2 Arbeitsstrukturen in der medizinischen Rehabilitation
2.1 Steuerungsprozesse
Prozesse, die der Zielfindung, Planung und Behandlung in der medizinischen Rehabilitation dienen:
1. Erstellung des Rehabilitationsplanes vor oder zu Beginn der Behandlung durch den Rehabilitationsarzt mit Festlegung von Zielbereichen und Therapiebereichen, sowie Einschätzung des Potentials und der Dauer der Behandlung,
2. Bereichsspezifisches Eingangsassessment in den einzelnen Fach-bzw. Therapiebereichen auf den Ebenen der ICF (soweit möglich) und Festlegung der bereichsspezifischen Teilziele,
3. Bereichsübergreifendes Eingangsassessment (z. B. Geriatrisches Basisassessment) zur Analyse möglicher bisher nicht erfasster Aktivitäts- und Partizipationsstörungen und besonderer Belastungen,
4. Vorstellung und Integration der Befunde und Informationen im gesamten Team mit Überprüfung und Abstimmung der bereichsspezifischen (Teil-)Ziele und der bereichsübergreifenden (Global-)Ziele, sowie Überprüfung und Abstimmung der Behandlungsinhalte,
5. Durchführung der Kernrehabilitation mit therapeutischen Maßnahmen, Beratungen und Zwischenuntersuchungen, sowie Modifikation und Anpassung von Therapieinhalten in Abstimmung mit dem Arzt u. a. in den Fallkonferenzen und Visiten
6. Zwischenbesprechungen mit IST-Analyse der Therapieergebnisse, Grad der Zielerreichung und Zielmodifikation durch das gesamte Team, sowie Anpassung der Therapieinhalte, Klärung der Frage nach Hausbesuchen, Arbeitsplatzanalyse, Angehörigeneinbindung, Hilfmittelanpassung, häusliche Nachsorge etc.
7. Abschlussbesprechung mit Festlegung der Zielerreichung, Evaluation im Team und Planung (und Vorbereitung) der Nachsorge.
8. Am Ende der Rehabilitation erfolgt die sozialmedizinische Beurteilung in Form des Ärztlichen Entlassungsberichtes, der ggf. Grundlage für weitere soziale Weichenstellungen wie z. B. berufliche oder soziale Rehabilitationsmaßnahmen (s. u.) oder auch Rentenzahlungen ist.
2.2 Zielfindungsprozess
Um das Rehabilitationsziel zu gewährleisten, bedarf es frühzeitiger, ganzheitlicher, lückenloser, bedarfsgerechter, koordinierter Arbeit im interdisziplinären Team mit klaren Absprachen, strukturierten Abläufen und genauer Orientierung auf die Nachsorge. Die Prozesse basieren auf evidenzbasierten Konzepten, Techniken und Verfahren, die zur Zielerreichung beitragen sollen.
Der Rehabilitationsprozess setzt ein geplantes und zielgerichtetes Vorgehen voraus. Die Ziele müssen immer wieder überprüft und individuell spezifiziert werden.
In der Zielsetzung unter rehabilitativen Aspekten ist es wichtig, potenziell ungünstige Verhaltensweisen und Umweltfaktoren zu minimieren und die positiven Verhaltensfaktoren und individuellen Umweltfaktoren für die Behandlung bewußt zu nutzen. So kann eine zugrunde liegende Gesundheitsstörung oft nicht geheilt werden, dennoch kann die rehabilitative Behandlung die Beeinträchtigung reduzieren sowie die Versorgung effektiver und effizienter im Sinne des Betroffenen gestalten und darüber hinaus potenzielle Gesundheitsausgaben vermindern (vgl. Ewert, Cieza, Stucki, 2003, S. 12, 157–162).6
Behinderungen werden nicht mehr als Problem des einzelnen Menschen gesehen, sondern in Verbindung mit den biografischen, sozialen, kulturellen und materiellen Lebensbedingungen. Das heißt in der Zielsetzung dass Therapiemaßnahmen alltagsnah angesiedelt sein müssen und sich auf das persönliche Lebensumfeld und auf die soziale und/oder beruflichen Aktivitäten und Teilhabe des Betroffenen beziehen. Es gilt, die Schädigungen der Betroffenen immer so positiv wie möglich zu beeinflussen.
Die Zielstellungen sind auf ganz verschiedenen Ebenen angesiedelt:
• vollständige Wiederherstellung des ursprünglichen Niveaus der Aktivitäten/Teilhabe, d. h. Wiedereingliederung in das soziale Umfeld (Restitutio ad integrum)
• größtmögliche Wiederherstellung des Ausgangsniveaus der Aktivitäten/Teilhabe (Restitutio ad optimum) und fast völlige Wiedereingliederung in das soziale Umfeld
• Ersatzstrategien bzw. Nutzung verbliebener Funktionen oder Aktivitäten (Kompensation)
• Anpassung der Umweltbedingungen an die bestehenden Beeinträchtigungen der Aktivitäten oder der Teilhabe des Betroffenen (Adaptation)
Die aktive Beteiligung der Rehabilitanden an der Zielsetzung
Persönliche Ziele sind in Erzählungen eingebettet und lesen sich oftmals »zwischen den Zeilen«. Das Ziel »Ich möchte wieder gesund werden« hat für den Betroffenen eine subjektive Geschichte. Die Frage lautet immer auch: »Was bedeutet Gesundheit für Sie?« Fragebogen und Checklisten können nicht den Dialog ersetzen (Peter Frommelt 2007).
Nicht das Team hat das Lenkrad in der Hand, sondern der Rehabilitand, der aber Hilfe braucht, um wieder zu fahren!
Die aktive Beteiligung der Betroffenen (und Angehörigen) am Rehabilitationsprozess und an der Festlegung der Therapieziele entscheidet wesentlich über den Rehabilitationserfolg und ist in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben (vgl. SGB IX). Die erarbeitete Zielsetzung wird letztendlich, in Abstimmung mit dem Rehabilitationsteam und dem Betroffenen, ärztlich festgelegt und basiert auf den Begrifflichkeiten der ICF.
Die aktive Rolle und Einbindung des Rehabilitanden in die Zielsetzung und Behandlung sind elementare Merkmale eines personenzentrierten, sprich individuellen Rehabilitationsprozesses.
2.3 Behandlungselemente
Während der medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen finden u. a. physikalische Therapiemaßnahmen, psychologische Interventionen und Patientenschulungen statt. Schulungen und Vorträge sollen das Gesundheitsbewusstsein des Patienten stärken. Wesentliche Behandlungselemente und Therapieformen in der Rehabilitation sind:
• Ergotherapie
• Logopädie bzw. Sprachtherapie
• Medikamentöse Behandlung
• Verzahnung der Behandlungselemente
• Physiotherapie
• Rehabilitative bzw. therapeutische Pflege
• Physikalische Therapie
• Trainingstherapie
• Verhaltenstherapie
• Ernährungsberatung
• Sozialarbeit/Rehabilitationsberatung
• Neuropsychologie/Psychologie
• Patientenschulung
• Angehörigenanleitung
Darüber hinaus verfügen Einrichtungen über spezifische Behandlungselemente und -methoden, die je nach Schwerpunkt variieren.
2.4 Zusammenarbeit im Team
Um eine gute Behandlung der Patienten gewährleisten zu können, kommt dem Informationsaustausch und der Kommunikation zwischen den einzelnen Mitarbeitern im Rehabilitationsteam eine hohe Bedeutung zu. In regelmäßigen Teambesprechungen werden die Behandlungskonzepte im Hinblick auf die Rehabilitationsziele des Patienten abgestimmt, aktualisiert und angepasst. Dienstübergaben, Visiten und berufsspezifische Besprechungen dienen der Weitergabe wichtiger Patienteninformationen. Die Qualität der Kommunikation und die respektvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist ausschlaggebend für ein hohes Maß des individuellen Rehabilitationserfolges und der Zufriedenheit aller Beteiligten.
»Funktionierende Teamarbeit setzt sich aus drei gleichwertigen Komponenten zusammen: Kommunikation, Verantwortung, Kooperation.« (Schmidt, Thiele, Leibig, 2012, S. 253)
2.5 Das Rehabilitationsteam
Die Teams in der Rehabilitation arbeiten eng und gut koordiniert zusammen.
Grundsätzlich gehören die folgenden Berufsangehörigen dazu: Logopäden, sie therapieren und diagnostizieren Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen, fördern die Kommunikation, die...