Reformpädagogik
Die Reformpädagogik ist eine eigenständige Periode der Pädagogik zwischen dem Ende des vorigen Jahrhunderts bis ungefähr 1938, verbunden mit den Namen großer Pädagoginnen und Pädagogen, wie z.B. Ovide Decroly, Adolphe Ferrière, Paul Geheeb, Célestin Freinet, Maria Montessori, Peter Petersen, Paul Oestreich, Helen Parkhurst, John Dewey, Henry Morris,Alexander S. Neill, Rudolf Steiner oder Otto Glöckel für Österreich, um nur einige zu nennen.
Die „Erziehung vom Kinde aus“ kann als allgemein gültiges pädagogisches Konzept einer ganz aktuellen Kindererziehung angesehen wird. Diese historischen, heute vielleicht schon verklärt gesehenen Erziehungsentwürfe entsprechen für immer mehr Eltern und Lehrer/innen den Erziehungsidealen der Gegenwart: Selbstständigkeit, Selbstbestimmung, Eigenständigkeit, Verantwortung, Kooperation, Solidarität u.ä.m. sind heutige Erziehungsziele, die den reformpädagogischen Konzepten nachgerade immanent sind.
Selbstständigkeit Eigeninitiative Flexibilität Durchhaltevermögen Einsatzfreude Selbstkritikfähigkeit Kreativität Organisationsfähigkeit Problemlösefähigkeit | Logisches Denken Frustrationstoleranz Motivation Fachwissen Teamfähigkeit Kommunikationsfähigkeit Methodenbeherrschung Verantwortungsbewusstsein Solidarität ... |
In diesem Zusammenhang begegnet uns oft der Wunsch, das zentrale Anliegen der Reformpädagogik – ihre Orientierung an der kindlichen Entwicklung als Pädagogik für das Kind – auf die Erziehungswirklichkeit der Gegenwart zu übertragen. Eine der Grundvoraussetzungen vor der revidierten Übertragung der Erziehungskonzepte der Reformpädagogik auf die heutige, aktuelle Schul- und Erziehungswirklichkeit ist jedoch das tiefe und eingehende Studium der originären Konzepte. Bevor und damit diese Konzepte für unsere Kinder, für Eltern, für Lehrerinnen und Lehrer, für Erzieherinnen und Erzieher erlebbar gemacht werden können, ist darüber hinaus die persönliche Auseinandersetzung mit der Theorie und praktische Erfahrung mit deren Umsetzung notwendig.
Der gängigen Pädagogik in Kindergarten und Schule wird somit eine Idee der Reformpädagogik gegenübergestellt, die statt der Vernunft die Einbildungskraft (oder, in einer Sprachwendung Hermann Nohls, die spontanen schöpferischen Kräfte im Kind), statt des abstrakten Lernens das Gefühl für Körperlichkeit, statt der intellektuellen „Halbbildung“ eine ganzheitliche Bildung propagiert (vgl. Heiner 1990, S. 893ff).
Das Studium der heute weltweit verbreiteten fünf erfolgreichen Modelle der Reformpädagogik – Montessori-Pädagogik, Freinet-Pädagogik, Jenaplan-Pädagogik,Dalton-plan-Pädagogik und Waldorf Pädagogik- sollte es uns ermöglichen, dem pädagogischen Ziel eines auf Selbstständigkeit und Selbstbestimmung basierenden Bildungsprozesses in den Schulen näher zu kommen, ohne die Notwendigkeit einer didaktisch-methodischen Grundlage für schulisches Lernen und den gesellschaftlichen Rahmen der Schule aus den Augen zu verlieren. (Die Waldorf-Pädagogik nimmt trotz ihrer weltweiten Verbreitung eine Sonderstellung ein. Sie ist in einem nur geringen Ausmaß für die Weiterentwicklung des öffentlichen Schulsystems wirksam geworden und durch eine starke Bindung an die Anthroposophie gekennzeichnet.)
Mit all den zu diskutierenden Konzepten sind pädagogische Prinzipien wie Selbstständigkeit, Selbstbildung, Eigenverantwortung, Selbsttätigkeit, eigenständiges und autonomes Lernen, entdeckendes Lernen, Bildung der Imaginationsfähigkeit sowie soziales Lernen und Integration verbunden. Zentrales Anliegen ist es, dem heranwachsenden Menschen in seiner Entwicklung zur eigenständigen Persönlichkeit und zur Entfaltung seiner Individualität zu helfen.
Weitere konstituierende und beschreibende Merkmale reformpädagogischer Bildungskonzepte finden wir, ohne schon Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, in der Gestaltung einer anregenden Lernlandschaft, im fächerübergreifenden Unterricht, in weit reichenden Mitbestimmungsmöglichkeiten des Kindes, im Angebot so genannter Entwicklungsmaterialien, in einer persönlichkeitsbezogenen Leistungsbewertung und Leistungsbeurteilung und in einer prinzipiellen Betonung der Eigenaktivität.
Montessori-Pädagogik, Freinet-Pädagogik, der Jenaplan nach Peter Petersen, der Daltonplan nach Helen Parkhurst oder der Epochenunterricht der Waldorfschulen bieten klare methodisch-didaktische Konzepte und sind dabei doch flexibel: Je nach dem entwickelten Schulprofil bieten sie die Grundlage für die pädagogische Arbeit an der Schule oder sie bilden die Basis für die Entwicklung eines adaptierten oder neu erstellten Erziehungs- und Unterrichtskonzeptes.
In beiden Fällen setzt die Integration eines dieser Modelle ein vorangehendes intensives Studium desselben voraus und erfordert die permanente Reflexion, ob die Intentionen der Schule auch eine Verwirklichung durch das gewählte pädagogische Modell erfahren können, ob also der gewählte Weg auch zum Ziel führt.
Um dem Ziel einer nach den Prinzipien der Selbstbestimmung und Selbstständigkeit gestalteten Schule näher zu kommen, bedarf es nicht einer Schulreform – im Sinne der Wiederherstellung eines Zustandes nach altem (hierarchisch gesteuerten) Muster – oder einer Schulerneuerung von oben herab; wir brauchen vielmehr Rahmenbedingungen für eine Schulentwicklung, die den pädagogischen Prinzipien der reformpädagogischen Konzepte konsequent entspricht.
Lernaktivitäten
Mit den hier angebotenen Lernaktivitäten wollen wir der einzelnen Leserin und dem einzelnen Leser Gelegenheiten bieten, sich aktiv und reflexiv mit der Thematik auseinander zu setzen. Alle Aktivitäten sind aber auch als methodische Anregungen für Pädagogische Konferenzen oder Pädagogische Tage zum Thema zu verstehen, wo ein Kollegium kooperativ an der Entwicklung des Schulstandortes arbeiten will. Alle Lernaktivitäten sind an reformpädagogischen Grundsätzen und am konstruktivistischen Verständnis von Lernen und Lehren orientiert.
Thema: „Die Reformpädagogik und ich“
Ziele:
• Wissen: Methode des reflexiven Unterrichtseinstiegs kennen lernen; lernorientierte Unterrichtsplanung erleben; Methoden der Präsentation kennen lernen;
• Können: Das „Fragen stellen“ als Ausgangspunkt für persönliches Lernen erproben; Methoden der Präsentation anwenden;
• Haltung: Die Bedeutung des Vorwissens Lernender erkennen und zum Ausgangspunkt von Lernprozessen machen.
Arbeitsaufträge:
Notieren Sie in Einzelarbeit auf einem Blatt Papier!
• Welche Reformpädagoglnnen kenne ich?
• Welche Schlagworte zur Reformpädagogik fallen mir ein?
• Welche Erfahrungen bzw. Gefühle habe ich zum Thema Reformpädagogik?
• Welche Fragen habe ich zum Thema Reformpädagogik?
Stellen Sie nun in einer 4er-Gruppe Ihr Wissen und Ihre Erfahrungen zur Reformpädagogik grafisch dar!
Präsentieren Sie Ihre Plakate im Plenum!
Notieren Sie im Plenum die Fragen aller Teilnehmer/innen auf einem Plakat! Dieses Plakat sollte sichtbar im Seminarraum, als Curriculum der Lerngruppe, ausgehängt werden!
Thema: Studium historischer Texte im Team
Ziele:
• Wissen: Reformpädagog/innen und reformpädagogische Konzepte kennen lernen; Methode des reflexiven Lesens kennen und erproben;
• Können: Eine Wandzeitung kreativ gestalten;
• Haltung: Die Prinzipien der Reformpädagogik für sich bewerten.
Arbeitsaufträge:
Bilden Sie 3er-Gruppen!
• Diese Gruppen wählen nun ein Standardwerk eines Reformpädagogen, einer Reformpädagogin aus und teilen den Text in 3 gleiche Teile auf. (Siehe kommentierte Literaturliste!)
Jede(r) studiert nun ihren/seinen Part.
• Informationstransfer in der Gruppe – jede(r) referiert ihren/seinen Textteil.
Versuchen Sie nun in der Gruppe folgende Fragen zu beantworten:
• In welcher Zeit und unter welchen Umständen ist diese(r) Reformpädagoge/in aufgewachsen? Wie lässt sich ihre/seine politische Haltung beschreiben?
• Welche Merkmale kennzeichnen das reformpädagogische Konzept?
Gestalten Sie eine Wandzeitung und präsentieren Sie diese im Plenum!
Thema:...