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Punk - Eine Jugendkultur wird erwachsen

Identität und Geschichte einer Subkultur nach drei Jahrzehnten

AutorThomas Becker
VerlagArchiv der Jugendkulturen Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl103 Seiten
ISBN9783943774818
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Nach über dreißig Jahren sind viele Jugend- und Subkulturen verblasst - Punk jedoch ist nach wie vor präsent. Aus einer Innensicht der Szene werden in dieser Arbeit neben der historischen Entwicklung, dem Stil und der Musik dieser zum Lebenskonzept gereiften Jugendkultur ebenso ideologische Aspekte und sinnstiftende Merkmale vorgestellt. Zentralen Gesichtspunkten wie dem kreativen Anspruch des D.I.Y. (Do It Yourself) wird ebenso nachgegangen wie der oft nicht unproblematischen Interaktion mit der Presse und anderen Medien. So ausdifferenziert und facettenreich diese Szene sich von Funpunk bis Hardcore darstellt, zeichnet sich Punk als Bewegung doch durch seine bemerkenswerte Kontinuität aus und hat damit Einfluss bis in die Gegenwart.

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Leseprobe

2 Theoretische Ansätze in der Subkulturforschung


2.1 Was ist Subkultur?


Um Aussagen über subkulturelles Geschehen treffen zu können, muss man sich zunächst mit dem Subkultur-Begriff an sich auseinander setzen. Im Allgemeinen fällt es den meisten Menschen schwer, eine Erklärung oder gar eine aussagekräftige Definition für den Begriff „Subkultur“ zu finden. Dick Hebdige, eine Ikone der Subkulturforschung, schrieb dazu: „Das Wort Subkultur steckt voller mysteriöser Bedeutungen. Es assoziiert Geheimnistuerei, Freimaurerschwüre, eine Unterwelt.“ (Hebdige 1983: 2). In der Forschung bezeichnet Subkultur ein kulturelles Gebilde, das innerhalb der gewohnten Gesamtgesellschaft als fremd oder exotisch erlebt wird. Die Subkultur sei ein Gegenentwurf zum Mainstream. Wenn Hebdige Kultur nun als „eine bestimmte Lebensweise“ definiert, „die sich nicht nur in Kunst und Bildung, sondern auch in Institutionen und normalem Verhalten ausdrückt“ (Hebdige 1983: 3), dann muss für die Subkultur gelten, dass sie sich im Gegensatz zur Gesamtkultur zum Ziel gesetzt hat, eine andere Lebensweise zu etablieren.

Die Definition des Subkultur-Begriffes ist insofern wichtig, da sie, wie noch gezeigt wird, eine wichtige Rolle im Selbstverständnis jeglicher Subkultur, aber besonders ausgeprägt in der Punk-Szene, einnimmt. Die Anhänger_innen definieren sich als Person zu einem großen Teil über die Zugehörigkeit zur Subkultur und die damit verbundenen Wertvorstellungen, die das subkulturelle Theoriegebäude vorgibt.

2.1.1 Abgrenzung zum Begriff „Jugendkultur“

In Autor_innenkreisen hat der Begriff „Jugendkultur“ in den letzten beiden Jahrzehnten den der Subkultur abgelöst. Kritiker_innen des Begriffs „Subkultur“ wie Dieter Baacke argumentieren, der Begriff an sich würde bedeuten, dass es sich um eine Kultur unter der Hoch- bzw. Gesamtkultur handele, was nicht zutreffend sei. Außerdem diene ein solcher Begriff lediglich der Stigmatisierung von gesamtgesellschaftlichen Teilsegmenten, was laut Baacke Gründe genug seien, alternative Begriffe anzuführen: „Jugendkulturen“ oder „Jugendszenen“ (vgl. Baacke 1993: 125ff). Grundsätzlich stimme ich Baacke zu, allerdings denke ich nicht, dass der Begriff ausschließlich negativ zu werten ist. Die Mitglieder der Punk-Subkultur verwenden diesen ebenfalls, neben anderen gängigen Bezeichnungen wie Szene oder Bewegung. Ein weiterer Grund, der wiederum für die Verwendung von Subkultur spricht, ist die eindeutige Assoziation von Jugendkulturen mit jugendlichen Akteur_innen. Zwar sind die Personen, die sich der Punk-Szene angehörig fühlen, noch immer zum größten Teil jugendlich, d. h. zwischen 14 und 25 Jahren alt, allerdings findet mit zunehmendem Alter der Bewegung auch eine Altersverschiebung unter deren Anhänger_innen statt. Viele Akteur_innen in der Punk-Szene haben nicht nur ihre Jugend, sondern auch ihre Adoleszenz bereits hinter sich gelassen, d. h. sind über dreißig oder auch zum Teil wesentlich älter. Die generationenübergreifende (und somit nicht ausschließlich aus Jugendlichen bestehende) Anhänger_innenschaft des Punk ist auch zunehmend ein Impuls für Veränderungen innerhalb der Szene. Dies darzustellen ist zentraler Gegenstand dieser Arbeit, weswegen ich im Folgenden nicht den Begriff „Jugendkulturen“ verwenden werde, sondern anstatt dessen die Begriffe „Subkultur,“ „Szene“ und „Bewegung“ bevorzuge. Eine mögliche Alternative bietet Farin mit „Lebensstil“ nach Vollbrecht (vgl. Farin 2001: 19), einem Begriff, der meiner Ansicht nach ebenso unpassend wäre, da er zwar keinerlei Rückschlüsse auf das Alter der Akteur_innen zulässt, aber das Wort „Stil“ in der Subkulturforschung stark durch Hebdige geprägt ist, als ein Merkmal des Ausdrucks der Bewegung und zur Beschreibung von Stilelementen der Szene. Da insbesondere die Punk-Szene aber nicht ausschließlich auf ihren Stil reduziert betrachtet werden kann, und wie sich zeigen wird, ideologische Gesichtspunkte ebenfalls eine tragende Rolle spielen, werde ich im weiteren Verlauf auch auf den Begriff „Lebensstil“ nicht zurückgreifen.

2.1.2 Subkultur als Gegenkultur

Objektiv gesehen stellen Subkulturen soziale Gruppen innerhalb der Gesamtgesellschaft dar. Ihre Wert- und Normvorstellungen sowie ihre „Art zu leben“ unterscheidet sich bewusst sowohl von der Gesamtkultur als auch von anderen Subkulturen (vgl. Hall/Jefferson 1976: 13). Auch innerhalb der Subkulturen ist diese Abgrenzung von höchster Wichtigkeit. Innerhalb von Subkulturen existieren völlig eigene Verhaltensmodelle, die zum großen Teil darauf abzielen, sich von der Gesamtgesellschaft oder Teilgruppen derer, vor allem auch von anderen Subkulturen, abzugrenzen. Aufgrund innerhalb der Subkultur etablierter Zeichensysteme kann bspw. ein Kleidungsstück gegenüber Eingeweihten vieles aussagen über politische Einstellung, musikalische Vorlieben und Ähnliches. Für Betrachter_innen von außen handelt es sich allerdings nur um ein Kleidungsstück ohne weitere Assoziationen. Die subkulturellen Zeichensysteme stehen in einem größeren Verweisungszusammenhang, der auch über Staatsgrenzen hinaus relativ stabil ist (vgl. Schulze 1995: 102ff). Dennoch wäre es ein Trugschluss anzunehmen, die Subkultur und die Hochkultur würden ohne Berührungspunkte nebeneinander existieren. Vielmehr beeinflussen die beiden Kulturen sich gegenseitig und die Grenzen sind stets fließend. Eine große Rolle spielt dabei die Akzeptanz durch die breite Masse. Anhänger_innen einer Subkultur entscheiden sich auf freiwilliger Basis für eine Zugehörigkeit zu einer Szene, die von der Gesamtgesellschaft zu großen Teilen abgelehnt wird (vgl. Dracklé 1996: 15). Diese Entscheidung bringt im Alltag vielerlei Probleme und Einschränkungen mit sich, auf die in den folgenden Kapiteln im Zusammenhang mit der Punk-Szene eingegangen wird. Allerdings wurde dieses „Außenseitertum“ auch seit jeher in popkulturellen Kontexten als Identitätsmerkmal aufgegriffen und romantisiert.4 Deutlich wird die Diskrepanz zwischen Subkultur und Hochkultur insbesondere dann, wenn es um die Förderung aus öffentlichen Mitteln geht. So ist beispielsweise der Anteil an subventionierten, im Rahmen von Jugendkulturhäusern und ähnlichen Einrichtungen stattfindenden Veranstaltungen mit subkulturellem Hintergrund verschwindend gering im Vergleich mit den Theatern oder Opernhäusern mit staatlicher Unterstützung. Ferner existiert für Berufe aus dem Bereich der Hochkultur seit jeher die Möglichkeit einer staatlichen Ausbildung, wohingegen sich für Berufe, die dem sub- oder popkulturellen Bereich entstammen, diese Option noch im absoluten Anfangsstadium befindet. Wie in Kapitel 5.3 dargestellt wird, ist innerhalb der Punk-Szene aufgrund dieser fehlenden Möglichkeiten und Kanäle des kreativen Outputs das Phänomen D.I.Y. entstanden.

Allerdings geht die Vorstellung von Kultur, die einige Autor_innen der Neuzeit vertreten, weit über die Bibliotheken, Opernhäuser und Theater hinaus. Der französische Philosoph Barthes ist der Ansicht, dass Kultur die Ganzheit des Alltagslebens umfasst (vgl. Barthes 2003). Dies würde bedeuten, dass die Zugehörigkeit zu einer Subkultur beinhaltet, sich den Alltag anders zu gestalten, also eine „andere Art zu leben“ zu präferieren. Diese Annahme ist relativ deckungsgleich mit den Aussagen von Akteur_innen der Punk-Szene, denn wenngleich Punk etwas zutiefst individualistisches ist, so steht der „Way of life“5 des Punk, der als Gegensatz zur als „normal“ erachteten Lebensweise angesehen wird, meist im Zentrum ihrer Motivation.

Farin spezifiziert diesen Ansatz auf der Grundlage einer Kulturdefinition nach Schwendtner und den daraus gewonnenen Erkenntnissen über Subkulturen:

Kultur ist der Inbegriff alles nicht Biologischen in der menschlichen Gesellschaft. […] Kultur ist die Summe aller Institutionen, Bräuche, Werkzeuge, Normen, Wertordnungssysteme, Präferenzen, Bedürfnisse usw. in einer konkreten Gesellschaft. Somit ist Subkultur ein Teil einer konkreten Gesellschaft, der sich in seinen Institutionen, Bräuchen, Werkzeugen, Normen, Wertordnungssystemen, Präferenzen, Bedürfnissen usw. in einem wesentlichen Ausmaß von den herrschenden Institutionen etc. der jeweiligen Gesamtgesellschaft unterscheidet. (Rolf Schwendtner in Farin 2001: 18)

In welchem Ausmaß die zuletzt getroffene Aussage die reale Situation in der Punk-Szene widerspiegelt bzw. wie sehr sie ihrem Selbstverständnis entspricht, wird in Kapitel 5 eingehend dargestellt.

2.2 Subkulturtheorien


Um die Punk-Szene und ihre Ideologie verstehen zu können bzw. die Identität der Subkultur begreifen zu können, muss zunächst ein Überblick über bereits bestehende etablierte Subkulturtheorien geschaffen werden. Im Folgenden werden zunächst der Ort der...

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