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Pieter Bruegel d.Ä.

AutorNils Büttner
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2018
ReiheBeck'sche Reihe 2521
Seitenanzahl127 Seiten
ISBN9783406725302
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Pieter Bruegel d.Ä. (1525/30 - 1569), der berühmteste Künstler der Bruegel-Dynastie, ist auch unter dem Namen «Bauern-Bruegel» bekannt. Seine eindringlichen Bilder des bäuerlichen Lebens wie auch die große Zahl allegorischer Darstellungen gehören zu den Meisterwerken der Kunstgeschichte. Nils Büttner zeichnet in diesem Band anschaulich und faktenreich das Leben dieses einflussreichen Künstlers nach und führt kompetent in sein bedeutendes Werk ein.

Nils Büttner ist Professor für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Bei C.H.Beck sind von ihm erschienen: «Rubens» (2007), «Vermeer» (2010) und «Hieronymus Bosch» (2012)..

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Leseprobe

2. Durch tausend Gefahren


«Er ist von hier bei Hieronymus Cock arbeiten gegangen und ist danach nach Frankreich gereist und von dort nach Italien», heißt es bei Van Mander über Bruegels weiteren Werdegang. Der in eine Malerfamilie hineingeborene Hieronymus Cock war ein über die Maßen erfolgreicher Kunst-Unternehmer. Cock war 1546 Freimeister geworden. 1551 traten er und «Volxcken seine Hausfrau» der Armenfürsorge der Lukas-Gilde bei. Kurz nach seinem Eintritt in die Gilde war Cock nach Rom aufgebrochen, wo er sich bis 1548 aufhielt. Er knüpfte dort zahlreiche Kontakte, zeichnete aber auch Landschaften und Ansichten römischer Ruinen, die er 1551 als druckgrafische Serie herausgab. Nach seiner Rückkehr hatte er gemeinsam mit seiner Frau in Antwerpen einen Druckgrafikverlag gegründet, der bald zum erfolgreichsten Unternehmen seiner Art wurde. Parallel zu Plantin, dem damals wichtigsten Händler und Verleger von Büchern in Europa, wurde Cock zum weltweit agierenden Grafikhändler. Die beiden kooperierten, auch weil man mit den gerollten Grafiken so gut die Lücken in den Fässern füllen konnte, in denen man die Bücher zum Schutz vor Feuchtigkeit transportierte. Cocks Haus In de vier winden lag nah der neu errichteten Antwerpener Börse. Die auf seinen Drucken meist auf Französisch angegebene Adresse des Verlagshauses Aux Quatre Vents war seinerzeit weltberühmt.

Der kommerzielle Erfolg, den ihm die druckgrafische Verwertung seiner eigenen Reiseskizzen beschert hatte, mag Cock veranlasst haben, vergleichbare Arbeiten anderer Künstler einzukaufen oder gar in Auftrag zu geben. Das war preiswerter und vor allem ungefährlicher, als selbst zu reisen. «Warum solltest Du Sizilien unter tausend Gefahren aufsuchen?», heißt es in der lateinischen Beischrift einer 1553 von Cock edierten Landkarte von Sizilien. Eine Reise auf dem Papier, mit dem Finger auf seiner Karte – so der Verleger – sei ein trefflicher Ersatz für die strapaziöse und gefährliche Fahrt in den Süden, denn «was Du unstet draußen in der Welt suchst, es ist zuhause … in dem für jeden sichtbaren Bild eingeschlossen, das Cock mit kunstfertiger Hand in Kupfer gestochen hat». Pieter Bruegel ist allen Gefahren zum Trotz nach Italien gereist. Ob er die Reise im Auftrag Cocks antrat, ist so wenig bezeugt wie das Datum der Abreise. Nach der Aufnahme in die Lukas-Gilde am 11. Oktober 1551 war der Wintereinbruch schon nah. Leider sind weder ein Pass noch ein Gesundheitszeugnis erhalten, die von zahlreichen anderen Reisenden jener Tage bewahrt geblieben sind.

3   Pieter Bruegel, Südliche Hügellandschaft mit Kloster, 1552, Feder in Braun, aquarelliert, 18,6 x 32,8 cm, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett, Inv. KdZ 5537

Auf der Reise nach Italien entstanden die frühesten erhaltenen Zeugnisse von Bruegels Kunst. Es sind Landschaftszeichnungen, die – teils signiert und datiert – eine zumindest ungefähre Rekonstruktion der Reiseroute erlauben. Zu den frühesten datierten Arbeiten zählt die Ansicht eines südlichen Klosters, die auf französischem Papier ausgeführt wurde (Abb. 3). Die aquarellierte Federzeichnung zeigt eine bescheidene Abtei. Die am Fuß einer sanften Hügelkette liegenden Gebäude erscheinen fast schief. Die fern aller Akkuratesse oder Kalligrafie mit breiten Strichen angelegte Zeichnung scheint vor Ort in der Provence entstanden. Sie bestätigt Van Manders Aussage, dass Bruegel zuerst nach Frankreich und von dort nach Italien reiste. Zudem existierte ausweislich eines 1577 aufgestellten italienischen Sammlungsinventars eine von Bruegel mit Wasserfarben gemalte Ansicht der Stadt Lyon. Bruegels Reiseroute lässt sich auch deshalb rekonstruieren, weil beinahe alle Reisenden seiner Zeit entlang der Postwege zogen. Gewöhnlich ritt man auf gemieteten Pferden, die man bei Bedarf an den Poststationen wechselte. Man konnte dort auch übernachten, essen und trinken. So brauchte man keinen Reiseproviant und weniger Gepäck. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit lag bei täglich 25 bis 60 Kilometern. Der übliche Weg in den Süden Frankreichs führte von Antwerpen über Brüssel und Paris nach Lyon.

Vermutlich hat sich Bruegel in Gesellschaft mindestens eines Mitreisenden auf den Weg gemacht. Zum einen war man in einer Gruppe besser vor Räubern geschützt, zum anderen reiste niemand gern allein unter einer «ungastlichen Bevölkerung, durch Länder, deren Sprache er kaum verstand». Bruegels Reisegefährten waren der Geograf Abraham Ortelius und der Maler Marten de Vos (1532–1603). Letzterer war in Antwerpen geboren und im Haus Engelenborch in der Lombardenvest aufgewachsen; nur wenige Meter entfernt lag das Atelier von Bruegels Meister Pieter Coecke van Aelst. Der humanistisch gebildete Ortelius war 1547 als «Landkartenkolorierer» in die Lukas-Gilde eingetreten, vor allem aber als Kartograf aktiv. Vielleicht schloss sich auch der Medailleur und Bronzegießer Jacques Jonghelinck (1530–1606) der Reisegesellschaft an oder die Söhne des Malers Jan Sanders van Heemessen (um 1500–1575), die am 7. April 1552 in Antwerpen einen Pass für die Reise nach Italien beantragt hatten. All diese Männer kannten einander und reisten etwa zur gleichen Zeit aus Antwerpen nach Italien. Es liegt nahe, dass sie zumindest einen Teil der Reise gemeinsam absolvierten. Zumindest scheint Bruegel gemeinsam mit Marten de Vos und Abraham Ortelius einen Ausflug nach Bologna unternommen zu haben. Beleg dafür sind zwei wesentlich später abgefasste Briefe des Bologneser Gelehrten Scipio Fabius, der sich in seinen Schreiben an Ortelius nach beiden erkundigte und darum bat, «Marten de Vos und unserem Pieter Bruegel» seine Grüße zu übermitteln. Der 1561 und 1565 wiederholte Gruß ist nur durch eine vorausgehende gemeinsame Begegnung der drei erklärbar, auch wenn weitere Hinweise fehlen.

4   Frans Huys nach Pieter Bruegel, Seeschlacht in der Meerenge von Messina, 1561, Radierung und Kupferstich von zwei Druckplatten, 43,4 x 71,7 cm

Von Frankreich aus wird Bruegel mit dem Schiff bis in den Süden Italiens gereist sein, wo er im Juli 1552 zum Zeugen des großen Brandes von Reggio in Kalabrien wurde. Es ist keine vor Ort entstandene Zeichnung Bruegels erhalten, die einen identifizierbaren Ort in Süditalien zeigt. Sein Aufenthalt dort wird aber durch einen 1561 publizierten Kupferstich bezeugt (Abb. 4). Dieser größte nach einem Entwurf Bruegels angefertigte Stich zeigt eine Seeschlacht mit türkischen Schiffen in der Meerenge von Messina. Links liegt das brennende Reggio, rechts Sizilien mit dem rauchenden Ätna. Der Stich wurde durch eine in Rotterdam bewahrte Zeichnung vorbereitet, die auf der Grundlage der vor Ort entstandenen Skizzen unmittelbar vor der Drucklegung entstand. Die extrem hohen Kosten, die mit der Herstellung eines solchen Stiches verbunden waren, trug anfangs der vermögende Maler Cornelis van Dalem (um 1530/35–1573), bevor Cock mit der zweiten Auflage den Vertrieb übernahm.

Nachdem er in Kalabrien war und vielleicht auch Palermo besucht hatte, wird Bruegel spätestens zu Beginn des Jahres 1553 nach Rom gelangt sein. Sein Aufenthalt dort wird mittelbar durch zwei um das Jahr 1580 entstandene Radierungen von Joris Hoefnagel (1542–1600) bezeugt, die mit der Angabe «gemacht von Pieter Bruegel zu Rom im Jahre 1553» versehen sind. Von Bruegel selbst ist die Ansicht des Tiber-Ufers erhalten, eine zarte, undatierte Zeichnung, die mit «a rypa» beschriftet ist. Wie viel Zeit Bruegel in Rom verbrachte und was er dort zur Kenntnis nahm, ist nicht überliefert. Er wird das Kolosseum besichtigt haben, vielleicht auch die im Bau befindliche Villa Giulia. Ihr Bauherr war Giovanni Maria Ciocchi del Monte (1487–1555), der 1546 das Konzil von Trient eröffnet und 1550 als Julius III. den päpstlichen Thron bestiegen hatte. Ob Bruegel Zeuge der Verbrennung aller hebräischen Bücher wurde, die der Papst 1553 angeordnet hatte? Er scheint jedenfalls einen Ausflug zu den berühmten Wasserfällen nach Tivoli unternommen zu haben. Er hielt sie in einer später viel gerühmten Ansicht fest, die in Kupfer gestochen und von Cock verlegt wurde.

Offensichtlich suchte Bruegel den Kontakt zu anderen Künstlern und muss beispielsweise dem schon zu Lebzeiten berühmten Miniaturisten Giulio Clovio (1498–1578) begegnet sein. Er malte sogar gemeinsam mit ihm ein heute verschollenes Bild, das am 4. Januar 1578 in Clovios Nachlass verzeichnet wurde. Clovios Inventar nennt «eine Miniaturmalerei zur einen Hälfte von eigener Hand, zur anderen von Meister Pietro Brugole», «ein Bild von Lyon in...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Zum Buch2
Über den Autor2
Impressum4
Inhalt5
1. Legenden und Fakten7
2. Durch tausend Gefahren16
3. Zu den Vier Winden23
4. Welt- und Wimmelbilder32
5. Stets mehr, als er hineingemalt hat42
6. Wie lustig ist die Hölle?57
7. Gemalte Mahnungen66
8. Monatsbilder82
9. Bauernbilder92
10. Sinnbilder104
11. Ruhm, Nachruhm und Nachfolge116
Literatur122
Bildnachweis124
Personenregister125
Alphabetisches Verzeichnis der besprochenen Werke127

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