagnostik und Wirtschaftspsychologie an der Nordakademie - Hochschule der Wirtschaft in Elmshorn. Bernhard Mikoleit ist Berater mit den Schwerpunkten Eignungsdiagnostik und Mitarbeiterzufriedenheit für Unternehmen in Hamburg und Effretikon/Schweiz. Alexandra Strehlau ist Doktorandin bei Professor Dr. Kuhl sowie Beraterin und Coach im Bereich Persönlichkeitsentwicklung in Osnabrück.

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Leseprobe

1 Motivation und Persönlichkeit: Basiskonzepte


Unternehmen brauchen für ihren Erfolg motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das ist allgemein bekannt. Die Frage ist nur: Wie bekommt man sie? Ist es möglich, schon im Prozess der Personalauswahl die motiviertesten Bewerber herauszufiltern? Kann man unmotivierte Mitarbeiter, die sich bereits im Unternehmen befinden, zu motivierteren machen? Die Antwort ist: Ja, man kann die Personalauswahl und die Personalentwicklung so gestalten, dass die Motivation der Mitarbeiter und Führungskräfte maximiert wird. Allerdings ist es dafür notwendig, die Fragen zu präzisieren. Soll der motivierteste Bewerber ausgesucht werden, ist zu hinterfragen: Für welchen Job suchen wir jemanden, und welche Person wird durch die Merkmale dieses Jobs zu Höchstleistungen angetrieben? Gilt es, eine Führungskraft zu motivieren, sollte die Frage lauten: Welche Aufgaben oder Bedingungen vermögen genau diese Führungskraft zu beflügeln?

Um die Motivation im Unternehmen nachhaltig zu steigern, müssen die Persönlichkeitsunterschiede beachtet werden. Denn Motivation entsteht dort, wo die richtige Person am richtigen Platz ist. Hierfür ist es essenziell, die Motivation und Persönlichkeit der Bewerber, Mitarbeiter und Führungskräfte genau zu beleuchten. Nur, wenn die Persönlichkeitsunterschiede berücksichtigt werden, kann eine Person im Unternehmen so platziert werden, dass sie dauerhaft motiviert ist.

In diesem Kapitel beschreiben wir diese wesentliche Determinante der Job-Motivation: die Passung zwischen den Anforderungen des Jobs und den relevanten persönlichen Fähigkeiten.

1.1 Flow: Die Passung zwischen Anforderungen und Fähigkeiten


Mit einer guten und umfassenden Theorie der Persönlichkeit und Motivation können Human-Resources-Abteilungen auch ohne teure Seminare, in denen selbst ernannte Motivationsexperten einer staunenden Gemeinde Zauberwörter und Wunderstrategien anpreisen, die Motivation und Leistung von Fach- und Führungskräften stärken. Ein wissenschaftlich fundierter Ansatz, um Menschen dauerhaft zu motivieren, ist, sie in ein Arbeitsumfeld zu bringen, das optimal zu ihnen passt. Oder anders ausgedrückt, eine Passung zu ermöglichen (Holland, 1997; Scheffer & Kuhl, 2006). In der Persönlichkeits- und Motivationspsychologie wurden in den letzten Jahren wichtige Erkenntnisse darüber gewonnen, was diese Passung fördert. Für ein Unternehmen lohnt es sich, diese Erkenntnisse zu berücksichtigen, weil es an allen Stellen mit Menschen zusammenarbeitet, die von Passung profitieren: Kunden, Fachkräfte, Führungskräfte und Kooperationspartner.

Bei einer guten Passung entsteht Flow – der wohl wichtigste Anreiz des Menschen, um zu arbeiten (Csikszentmihalyi, 1997; v. Cube, 2003; Rheinberg, 2006). Werden Menschen optimal beansprucht, also weder über- noch unterfordert, dann geraten sie in einen Zustand des Glücks und der Leistungsfähigkeit. Flow kann als der Goldstandard der Motivationspsychologie in Organisationen gelten, denn nichts scheint Menschen nachhaltiger zur Arbeit zu bewegen. Diesen Zustand zumindest phasenweise zu erreichen, ist eines der wichtigsten Ziele auf individueller wie auf Team-Ebene. Das Flow-Konzept integriert auf einzigartige Weise die idealistischen Visionen einer humanistischen Psychologie und das auf Profit ausgerichtete betriebswirtschaftliche Denken.

Zwei Hauptmerkmale zeichnen Menschen im Flow aus:

  • Sie fühlen sich mit ihrer Arbeit eins und haben große Freude an ihr; sie glauben, die Arbeit unter Kontrolle zu haben und fühlen sich durch sie gleichzeitig angeregt und sicher.
  • Unabhängig von der Berufsrolle scheinen Menschen im Zustand des „Flow“ ihre Arbeit mit höchstem nachhaltigem Erfolg zu erledigen.

Abb. 1.1: Modell der Person-Job-Passung

Abbildung 1.1 verdeutlicht das Gesagte. Bei guter Übereinstimmung zwischen den Merkmalen der Person und den Anforderungen des Jobs bzw. der Arbeit entsteht Flow, und zwar umso mehr, je stärker die Person-Job-Merkmale ausgeprägt sind, d. h. je stärker die Anforderungen des Jobs und die dazu passenden („relevanten“) Fähigkeiten sind. Haben sowohl Job- als auch Personenmerkmale eine starke Ausprägung (beispielsweise den Wert 4), so besteht die Möglichkeit, in den stark ausgeprägten Flow-Kanal zu gelangen (s. Abb. 1.1). Die Person erlebt damit längere Phasen, in denen konzentriertes, interessantes und als erfüllend empfundenes Arbeiten möglich ist. Haben beide Merkmale dagegen nur eine schwache Ausprägung (beispielsweise den Wert 1), dann entsteht bei hinreichender Passung zwar auch Flow, jedoch nur in begrenztem Ausmaß. Die ganze Bandbreite an Verhaltensweisen, die mit Flow einhergehen, kann man nur bei starken Ausprägungen sowohl auf der Job- als auch auf der Personenachse erwarten (d.h., wenn die Anforderungen hoch und die relevanten Fähigkeiten entsprechend gut ausgeprägt sind). (Die Skalierungen der Achsen von 0 bis 5 sind natürlich nur Beispiele. Man hätte genauso gut auch Werte von 0 bis 100 nehmen können. Die Skalierungen variieren, je nachdem, welches Instrument man für die Messung der beiden Achsen verwendet.)

Bei mangelnder Passung impliziert dieses Modell Über- bzw. Unterforderung, die im Extremfall schließlich in das Gegenteil von Motivation, in Stagnation, übergeht. Wer aus den Abweichungen vom optimalen Flow-Korridor nicht mehr „herauskommt“, verfällt in Stagnation – gerät in einen Teufelskreis, aus dem er allein nur noch schwer zurück zum Flow-Kanal findet. Ein Beispiel für eine ungenügende Passung ist eine sehr analytische und sachliche Person mit einem starken Bedürfnis nach konkreten Zielvorgaben, die in einem Call-Center ständig mit zum Teil ganz unvorhersagbaren und emotionalen Kundenbeschwerden konfrontiert ist. Die Fähigkeiten dieser Person passen nicht zu den Anforderungen des Jobs, die Person ist überfordert. Ähnlich ist die Situation für einen emotionalempathisch orientierten Controller, der langsam, aber sicher in ein Burn-out-Syndrom gerät, wenn er den ganzen Tag seine ganze Emotionalität an zu kontrollierenden Zahlenkolonnen auszuleben versucht. Auch hier passen die Fähigkeiten des Controllers nicht zu dem, was in seinem Job gefragt ist. Im Gegensatz dazu läge eine Passung vor, wenn die sehr analytische und sachliche Person mit einem starken Bedürfnis nach konkreten Zielvorgaben aus dem ersten Beispiel in einem Job arbeiten würde, der klare Strukturen bietet, und wenn eine emotional-empathisch orientierte Person ihre Fähigkeiten in einer Aufgabe ausleben könnte, die genau diese Orientierung fordert. Unter solchen Bedingungen ist Flow durch Person-Job-Passung möglich.

Eine allgemeine Definition von Motivation bei der Arbeit

Die Motivation, die Menschen aus ihrer Arbeit schöpfen, ist darauf ausgerichtet, Flow zu erleben. Dieses Ziel gibt dem Verhalten nachhaltig Energie, Richtung und Ausdauer.

Unsere Erfahrungen und die Rückmeldungen aus der Praxis zeigen deutlich: Alle Menschen in den Unternehmen wollen Flow erleben. Selbst diejenigen, die vordergründig nur auf Geld verdienen und Macht aus sind, genießen durchaus die Phasen, in denen ihr zielgerichtetes Handeln wie von selbst und mit höchster Effizienz abläuft. Sie spüren, dass dieser Zustand umso stärker erlebt wird, je stärker ihre Motive und Eigenschaften aktiviert sind und je stärker die Herausforderungen vonseiten der Umwelt ausfallen. Passt beides auch nur kurzzeitig perfekt zusammen, dann will man dieses Flow-Gefühl immer wieder erleben und schöpft daraus Kraft für den Alltag. Aus Abbildung 1.1 lassen sich die zwei folgenden, wichtigen Motivationskonzepte ableiten.

Wie kann Flow erreicht werden?

  • Motivation (Flow) braucht nicht durch wundersame Techniken mühsam induziert zu werden. Ganz im Gegenteil: Die Menschen sind von selbst motiviert, Flow zu erleben, d.h. eine Passung zwischen der eigenen Persönlichkeit und den Anforderungen des Jobs herzustellen. Motivieren heißt daher, Menschen dabei zu helfen, für sich und die Team-Mitglieder eine optimale Passung zu den Anforderungen des Jobs zu finden.
  • Eine optimale Person-Job-Passung und damit Flow herzustellen, setzt notwendigerweise die Diagnostik der Persönlichkeitsmerkmale und der Jobmerkmale voraus. Personen zu motivieren bedeutet demnach zuallererst, Motivationsdiagnostik zu betreiben, d.h. herauszufinden, was eine Person motiviert, um dann auf dieser Basis zu erarbeiten, was sie in ihrem Job konkret zur Motivierung benötigt.

Zur Diagnostik persönlicher Motivationsquellen werden Tests, Methoden und Instrumente eingesetzt. Wer diese sicher anwendet, kann ein wirksamer Motivator werden. Zusammen mit einer guten Diagnostik können „Zauberwörter“ und „Wunderstrategien“ sogar regelrecht von falschen Versprechungen hin zu unterstützenden Maßnahmen mutieren. So kann der Hinweis auf die Allmacht des „positiven Denkens“ oder der „Selbstwirksamkeitsüberzeugungen“ („Just believe in yourself“) zwar einerseits die fehlenden Kompetenzen nicht ersetzen (Kuhl, 1981; Martens & Kuhl, 2008). Andererseits kann jedoch schon die Suggestionskraft solcher Schlüsselkonzepte die Wirkung neu gewonnener Kompetenzen verstärken, wenn diese zusammen mit einer umfassenden Diagnostik eingesetzt werden, die die entwicklungsfähigen Kompetenzen identifiziert und den Arbeitsschwerpunkt...

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