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Portrait des Managers als junger Autor

Zum Verhältnis von Wirtschaft und Literatur

AutorPhilipp Schönthaler
VerlagMatthes & Seitz Berlin Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783957573155
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Der ehemalige Apple-Chef Steve Jobs wird verehrt als Manager, Visionär und Kultfigur, aber eigentlich war er ein begnadeter Geschichtenerzähler : Kaum einer war geschickter darin, die Entwicklung einer Firma und ihrer Produkte zu einer Story zu machen, die man gern weitererzählt. Heute wird die Methode des Storytelling in Managementkreisen als neue Zauberformel der Vermittlung gehandelt: 'Storytelling ist ein trojanisches Pferd für Zahlen und Fakten.' Doch was passiert, wenn die Wirtschaft mit dem ausschmückenden Erzählen auf eine Ressource zurückgreift, die eigentlich der Literatur entstammt? Entsteht hier eine neue Art der Poesie, werden Manager gar zu Autoren? Ausgehend vom Phänomen des Storytelling untersucht Philipp Schönthaler das Verhältnis von Wirtschaft und Literatur und plädiert für ein Schreiben, das sein Selbstverständnis aus der Überschneidung beider Sphären gewinnt.

Philipp Schönthaler, geboren 1976 in Stuttgart, begann ein Theologiestudium in San Antonio, Texas, wechselte dann nach Vancouver, um Anglistik und Kunst zu studieren. 2010 wurde er an der Universität Konstanz mit einer Dissertation zu ?Negationen des Erzählers? promoviert. Für sein Erzähldebüt ?Nach oben ist das Leben offen? erhielt er den Clemens-Brentano-Preis 2013; seine Erzählung ?Ein Lied in allen Dingen? trug er beim Ingeborg-Bachmann-Preis 2013 vor.

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Leseprobe

II. An den Rändern des Storytellings, neun Skizzen im Abgleich zur Literatur


OBJECTS IN THE MIRROR – Früher oder später fällt der Blick, der dem Storytelling Management mit der Erzählung zugrunde liegt, auf sich selbst zurück. Nicht die Erzählung im Spiegel des Managements, sondern das Management im Spiegel seiner erzählerischen Vermittlung gerät ins Visier. Der Verdacht, dass das Management eine hermetische Welt einfasst, die sich der Darstellung entzieht, wird dabei nicht nur von außen an die Protagonisten in den mittleren und höheren Führungspositionen herangetragen, sondern von diesen selbst verbreitet. Je höher der Rang, desto entschiedener fällt das Veto gewöhnlich aus. In der Debatte um die Managergehälter, die nach der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 entbrannte, lässt sich Josef Ackermann als damaliger Chef der Deutschen Bank zu dem Satz hinreißen, »wenn andere schwach sind, müssen wir stark sein«, um daraufhin festzustellen: »Das ist natürlich ausder Logik einer Welt gesprochen, die nicht öffentlich darstellbar ist. Das ist mir auch klar.« Die abgeschottete Welt, die nach eigenen Regeln funktioniert, gehört zu den Standardformeln über Manager. Will man sich dennoch einen Weg in den Kosmos des Managements bahnen, bieten sich generell zwei Zugänge an: einer führt über die Genealogie und Geschichte der Managementtheorie, ein weiterer über den Manager als Sozialtyp.

Der erste Zugang wurde in Ansätzen bereits skizziert, es soll daher genügen, das Bild in groben Zügen weiter auszumalen. Einige Theoretiker beharren zwar darauf, dass bereits das Altertum die Funktion des Managers kannte, anders seien zivilisatorische Leistungen wie der Bau der ägyptischen Pyramiden oder der römischen Aquädukte kaum denkbar. Schriftlich ist der Begriff »Manager«, der sich vom lateinischen manus ableitet, jedoch erst im 16. Jahrhundert belegt, als Substantiv erstmals 1598 in William Shakespeares Schauspiel mit dem sprechenden Titel Love’s Labour’s Lost – verlorene Liebesmühen. Zwischen 1700 und 1850 erfreut sich die Vokabel in Großbritannien vor allem in Ratgebern für Garten und Haushalt einer breiten Verwendung. Obwohl die Position des angestellten Managers bereits im Verlauf des 19. Jahrhunderts entsteht und seit den Sechzigerjahren des 19. Jahrhunderts langsam eine Professionalisierung erfährt, ist seine theoretische Aufbereitung – mit der definitorischen Verpflichtung auf »ein Maximum der Effizienz« – eine Prägung und Erfindung des ausgehenden 19. und dann vor allem des einsetzenden 20. Jahrhunderts, als erstmals kohärente Konzeptionen des Managements auf Tagungen vorgetragen und in Zeitschriften veröffentlicht werden.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führt die Industrialisierung zu einer Umwälzung der Wirtschaftsordnung, auf die Unternehmen reagieren. Revolutioniert die Technik die Produktionsbedingungen und Distributionsmöglichkeiten, so führt die Internationalisierung des Handels gleichzeitig zu einer Erweiterung der Märkte: Beides bedeutet eine zunehmende Beschleunigung von Wirtschaftsprozessen, in deren Zug die Ökonomie zum Vorreiter von gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen wird. Zuvor gingen Produktions- und Distributionsabläufe so langsam vonstatten, dass sie vom Unternehmer als Eigentümer in einer Person geregelt werden konnten. Noch 1868 heißt es in einem deutschen Ratgeber Systeme von Regeln für den erfolgreichen Betrieb der Gewerbe: »Die beste Instruktion ist die mündliche, die der allezeit und überall gegenwärtige, alles durchschauende Unternehmer selbst giebt, und die, welche ein Beispiel den Angestellten fortwährend vor Augen hält.« Dieses Modell des Eigentümer-Unternehmers (»owners managed and managers owned«) wird ab Mitte des 19. Jahrhunderts in industriellen Großbetrieben wie der Eisenbahngesellschaft in den USA zunehmend durch Manager abgelöst. James Beniger spricht von einer »Kontrollkrise«, die dazu führt, dass Unternehmen ihre Kommunikationsstrukturen umstellen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist als Einzelner wohl niemand so eng mit dem Begriff des Managements verbunden wie Frederick Winslow Taylor (1856–1915). Mit dem scientific management nimmt Taylor eine radikale Rationalisierung von Verarbeitungsprozessen und insgesamt eine Verwissenschaftlichung der Unternehmensorganisation vor und wendet sich damit explizit gegen die Tradition des »ordinary management«, das sich nach wie vor auf die mündliche Kommunikation und die tradierte Weitergabe von Wissen und Erfahrungen durch Fachkräfte und Ingenieure verlässt. Obwohl das wissenschaftliche Management unter Zeitgenossen umstritten ist und selbst unter Adepten kaum je in der von Taylor geforderten Rigidität umgesetzt wurde, kann seine Bedeutung kaum hoch genug eingeschätzt werden. Ihre Wirkung können Taylors Studien jedoch nur entfalten, weil ein breites zeitgenössisches Interesse an Optimierungsprozessen besteht, das Effizienzfieber jener Epoche findet seinen Höhepunkt in den Zehnerjahren, als es sich weit über das Technische und Ökonomische hinaus in sämtliche gesellschaftliche Bereiche bis hinein ins Private erstreckt, um dort gleichermaßen auf Freizeitgestaltung, Partnerschaftssuche oder Erziehung angewendet zu werden.

Symptomatisch ist in diesem Zusammenhang ferner, dass die Entstehung der modernen Managementtheorie mit der Geburt der Unternehmensberatung zusammenfällt. Arthur D. Little gründet seine Beratungsfirma bereits 1886, Schule macht dieses Konzept jedoch erst nach der Jahrhundertwende, als mit Harrington Emerson (1906), Gilbreth Inc. (1912) oder Booz Allen Hamilton (1914) weitere Unternehmensberatungen ins Leben gerufen werden. Die nahezu parallele Entwicklung von Managementtheorie und Beraterwissen erklärt sich schlüssig daraus, dass es als eine Form des Managementwissens angeboten wird, mit dem die neuen Akteure den durch die sozialen und technologischen Umbrüche verunsicherten Führungskräften Orientierung zu geben versprechen. Als eigenständige Kompetenz zeichnet sich das Managementwissen dadurch aus, dass es »gleichzeitig autark und selbstreferenziell« ist. Dies ist nicht unmittelbar evident, denn Manager und Unternehmensberater führen externes Wissen aus unterschiedlichen Bereichen in Unternehmen ein und widmen es um, indem sie es in die betriebswirtschaftlichen Strukturen einpassen. Besonders gut funktioniert dieser Import dort, wo das neue Wissen speziellen Anforderungen genügt: Es »muss modular und flexibel sein und gleichzeitig einer überzeugenden, stabilen inneren Logik folgen«.

Dass die Managementtheorie die eigene Disziplin in der Folge in eine permanente Unruhe versetzt, dessen skurrile Blüten noch heute an jeder »Management«-Sektion der Buchhandelsregale mitTiteln wie Shakespeare on Management (1999, ein Bestseller), Nietzsche für Manager (2008), Goethe für Manager (2009), oder auch Überholen mit 1 PS: Wie Manager von Pferden lernen (2011) erheitern mag, ist weder Nebeneffekt, noch lässt es sich als Profilierungsversuch innerhalb der Beraterbranche abtun. Vielmehr zeigt sich darin exemplarisch, dass das Management wesentlich auf fachfremde Inhalte angewiesen ist, um seine Einsichten und Maximen mit dem geborgten Wissen permanent zu erneuern. Reinhold Messner kann sich als Extrembergsteiger daher ebenso wie Anselm Grün als Mönch in Büchern und Workshops Managern als gefragter Ratgeber empfehlen; beide machen darin deutlich, dass das Wissen des Unternehmensführers seine Autorität mit dem Wissenstransfer aufgrund einer strukturellen Distanz, nicht aufgrund seiner Nähe zur betriebswirtschaftlichen Praxis gewinnt. In der großen Offenheit des Managements gegenüber fremdem Wissen spiegelt sich aber gleichzeitig der universale Anspruch einer Disziplin, die ihre Prinzipien überall vorfinden zu können meint.

Die größte Leistung des Managementdiskurses liegt aber vielleicht in seinem Geschick, nicht-ökonomisches Wissen aus seinem angestammten Kontext zu lösen, es von seinen Inhalten zu entkernen, und auf jenen radikal beschränkten Wertekatalog auszurichten, der den Kapitalismus in seinen unterschiedlichen historischen Phasen jeweils legitimiert und vorantreibt. Seit den Sechzigerjahren lauten die Vokabeln notorisch Effizienzsteigerung, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation. Während Taylors Praxis zu Beginn des 20. Jahrhunderts dadurch charakterisiert ist, dass sie mit der Eliminierung von Individualität und Eigenverantwortung ein anonymes, mechanistisches Organisationssystem entwirft, das auf technische Produktionsprozesse abzielt, verkehrt sich mit dem Durchbruch der Human-Relations-Bewegung in den Fünfzigerjahren...

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