I Die historische Entwicklung der Weltbilder
Im Laufe der Zeit hat es mehrere grundsätzlich verschiedene Weltbilder gegeben. Neben dem heute am weitesten verbreiteten naturwissenschaftlichen Weltbild ist der Monotheismus (Judentum, Christentum, Islam u.a.) am bekanntesten. Es sind jedoch auch noch einige andere Vorstellungen über die Welt weit verbreitet gewesen.
Diese Weltbilder hängen eng mit der Entwicklung der menschlichen Psyche zusammen, da die Weltbilder Interpretationen der menschlichen Erlebnisse sind.
I A Geschichte
Die verschiedenen Weltbilder sind eine in sich logische Folge der Verarbeitung der äußeren Eindrücke und ihrer Zusammenfassung zu einem einheitlichen System.1
I A 1. Tierreich
Die unterste und älteste Schicht der Psyche sind die Instinkte und Reflexe, die noch vollständig festgelegt sind und kaum Platz für Entscheidungen und Kreativität lassen. Sie sind in dem „Reptilienhirn“, also dem Hirnstamm beheimatet.
I A 2. Altsteinzeit
Die Säugetiere besaßen die neue Fähigkeit, sich an Dinge zu erinnern und dadurch lernen und ihre Reflexe in Grenzen modifizieren zu können. Diese Lernfähigkeit beruht auf der Assoziation zwischen einem Ereignis und einer Erinnerung: wenn ein Ereignis auftritt, werden mit ihm alle bisherigen Erfahrungen mit ähnlichen Ereignissen assoziiert und dadurch eine bessere Einschätzung der aktuellen Situation erlangt. Diese Assoziationen bilden daher die erste „kulturelle Schicht“ in der Psyche der Menschen über dem fest definierten Fundament der Instinkte und Reflexe.
In diesem durch Assoziationen strukturierten Weltbild steht die Mutter im Zentrum und um sie herum solche archaische Bilder wie Nahrung, Raubtier, Sex usw. Diese Struktur kann man auch heute noch in jeder Psyche finden – sie bildet die grundlegen-den Motivationen.
Wenn ein Mensch damals mit der eigenen Sippe assoziiert war, d.h. in ihr lebte, hatte er Geborgenheit und die größte Überlebenschance – Assoziation war Leben.
I A 3. Jungsteinzeit
Solange die Menschen in der Altsteinzeit nur in kleinen Gruppen von ca. einem Dutzend Menschen lebten, kannte man alles und jeden – die Assoziationen, d.h. die Erinnerungen zu einer Person bzw. zu einem Tier, einer Pflanze oder einem Gegenstand reichten völlig aus, um sie einordnen und ihr Verhalten einschätzen zu können.
In der Jungsteinzeit wurde jedoch der Ackerbau und die Viehzucht erfunden, sodaß nun weit größere Menschengruppen zusammenlebten und das Leben so komplex wurde, daß eine neue Form der „Datenverarbeitung“ notwendig war. Was lag näher, als auch Assoziationen zwischen konkreten Menschen (die durch Erinnerungen bekannt waren) und Menschen, die ihnen ähnlich waren, zu bilden?
Durch diese „Sekundär-Assoziationen“ entstand der Vergleich (Analogie). Diese „2. kulturelle Schicht“ der Psyche ist auch heute noch gut bekannt – am berüchtigsten sind die aus ihr stammenden Vorurteile wie „Alle Blondinen sind …“. Solche Vergleiche werden auch heute noch ständig benutzt und sind sehr nützlich für die erste Orientierung in einer neuen Situation.
In der Altsteinzeit gab es nur die ganz konkreten Begriffe wie „Eiche, Panther, Erdbeere, Mutter, Donner, Regen, Fluß“ usw. – man kann noch in den alten Sprachen wie z.B. dem Altägyptischen noch beobachten, wie erst nach und nach die abstrakteren Begriffe hinzugekommen sind.
In der Jungsteinzeit brauchte man jedoch auch Worte für die Sekundär-Assoziationen, d.h. für die neuen Begriffe für die Gruppen, die durch Vergleiche gebildet wurden wie z.B. „Bauer, Zimmermann, Hirte, Haus, Werkzeug, Aussaattermin“ u.ä., um die Vielfalt des Alltags benennen zu können.
Gleichzeitig wurde es notwendig, die Vielfalt der Tätigkeiten und vor allem das in den großen Gemeinschaften sinnvolle Verhalten zu beschreiben und den Heranwachsenden zu erzählen, um z.B. das Wissen über den Ackerbau zu erhalten. Aus diesen Beschreibungen der Welt entstanden die Mythen, die die Ereignisse in der Welt anhand eines Urbildes darstellen, zu dem alle konkreten Ereignisse in Analogie stehen.
Der Einklang mit den Urbildern wurde „Richtigkeit“ genannt - wenn man diese Richtigkeit erlangte, waren die eigene Taten erfolgreich und man selber glücklich.
Der Ursprung der Analogie: die Sekundär-Assoziation
I A 4. Königtum
Die Entstehung des Königtums brachte eine zentral-hierarchische Ordnung der Gesellschaft mit sich, in der es das erste Mal für alle gültige Gesetze und Regeln gab, deren Übertretung durch Strafen geahndet wurde. Dadurch entstand die Vorstellung von mächtigen und wahren Prinzipien, die sich benennen lassen und die für alle gleich sind.
Die zu dieser sozialen Ordnung gehörende Weltanschauung ist die Philosophie, die die Vielfalt der Welt von einer Ersten Ursache ableitet. Die entsprechende Religionsform ist der Monotheismus, der die Vielfalt von dem Einen Gott herleitet. Die Regierungsform ist das Königtum, in dem der Eine König alles bestimmt.
Dieses Prinzip findet sich in der Psyche als der „innere König“: das Ich. Im heutigen Alltag stammen aus dieser „3. kulturellen Schicht“ der Psyche solche Dinge wie die Verkehrsregeln: „An Kreuzungen gilt rechts vor links.“ Diese Regeln gelten ohne Unterschied für alle.
I A 5. Materialismus
Die nächste Stufe der Psyche entstand, als die Menschen damit begannen, sich der Welt gegenüberzustellen und sie sachlich zu beobachten und zu beschreiben. Als man dann die Welt nicht mehr nur mithilfe von Qualitäten, sondern auch durch genaue Zahlen und Maße beschrieb, wurden die Naturwissenschaften geboren. Aus ihnen entstand als praktische Anwendung die Technik, die sich schließlich zur Industrialisierung ausweitete.
Aus dieser „4. kulturellen Schicht“ der Psyche heraus handeln wir, wenn wir eine Maschine konstruieren oder eine Wohnungseinrichtung planen.
Das Ausfüllen z.B. des Einkommensteuerformulars findet jedoch auf der Ebene des Königtums statt: Das Formular wurde zentral für alle festgelegt.
Und bei der Wahl des Lebenspartners wiederholen die meisten Menschen ein immer gleiches Muster – eine Analogie aus dem „jungsteinzeitlichen Teil“ der Psyche.
Innerhalb der Familie verhalten wir uns schließlich noch immer wie in der Altsteinzeit mithilfe von Assoziationen.
Und wenn uns nachts in einer dunklen Gasse plötzlich ein Hund anknurrt, kehren wir sehr schnell zu unseren Instinkten und Reflexen in unserem Reptilienhirn zurück.
I A 6. Neue Epoche
Mittlerweile hat sich die Erkenntnis, daß man nicht alles Machbare auch tun sollte, immer weiter verbreitet und die Menschen beginnen zunehmend damit, auch die längerfristigen Folgen für alle zu bedenken. Zu dieser Haltung gehören solche Dinge wie Globalisierung, Ökologie, religiöse Toleranz, Abrüstung usw.
I B Biographie
Diese fünf Epochen finden sich in der Psyche eines jeden Menschen wieder. Sie entstehen im Laufe der individuellen Biographie, die eine Analogie zu der Kulturgeschichte der Menschheit ist.
I B 1. Pränatale Phase
Die Zeit vor der Geburt eines Menschen entspricht der Zeit vor der Entwicklung des Erinnerungsvermögens – in dieser Zeit ist das Tier in der Natur bzw. der Ungeborene in Mutterbauch Teil eines größeren Ganzen.
Der Fötus durchläuft im Laufe seiner Entwicklung ganz konkret in seinen sich ändernden Gestalten die Phasen vom Einzeller bis hin zum Primaten.
I B 2. Orale Phase
Der Säugling lebt noch ganz verbunden mit allem, was ihn umgibt, er unterscheidet noch nicht zwischen Ich und Welt, er steckt alles in den Mund und er ist in gewisser Weise noch immer Teil der Mutter. Diese Entwicklungsstufe nannte Freud orale Phase.
Dies entspricht der Altsteinzeit, in der die Menschen inmitten der von ihnen noch ungeformten Natur lebten und in der die Mutter die zentrale Gestalt war, wie u.a. die Höhlenmalereien, die vielen altsteinzeitlichen Frauen-Statuetten und die frühen Religionen zeigen.
I B 3. Anale Phase
Das Kleinkind beginnt Grenzen zu ziehen und Innen und Außen zu unterscheiden. Dies läßt sich in einem Wort zusammenfassen, wie jeder Vater und jede Mutter weiß: „Nein!“ Diese Entwicklungsstufe nannte Freud anale Phase.
Dies entspricht der Jungsteinzeit, in der die Menschen Ackerland bestellten und Dörfer errichteten, sodaß es nun die grundlegende Unterscheidung zwischen Wildnis und Kulturland gab (das kleinkindliche „Ja“ und „Nein“).
Die in dieser Phase von dem Kleinkind erlernte Sprache zeigt die große Rolle, die die Sprache...