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Politische Bildung in der Primarstufe - Eine internationale Perspektive

VerlagStudienverlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl150 Seiten
ISBN9783706558389
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Politik in allen Lebensbereichen Die Politische Bildung in der Primarstufe fristet in Österreich ein Schattendasein. Die Annahme, dass sich Kinder im Primarstufenalter in einem politikfernen oder sogar -freien Raum bewegen, ist schlichtweg falsch. Politische Selbstkonzepte zu erfahren und umzusetzen gilt als Unterstützung für eine spätere politische Mündigkeit. Politische Themen begegnen Schüler/innen in allen Lebensbereichen, politische Phänomene werden wahrgenommen - sie sind auf keine Altersstufe festzulegen. Bereits so früh wie möglich sollte politische Reflexions- und Abstraktionsfähigkeit altersadäquat mithilfe von kompetenzorientiertem Unterricht in Politischer Bildung gefördert werden. Ein Ziel von 'Politischer Bildung' in der Primarstufe kann die Entwicklung von neuen Konzepten und Begriffen sein. Sich selbst als handelnden Teil der Gesellschaft wahrzunehmen, kann die Grundlage für spätere aktive politische Partizipation schaffen. Die Autor/innen dieses politikdidaktisch geprägten Bandes beschäftigen sich theoretisch mit dem Ist-Zustand von 'Politischer Bildung' im Unterricht der Primarstufe. Dessen Grundlagen geben praktische Hinweise, legen aber auch Defizite und Hindernisse in der Umsetzung von 'Politischer Bildung' in verschiedenen europäischen Perspektiven dar und ermöglichen somit einen internationalen Vergleich. Aus dem Inhalt: Vorwort Dagmar Richter Politische Bildung von Anfang an kompetenzorientiert Philipp Mittnik Politische und gesellschaftliche (Basis)Vorstellungen von Wiener VolksschülerInnen. Ergebnisse einer empirischen Studie Christoph Kühberger Politische Bildung in der Primarstufe - Voraussetzungen, Grundlagen, Zukunft - Eine österreichische Perspektive Béatrice Ziegler Politische Bildung in der Primarschule - zum Stand der Entwicklungen in der Schweiz im 21. Jahrhundert Thomas Hellmuth Ein Versuch, den 'Elfenbeinturm' zu verlassen

Philipp Mittnik, Mag. MSc., Professor für Geschichts- und Politikdidaktik und Leiter des Zentrums für Politische Bildung an der Pädagogischen Hochschule Wien.

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Leseprobe

Politische und gesellschaftliche (Basis)Vorstellungen von Wiener VolksschülerInnen. Ergebnisse einer empirischen Studie


Philipp Mittnik


Abstract


Die Ergebnisse der vorgelegten Studie belegen, dass Kinder in dieser Altersgruppe über politische Basisvorstellungen verfügen. In fünf Wiener Volksschulen wurden insgesamt 142 Schüler/innen mittels eines Fragebogens befragt. Die in der Studie behandelten Themenfelder stehen in enger Korrespondenz zum österreichischen Sachunterrichts-Lehrplan der Volksschule, wie Umweltschutz, Toleranz, Arbeitslosigkeit, Migration u.a.. Zentral für die Erhebung der Themen waren Bereiche auszuwählen, die aus dem Lebensbereich der Schüler/innen stammen. Holocaust Education in der Primarstufe gilt nach wie vor als umstritten, die empirische Erhebung belegt jedoch, dass Kinder über Vorstellungen und Wissen darüber verfügen. Dieser Artikel liefert erstmals für Österreich umfangreiches empirisches Material zu diesem Forschungsfeld.

Einleitung


Politische Bildung hat in österreichischen Volksschulen keinen besonders hohen Stellenwert. Dies ist auf verschiedene Ursachen zurück zu führen. Einige davon klärt die Studie „Politische Bildnerinnen 2014“ im Auftrag der Pädagogischen Hochschule Wien und der Arbeiterkammer Wien, durchgeführt von SORA (Larcher/Zandonella 2014). Die Angst Kinder zu überfordern, als auch die Erkenntnis, nicht in Politischer Bildung ausgebildet zu sein, sind hier neben der fehlenden Zeit selbst empfundene Hauptursachen.35

Da in Österreich die historisch und juristisch geprägte politische Bildung, bis heute einen sehr hohen Stellenwert besitzt, kann davon ausgegangen werden, dass diese Perspektiven nicht dazu ausreichen politische Phänomene zu erfassen, Vorstellungen von Kindern zu erreichen, um einen Kompetenzzuwachs zu erreichen.36

Politische Sozialisation findet bereits im Vor- und Volksschulalter statt, sei es direkt oder indirekt.37 Studien aus den USA berichten, dass bereits Dreijährige politische Lernprozesse durchleben.38 Auch Jan van Deth erkennt in einer breit angeführten Studie, dass Kinder mit sechs Jahren bereits über gefestigte Meinungen zu politischen Inhalten verfügen (Van Deth 2007). Demnach sind Schüler/innen Kategorien und Konzepte altersadäquat zu vermitteln, um sie für die Bewältigung von komplexen politischen Themen zu befähigen.39 Die Aufgabe einer erweiterten Politikdidaktik wäre es, diese Konzepte weniger abstrakt und leichter verständlich für unterrichtende Lehrer/innen in der Primarstufe weiter zu entwickeln. Viele dieser Themen wären dem Sachunterrichtslehrplan entsprechend. Die kindgerechte Vermittlung von Politischer Bildung müsste in diesem Zusammenhang jedenfalls neu gedacht werden.

Politische Bildung kann dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche politische Mündigkeit erlangen, wenn sie eine „kategoriale Ordnung der eigenen Vorstellungen in der Auseinandersetzung mit der Welt“ ermöglicht.40

Wiener Volksschullehrer/innen sind im Gegensatz zu diesen Erkenntnissen sehr kritisch, inwieweit Kinder bereits Vorstellungen über „große“ Politik haben.

Der Großteil stellt kaum Interesse an politischen Prozessen fest oder beobachtet, dass Kinder eine politische Meinung formulieren. Die Lehrpersonen sehen die Fähigkeiten und das Wissen der Schüler/innen auf der Mikroebene und Schule als Ort von Demokratie, jedoch kaum Involvierung oder Wissen der Kinder auf der Makroebene von Politik.41

Die Aufgabe der Politischen Bildung in der Primarstufe, ist es jedenfalls nicht Kinder mit abstrakten, wissenschaftlichen Begriffen und Theorien zu überfordern, sondern Schüler/innen dazu zu befähigen menschliches Zusammenleben wahrzunehmen, zu deuten und zu beurteilen.42

Die Aufgabe der Vermittlung politischer Kompetenzen ist sicher die wichtigste Aufgabe einer Didaktik der Politischen Bildung im Volksschulbereich. Das Österreichische Kompetenz-Strukturmodell zur Politischen Bildung (Krammer et al. 2008) ist eine wichtige Grundlage der Lehrpläne in der Sekundarstufe I, jedoch scheint es für die Primarstufe zu abstrakt und schwierig in der Umsetzung. Politischen Pluralismus didaktisch derart zu reduzieren, um Schüler/innen verständlich zu machen, dass hinter politischen Entscheidungen Interessensgruppen stehen, ist eine der Kernaufgaben der Politischen Bildung in dieser Altersstufe. Diese Vorgänge kritisch zu betrachten, sie zu analysieren und zu einer eigenen Beurteilung zu kommen, wäre das wünschenswerte Ergebnis einer geglückten Didaktik. Hier sind Beispiele aus dem Lebensumfeld der Schüler/innen zu wählen.43 Der österreichische Lehrplan des Faches Sachunterricht sieht vor, dass genau jene Abstraktionsprozesse im Unterricht zur Anwendung kommen sollen:

„Dabei soll die Schülerin bzw. der Schüler auch fachgemäße Arbeitsweisen erlernen sowie Lernformen erwerben, die zur eigenständigen Auseinandersetzung mit der Lebenswirklichkeit und zu selbstständigem Wissenserwerb führen. Die Kinder lernen dabei schrittweise, sich Informationen zu beschaffen, zu interpretieren und kritisch zu bewerten. Sie entwickeln die Fähigkeit, Aufgaben und Problemstellungen selbständig und lösungsorientiert zu bearbeiten.“44

Der Grundsatzerlass für Politische Bildung aus dem Jahr 1978 sieht vor, dass Politische Bildung in allen Altersstufen und schulartenübergreifend verpflichtend in den Unterricht zu integrieren ist. Die drei formulierten Kernziele decken sich bis heute weitestgehend mit den Erkenntnissen der Wissenschaft und dienen als Grundlage für einen politischen Wissenserwerb:

„1. Politische Bildung ist Vermittlung von Wissen und Kenntnissen […]

2. Politische Bildung ist Entwicklung von Fähigkeiten und Einsichten […]

3. Politische Bildung ist Weckung von Bereitschaft zu verantwortungsbewusstem Handeln […]“45

Im Beutelsbacher Konsens46 wurden grundlegende didaktische Prinzipien festgelegt, die bis in die Gegenwart Aktualität besitzen. Ilona Katherina Schneider definierte spezifische didaktische Prinzipien zur Gestaltung eines Unterrichts in Politischer Bildung im Grundschulalter:

• „Handlungsorientierte Organisation des Schullebens nach demokratischen Prinzipien

• Lernpsychologische, gegenwarts- und lebensweltbezogene Schülerorientierung

• Problemorientiertes, exemplarisches Lernen

• Positive Bekräftigung von grenzüberschreitenden Denkleistungen

• Nutzung von Bildungsinhalten, die einen kontroversen bzw. konfliktträchtigen Inhalt bieten.

• Orientierung an einem generativen Thema“47

Dagmar Richter ist der Ansicht, dass neben der Kompetenzentwicklung auch der Erwerb des politischen Wissens eine wichtige Rolle einnehmen sollte, da es als Grundlage für die Entwicklung von demokratischen Einstellungen und einer persönlichen Handlungsbereitschaft notwendig ist.48 Über ein „Netz aus Vorstellungen und Begriffen“ zu verfügen, wird in der Politikdidaktik als fundamental notwendig erachtet. Es stellt die Grundlage für „jedes Verständnis“ des Politischen her. Die Frage, was dieses Netz ausmachen könnte und welche zentralen Begriffe zu erlernen sind, ist jedoch sehr umstritten.49

Demokratieerziehung ist ein anerkannter Themenbereich der Politischen Bildung in der Volksschule. Kinder dafür zu gewinnen aktive Bürger/innen zu werden, um sich auch später für ihre Rechte einsetzten zu können formuliert Bernhard Crick folgendermaßen:

„The idea of good citizens could be founded in this, certainly, but rarely the idea of the active citizen – that all subjects…should think of themselves as citizens with rights to be exercised as well as agreed responsibilities. …We need both „good citizens“ and „active citizens“. And citizenship is not just the assertion of individual rights, important though these are, it is acting together to achieve a common public purpose.“50

Um Politische Bildung im Volksschulalter erfolgreich umzusetzen, ist ein Besinnen auf die unterschiedlichen „Funktionen“ von Kindern in einer Gesellschaft notwendig. Kinder sind Menschen, Bürger/innen, Schüler/innen, Konsument/innen, Spieler/innen, Produzent/innen, Verkehrsteilnehmer/innen uvm..51 Bei einer multiperspektivischen Betrachtung auf einen Interessenskonflikt kann Kindern so politisches Denken und Handeln in der eigenen Erfahrungswelt näher gebracht werden. Kerstin Michalik bezieht diesen Perspektivenwechsel nicht nur auf die unterschiedlichen Positionen des Kindes in der Gesellschaft, sondern auch auf verschiedene Verhaltensweisen des Kindes. So kann sich ein mehrdimensionales Welt- und Wirklichkeitsverständnis entwickeln, dies gilt jedenfalls, aus didaktischer Sicht, als begrüßenswert.52

Im Lernbereich Sachunterricht sollte „auf die Thematisierung und Aufklärung der politischen Sozialisationsprozesse der Kinder, auf Differenzierung und Erweiterung ihres politischen Wissens sowie auf eine Grundlegung demokratischer Haltungen und die Befähigung zum politischen Handeln in ihren Lebenswelten“53 eingegangen werden.

Die einhellige Fachmeinung ist, dass Kinder von politischen (Alltags-)Geschehnissen einfache Vorstellungen entwickeln, um für sich selbst die Welt erklären zu können. Diese Studie wird diesen Eindruck jedenfalls bestätigen, da es bei Politischer Bildung in der Primarstufe nicht darum geht, wissenschaftlich korrekte Zuordnungen zu treffen, sondern zur Kenntnis zu nehmen, dass sich Kinder in diesem Alter mit Politik, im weitesten Sinne beschäftigen und eine gelungene Politikdidaktik sollte Konzepte...

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