Für Personengesellschaften existiert anders als für Kapitalgesellschaften keine Strukturhomogenität im internationalen Zivil- und Steuerrecht. Die unterschiedliche Behandlung von Personengesellschaften durch das innerstaatliche Steuerrecht der Vertragsstaaten bereitet sowohl in der Theorie als auch in der Praxis Probleme in Bezug auf die Anwendung des OECD-MA oder anderer DBA.[63]
Personengesellschaften werden in einigen Staaten durch das Transparenzprinzip, in anderen durch das Intransparenzprinzip besteuert und in wieder anderen existiert ein Wahlrecht für die Art der Besteuerung. Hier treten vor allem dann Auslegungs- und Anwendungsprobleme auf, wenn eine Personengesellschaft von den DBA-Staaten unterschiedlich behandelt wird. Sie wird also in einem Staat als steuerlich transparent, im dem anderen jedoch als steuerlich intransparent angesehen.[64] Dies kann bspw. dazu führen, dass die jeweiligen Vertragsstaaten die Frage nach der Abkommensberechtigung der Personengesellschaft und der Gesellschafter unterschiedlich beantworten.[65] Des weiteren können die unterschiedlichen Prämissen im Besteuerungsverfahren zu sog. Qualifikationskonflikten auf Abkommensebene führen. Die Resultate aus diesen Konflikten können dann zu einer Doppelbesteuerung, einer Minderbesteuerung oder auch einer Keinmalbesteuerung führen.[66]
Selbst bei übereinstimmend transparenter Besteuerung können auf der Basis unterschiedlicher Behandlung im nationalen Recht zweier Vertragsstaaten unterschiedliche Abkommensartikel angewendet werden, was wiederum zu Qualifikationskonflikten und daraus resultierend ebenfalls zu einer Doppel-, Minder- oder Keinmalbesteuerung führen kann.[67] Lediglich bei übereinstimmend intransparenter Behandlung von Personengesellschaften durch die beiden Vertragsstaaten kommt es nicht zu solchen Problemen, da diese dann den Kapitalgesellschaften gleichgestellt sind und hierfür länderübergreifend und abkommensrechtlich eine weitgehend einheitliche Behandlung vorgenommen wird.[68]
Die zentralen Probleme der Besteuerung von Personengesellschaften im Abkommensrecht sind zum einen die Abkommensberechtigung von Personengesellschaften, zum anderen die sich ergebenen Qualifikationskonflikte, welche sich in verschiedenen Arten zeigen können. Beide werden im Folgenden eingehend dargestellt und erläutert. Dabei wird für die kommenden Betrachtungen immer von
einer gewerblich tätigen Personengesellschaft ausgegangen[69] und andere Arten von Personengesellschaften (wie z.B. nur vermögensverwaltend tätige) außen vor gelassen. Die Darstellungen beziehen sich zunächst lediglich auf bilaterale Vertragsbeziehungen.
3.1 Abkommensberechtigung von Personengesellschaften
Die Abkommensberechtigung ist ein zentrales Probleme bei der internationalen Besteuerung von Personengesellschaften im Abkommensrecht. Unter ihr versteht man die Berechtigung einer Personengesellschaft, die in einem DBA kodifizierten Schutzregelungen in Anspruch nehmen zu dürfen, um eine evtl. vorliegende Doppelbesteuerung zu vermeiden.[70] Die wesentliche Voraussetzung gem. Art. 1 OECD-MA zur Abkommensberechtigung ist, dass eine „Person“ i.S. von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a), b) OECD-MA vorliegt und gem. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA in einem der Vertragsstaaten „ansässig“ ist.[71]
Die in Abb. 1 aufgeführten Situationen stehen dabei im zentralen Blickpunkt der Betrachtungen. Dabei beschäftigen sich der erste Teil der Ausführungen mit den Situationen der einheitlich übereinstimmenden Besteuerungskonzepte unter den Vertragsstaaten und der zweite Teil mit unterschiedlich angewendeten Besteuerungskonzepten seitens der beteiligten Staaten.
Abbildung 1: Mögliche Situationen der steuerlichen Qualifikation
3.1.1 Einheitlich übereinstimmende Besteuerungskonzepte
unter den Vertragsstaaten
Die geringste Problematik in Bezug auf die Frage nach der Abkommensberechtigung ergibt sich, wenn beide Vertragsstaaten die Personengesellschaft nach dem Intransparenzprinzip besteuern (1. Fall, Abb. 1) und sie somit in einem der Vertragsstaaten „ansässig“, also unbeschränkt steuerpflichtig ist. Beide Vertragsstaaten sehen die Gesellschaft als „Person“ gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a), b) OECD-MA und sie ist nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA in dem Staat, in welchem sie unbeschränkt steuerpflichtig ist, „ansässig“.[72] In diesem Fall ist die Personengesellschaft selbst vollständig abkommensberechtigt und zwar völlig unabhängig von dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter.[73]
Bei der transparenten Besteuerung von Personengesellschaften durch beide Vertragsstaaten (2. Fall, Abb. 1) ist die Frage der Abkommensberechtigung nicht so eindeutig geklärt. Nach h.M. sind transparent besteuerte Personengesellschaften selbst „Personen“ i.S. von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a) OECD-MA, da sie unter den Begriff „andere Personenvereinigungen“ fallen.[74] Es fehlt jedoch in den meisten deutschen DBA an dieser Begriffserweiterung[75], so dass die Abkommensberechtigung hier bereits am Begriff der „Person“ scheitert.[76] Ist der Zusatz „andere Personenvereinigungen“ vorhanden und die Personengesellschaft somit eine „Person“ i.S.d. OECD-MA, besteht weiterhin das Problem der Ansässigkeit. Da sie aufgrund ihrer Transparenz in keinem der Vertragsstaaten selbst steuerpflichtig ist, gilt sie auch nicht als „ansässig“ gem. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA.[77] Damit fehlt es an einem entscheidenden Kriterium der Abkommensberechtigung. Somit ist die Personengesellschaft selbst nicht abkommensberechtigt.
In diesem Fall ist dann zu prüfen, ob die Gesellschafter selbst dazu berechtigt sind, die Abkommensvergünstigungen in Anspruch zu nehmen.[78] Hierbei spricht man im Hinblick darauf, dass der Abkommensschutz auf die Gesellschafter abgestellt wird, von einer sog. Durchgriffslösung.[79] Dies ist davon abhängig, ob der Gesellschafter eine gem. Art. 1 OECD-MA in einem Vertragsstaat „ansässige Person“ ist.[80] Abkommensschutz genießen folglich nur die abkommensberechtigten Gesellschafter für die zuzurechnenden Einkünfte aus der Personengesellschaft.[81]
Die Beurteilung der Abkommensberechtigung erfolgt bei der einheitlich transparent steuerlichen Behandlung durch die beiden Vertragsstaaten annähernd einheitlich. Allerdings kann dies zur Folge haben, dass die Gewährung der Abkommensvorteile in einigen Fällen schwierig zu handhaben ist. Dies gilt gerade bei sog. Drittstaaten- bzw. Dreiecksbeziehungen, also wenn mit dem Ansässigkeitsstaat einzelner Gesellschafter, dem Sitzstaat der Gesellschaft und dem Quellenstaat der Einkünfte drei unterschiedliche Staaten beteiligt sind. Hier können sich zum Teil praktisch unlösbare Situationen ergeben.[82]
3.1.2 Unterschiedliche Besteuerungskonzepte der
jeweiligen Vertragsstaaten
Die problematischsten Konstellationen bei der Frage der Abkommensberechtigung von Personengesellschaften ergeben sich, wenn diese in einem Vertragsstaat als transparent und in einem anderen Vertragsstaat als intransparent qualifiziert werden.[83] Der eine Sachverhalt betrachtet die Abkommensberechtigung im Falle der intransparenten Behandlung der Personengesellschaft durch ihren Sitzstaat und der transparenten durch den Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter (Fall 3, Abb. 1). Der andere setzt sich mit der umgekehrten Situation auseinander (Fall 4, Abb. 1). Beide Gegebenheiten spielen in Bezug auf Deutschland eine entscheidende Rolle, da hier nach dem Transparenzprinzip besteuert wird, keine Wahlmöglichkeit bzgl. der Besteuerung besteht und die Personengesellschaften in Deutschland von sehr großer Bedeutung sind.
Die unterschiedliche steuerliche Behandlung kann dazu führen, dass die Personengesellschaft in dem einen Staat als abkommensberechtigt und in dem anderen Staat als nicht abkommensberechtigt angesehen wird. Ein DBA ist ein zweiseitiger Vertrag, der beide Vertragsstaaten bindet.[84] Da das OECD-MA die Abkommensberechtigung in Art. 1 definiert und diese nicht der Qualifikation der einzelnen Vertragstaaten überlässt, kann dies nur bedeuten, dass die Abkommensberechtigung nicht für beide Staaten unterschiedlich beurteilt werden kann.
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