Als der Bauingenieur Konrad Zuse 1941 den Z3 als ersten programmierbaren Computer mit binärer Gleitkommarechnung und insgesamt 2200 Relais erfand, waren Betriebssysteme noch nicht existent. Bei einem Hauptspeicher aus 1600 Relais dürfte das auch nicht weiter verwundern. Weniger bekannt ist, dass Zuse auch einen A/D-Wandler und erste Prozesssteuerungen erfand.
75 Jahre später arbeiten die meisten Computer fast unbemerkt und immer noch ohne Betriebssystem. Wenn Ihre Waschmaschine Temperatur, Drehzahl und Wasserstand ermittelt, dann leiten einige Sensoren die gemessenen Daten an einen Embedded Computer weiter, der einen vom Hersteller programmierten Mikrocontroller enthält und so eine Spezialaufgabe erfüllt.
Der Arduino ist ein sehr preisgünstiger Minicomputer, der ohne angeschlossene Peripherie allerdings absolut nutzlos ist. Mit angeschlossenen Sensoren und nach dem Transfer eines am PC entwickelten Programms können Sie damit hingegen Messwerte erfassen oder Relais ansteuern. Ein 8-Bit-Mikrocontroller führt das Programm aus, wobei der Arduino weder einen Monitoranschluss noch ein Betriebssystem hat.
Der Raspberry Pi ist im Gegensatz zum Arduino durch die Nutzung von Betriebssystemen viel universeller verwendbar und bindet Sie nicht an eine bestimmte Programmiersprache. Wie bei einem großen PC können Sie einen Bildschirm anschließen, eine Internetverbindung herstellen oder USB-Geräte anstecken. Zusätzlich kann dieser Mini-PC aber auch relativ leicht mit bestimmten Sensoren verbunden werden. Dort, wo ein Laptop zu groß, zu schwer und zu teuer ist, beginnt die Welt des Raspberry Pi.
1.1 | Die Modelle des Raspberry Pi |
Als im Jahr 2012 der erste Raspberry Pi Computer auf den Markt kam, ahnte wohl noch niemand, dass sich daraus eine ganze Produktfamilie (siehe Bild 1.6) mit bislang mehr als 19 Millionen verkauften Exemplaren (März 2018) entwickeln würde. Alle Raspberry Pi Einplatinencomputer haben einen recht geringen Energieverbrauch, der von der Prozessorleistung des jeweiligen Modells, aber auch von den angeschlossenen Geräten abhängt.
Kann man für Preise zwischen 11 und 45 € (je nach Modell und Bezugsquelle) auch wirklich einen vollwertigen Computer erwarten? Nicht ganz, denn Sie bekommen nur ein vollständig bestücktes Mainboard. Gehäuse, Netzteil, (micro)SD-Karte, HDMI-Kabel und ein USB-Hub sind nicht enthalten.
Bild 1.1 Ein Raspberry Pi 1 mit PS2/USB-Adapter, passivem USB-Hub, USB-Stick und WLAN-Stick
Was macht den Raspberry Pi so attraktiv? Es ist nicht nur der Preis, sondern vielleicht auch die Möglichkeit der Erweiterung und die Fähigkeit, externe Hardware vergleichsweise einfach anzusteuern. Wofür ist dieser kleine Computer zu empfehlen? Auf jeden Fall für den lautlosen Dauerbetrieb und für viele Arten von Spezialaufgaben, bei denen Tastatur und Monitor entfallen können – aber nicht müssen. Zusammen mit OpenCV können Sie z. B. eine Alarmanlage basteln, bei der verdächtige Bilder drahtlos zu einem anderen Rechner übertragen werden. Sehr oft wird der Raspberry Pi im eigenen Netzwerk eingesetzt und ist als einziger Computer permanent eingeschaltet.
A, A+, B, B+, Pi 2, Pi 3, Pi Zero W – welcher Raspberry Pi ist nun der richtige? Sämtliche lieferbaren Modelle werden auf der Website der Raspberry Pi Foundation beschrieben: https://www.raspberrypi.org
Der Raspberry Pi 3 und der ganz neue Pi Zero W sind mit einem WLAN-Chip ausgestattet. Beim Pi Zero W ist das besonders wichtig, denn dieses Minimodell hat keine Ethernet-Buchse. Letztlich hängt die Entscheidung davon ab, welche Rechenleistung und welche Schnittstellen Sie benötigen. Auf den Monitor kann man gegebenenfalls verzichten, wenn Sie den Raspberry Pi über SSH (SecureShell) fernsteuern. Ein WLAN-Stick kann bei allen Modellen über USB angeschlossen werden.
Im Jahr 2013 war der Raspberry Pi (Modell B) wahrscheinlich der weltweit bekannteste Einplatinencomputer mit folgenden Anschlüssen und Eigenschaften:
Broadcom BMC2835-Prozessor, 700 MHz (ohne Overclock)
Broadcom VideoCore-4-GPU mit OpenGL ES 2.0, h.264/MPEG-4
512 MB Hauptspeicher (DDR2-SDRAM)
USB 2.0 (leider nur 2-fach)
Micro-USB zur Spannungsversorgung (min. 700 mA)
Netzwerkbuchse RJ 45 (Ethernet mit 10/100 MBit/s)
HDMI-Ausgang (adaptierbar auf DVI)
Cinchbuchse als analoger FBAS-Videoausgang
3,5 mm Klinkensteckerbuchse für den Ton (Ausgang)
CSI-Interface für das Kameramodul
DSI-Interface für spezielle externe LCD-Displays
GPIO-Port mit 26 Pins (z. B. für Sensoren, Relais etc.)
Slot für eine SD-Karte mit Betriebssystem
Energieverbrauch: 3,5 Watt bei 700 mA
Bild 1.2 Raspberry Pi 1 (Modell B) mit aktiven LEDs für Power und Action
Inzwischen wird dieses weitverbreitete, aber ältere Modell mit SD-Karte als Raspberry Pi 1 (Modell B) bezeichnet (Bild 1.2). Die Modellreihe A ist preisgünstiger und etwas sparsamer ausgestattet. Zunächst geschah das durch Weglassen von Bauteilen auf der Platine. Die A+ Modellreihe (Bild 1.3) hat dagegen eine kleinere, fast quadratische Platine.
Die älteren Modelle A und B des Raspberry Pi (vor Juni 2014) werden nur noch selten als Neuware angeboten, haben aber immer noch einen teilweise erstaunlichen Sammlerwert. Bei beiden Modellen wird eine SD-Karte zum Booten des Betriebssystems benötigt. Die neueren Modelle (A+, B+, Zero, Pi 2, Pi 3) verwenden stattdessen eine microSD-Karte (Bild 1.4).
Beachten Sie bitte auch, dass es unterschiedliche Gehäuseformen gibt. Das Gehäuse aus Bild 1.2 ist für lediglich zwei USB-Buchsen vorgesehen, während die neueren Modelle der Reihe B über vier USB-Buchsen verfügen, wie in Bild 1.5 zu sehen. Nicht alle Gehäusehersteller haben Öffnungen für das Displaymodul und das Kameramodul vorgesehen. Die seriellen Anschlüsse dazu werden als DSI und CSI bezeichnet.
Bild 1.3 Das Modell A+ des Raspberry Pi 1 (© Bild: Raspberry Pi Foundation)
Ein signifikantes Merkmal aller Raspberry Pi Computer ist eine Stiftleiste, die als GPIO-Port bezeichnet wird. In Bild 1.2 sind das 2 * 13 = 26 Kontakte für den GPIO-Port. Es gibt jede Menge Hardware, die über General Purpose Input/Output (GPIO) anschließbar ist. Da die neueren Raspberry Pi Modelle 40 Kontakte haben, passt die eine oder andere Aufsteckplatine nur über einen zwischengeschalteten Adapter. Wie Sie elektronische Schaltungen über GPIO ansteuern, erfahren Sie in Kapitel 5.
Bild 1.4 Die neueren Modelle des Raspberry Pi (ab Juni 2014)
Der Raspberry Pi B+ ist ein Nachfolger des allerersten Raspberry Pi B Modells und kostet derzeit ca. 25 €. Der Hauptunterschied zum älteren Modell (Bild 1.2) liegt in einer 40-poligen Stiftleiste und in der nun 4-poligen Klinkensteckerbuchse. Es spricht aber aus meiner Sicht nur noch wenig für dieses Modell, das von "unten" und von "oben" Konkurrenz aus dem eigenen Haus bekommen hat. Aber wer nicht viel Geld ausgeben möchte und eine Ethernet-Buchse braucht, ist mit diesem Modell gut bedient. Die Anschlüsse stimmen mit den wesentlich schnelleren Modellen Pi 2 und Pi 3 überein.
Bild 1.5 Anschlüsse am Modell B+, dem Raspberry Pi 2 und dem Pi 3 ...