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Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas

Vollständige Ausgabe

AutorBalduin Möllhausen
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl795 Seiten
ISBN9783849631918
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Balduin Möllhausens Reisen in die Felsengebirge Nord-Amerikas führten ihn bis zum Hochplateau von Neu-Mexiko. Unternommen wurden die Reisen als Mitglied der im Auftrag der Regierung der Vereinigten Staaten asugesandten Colorado-Expedition.

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Leseprobe

Sechstes Kapitel


 


Aufenthalt in Fort Tejon – Die Spechte – Die Gräber – Aufbruch von Fort Tejon – Reise nach Pueblo de los Angeles – Aufenthalt daselbst – Reise nach Fort Yuma – Temacula – Warner's Paß – San Felipe – Wallecito – Carizo Creek – Rand der Wüste – Die Wüste – Indian Wells – Alamo Mucho – Cook's Well – Ankunft am Colorado

 

Unser Aufenthalt in Fort Tejon dauerte noch bis zum 27. November, also im ganzen acht Tage länger, als es ursprünglich unsere Absicht gewesen war. Taylor, dessen Schüchternheit sich allmählich in ein ungeduldiges Wesen verwandelte, geriet freilich dadurch in Verzweiflung, doch die Aussicht, in dem der Sandstürme wegen verrufenen Fort Yuma noch einige Wochen auf die Ankunft von Lieutenant Ives harren zu müssen, veranlaßte uns übrige, den Aufbruch immer noch einen Tag weiter hinauszuschieben. Am Montag waren die Maultiere noch nicht gezählt, am Dienstag mußten die Papiere geordnet werden, am Mittwoch gaben wir unser Abschiedsfest, am Donnerstag durften wir aus Höflichkeit nicht abreisen, weil die Offiziere des Postens uns ein Abschiedsessen gaben, am Freitag war eben Freitag, an dem bekanntlich ein echter Seemann nie in See sticht, am Sonnabend brachen wir auf und verlegten unser Lager, das sich fünfhundert Schritt unterhalb des Forts befand, ebensoweit oberhalb desselben und reisten dann endlich am Sonntag ab.

 

Wenn ich nun beschreiben soll, auf welche Weise wir die Zeit hinbrachten, so ist dies mit wenigen Worten geschehen: Wir lebten in der besten Gesellschaft und waren fortwährend guter Dinge. Ich wurde indessen durch nichts abgehalten, forschend die nächste Umgebung zu durchstreifen sowie manches Interessante zu beobachten und zu sammeln.

 

So habe ich oft lange unter den großen Eichen gesessen und dem munteren Treiben einer Art Buntspechte zugeschaut, deren merkwürdige Gewohnheiten mir die angenehmste Unterhaltung gewährten. Diese schönen Vögel teilen ihre Zeit gleichsam zwischen Spiel und Arbeit. In beidem scheinen sie unermüdlich zu sein, denn stundenlang sah ich zwei oder mehrere derselben um einen modernden Baumstumpf »Verstecken und Suchen« spielen, wobei es natürlich nicht an ausgelassenem Lärm fehlte. Zierlich hüpften sie hinauf und hinunter, nach der einen Seite und dann nach der anderen hin um den Baum herum, dessen vielfach geborstene Rinde ihnen so gute Stützpunkte für die steifen Schwanzfedern und die scharfen Krallen bot. Vorsichtig lugten sie um die Ecke, verrieten durch neckenden Ruf ihre Gegenwart und wechselten dann blitzschnell ihr Versteck; und wenn sie, sich gegenseitig meidend, dennoch unvermutet einander in die Augen schauten, dann schien das Gelächter kein Ende nehmen zu wollen, und fort hüpften sie wieder, um das Spiel von neuem zu beginnen. Die Spielstunde war endlich vorüber, die kleine Gesellschaft versammelte sich, beratschlagte auf lärmende Weise hin und her, kam endlich zum Entschluß, und fort flog sie nach der ersten Eiche, deren korkige Rinde schon vielfache Spuren ihrer Arbeit trug und wo sie nun wieder ihren Fleiß und ihre Kunstfertigkeit beweisen wollten. Jeder suchte sich eine passende Stelle, krallte sich da fest, stützte den Körper auf die stumpfen Schwanzfedern und begann dann zu hämmern, daß die Späne umherflogen. Sie arbeiteten lange und emsig, allmählich entstanden unter den bildenden Schnäbeln in der Rinde Höhlen, deren Durchmesser dem einer Eichel gleichkam. Immer tiefer wurde gemeißelt und gehackt, doch ohne die Symmetrie der runden Öffnung zu verletzen. Geruht wurde auch zuweilen, und dann flogen die reizenden Tiere zueinander hin, beschauten mit prüfenden Blicken eines des anderen Arbeit und gingen dann wieder mit erneuter Kraft ans Werk. Endlich waren die Öffnungen tief genug; mit lautem Schrei wurde es verkündet, und fort flogen die Spechte zu einer anderen Eiche, wo sich jeder eine schöne, gesunde und vor allen Dingen trockene Eichel suchte, mit derselben im Schnabel schleunigst zurückkehrte und in seiner Werkstätte sich wieder auf den alten Platz begab. Die Eichel wurde alsdann mit dem dünneren Ende in die Öffnung geschoben; sie ging zwar schwer hinein, doch die korkähnliche Rinde gab nach, als die keilförmige Frucht Schlag auf Schlag von dem festen Schnabel erhielt, und nach wenigen Minuten wurde die Arbeit für beendet erklärt, denn die Eichel saß fest und ragte nur so weit über der Rinde hervor, als nötig war, um sie im Winter mit Bequemlichkeit verspeisen zu können. So sorgen diese Vögel für ihren Wintervorrat. – Wer nun solche Geschöpfe mit Aufmerksamkeit beobachtet, ihren Bewegungen folgt, ihre Sinne zu erraten und sich zu verdeutlichen strebt, der muß hingerissen werden zu tiefer Bewunderung und Verehrung einer gewaltigen Macht, die mit unbegreifbarer Weisheit den Millionen der verschiedenartigen lebenden Wesen verschiedene, aber entsprechende Gesetze vorzuschreiben vermochte.

 

Die meisten starken Bäume um Fort Tejon waren auf diese Weise mehr oder weniger von den Spechten mit Eicheln übersät worden, und zwar in vielen Fällen so dicht, daß es nicht schwerfiel, auf der Fläche eines Quadratfußes bis zu zweiundzwanzig solcher kleiner Magazine zu zählen. Auffallend erschien es mir, daß die Eicheln so fest eingeklemmt waren, daß es mir nur selten gelang, ohne Werkzeug eine derselben aus ihrem Behälter zu entfernen. Die Gegenwart der Menschen ertrugen diese Vögel mit einer gewissen Zutraulichkeit, weshalb es mir auch gelang, ihre Gewohnheiten so genau kennenzulernen. Wenn sich aber ein mutwilliges Eichhörnchen oder eine räuberische Krähe ihren Vorratsbäumen näherte, dann verteidigten sie ihr Eigentum mit einer Tapferkeit und einem Grimm, den man in den kleinen, harmlosen Tierchen nicht zu finden erwartete. Übrigens habe ich aber auch Gelegenheit gehabt, das gute Einvernehmen zwischen einigen dieser Vögel und einem Eichhörnchen zu beobachten; ich war lange vertieft im Anblick ihrer drolligen Spiele und der lieblichen Szenen, wenn sie sich voreinander zu verstecken trachteten, sich gegenseitig suchten, fanden und zwischen Ästen und Zweigen herumjagten. Der kleine Vierfüßer, auf dem höchsten Punkt wilder Ausgelassenheit, schien dann gleich seinen gefiederten Spielkameraden zu fliegen und mischte sein kläffendes Stimmchen mit deren neckendem Geschnarre.

 

Auch zwei Gräber wurden mir in Fort Tejon gezeigt, zwei Gräber, die in ihrem Alter nur zwanzig Jahre auseinander sind, dabei aber verschiedenen Zeitaltern anzugehören scheinen. Das erste Grab befindet sich mitten auf dem Hof des Forts, im Schatten einer riesenhaften Eiche. Der schöne Baum vertritt die Stelle des Leichensteins, und auf seinem Stamm liest man an einer Stelle, wo die Rinde entfernt wurde, die mit einem Beil tief eingemeißelten Worte: »Peter le Beck, killed by a bear, Octbr. 17.1837 (Peter le Beck, getötet von einem Bären am 17. Oktober 1837).« Die Rinde ist schon wieder über einige Buchstaben hinweggewachsen, so daß man die Worte nur noch mit Mühe zu entziffern vermag. Dort also, in der Urwildnis, scharrten einst kühne kanadische Trapper ihren verunglückten Kameraden in die fremde Erde und schrieben mit Eisen seinen Namen auf grünendes Holz.

 

Zwanzig Jahre später stand, einige hundert Schritt davon, eine den gebildetsten Ständen angehörige junge Amerikanerin am Grab ihres Gatten, eines Offiziers der Besatzung, der einer Krankheit erlegen war und nach kurzem Aufenthalt in dem neuerrichteten Posten ebenfalls in die fremde Erde gesenkt wurde. Ein weißes Gitter umgibt den kunstvoll behauenen Grabstein mit der vergoldeten Inschrift; die Inschrift habe ich vergessen, aber nicht die Worte, welche die scheidende Gattin mit Bleistift auf eine der weißen Latten schrieb; sie schienen eine Welt voll Kummer und Schmerz zu enthalten.

 

Als die trauernde Witwe in ihre Heimat zurückkehren wollte, bat sie die Offiziere des Postens, wenn sich die Gelegenheit bieten sollte, ihr ein Bild vom Grab ihres Gatten zu verschaffen. Ein Jahr war seitdem verflossen. Eingedenk ihres Versprechens forderten die Offiziere mich auf, eine Skizze von der einsamen Ruhestätte zu entwerfen. Mit Freuden übernahm ich den Auftrag, zeichnete nach besten Kräften das gewünschte Bild und fügte demselben noch eine Ansicht des Militärpostens mit all seinen Häusern und Eichen bei.

 

Nach abermals zwanzig Jahren steht wohl schon eine große Stadt dort, und die marmorne Gedenktafel des Soldaten befindet sich vielleicht im Fundament desselben Hauses, zu dem die Grabeiche des Jägers die Balken hergegeben hat.

 

Der Bau des Forts ist immer noch nicht ganz beendet; zur Zeit meiner Anwesenheit daselbst hatte er schon über ein halbes Jahr vollständig geruht, und es schien sehr ungewiß, ob er überhaupt wieder in Angriff genommen werden würde. Die furchtbare Erderschütterung des vorhergehenden Jahres, durch die fast alle Gebäude mehr oder weniger beschädigt wurden, hatte die erste Veranlassung dazu gegeben, und die leichteren Stöße, die sich fast wöchentlich wiederholten, dienten gewiß nicht dazu, die Furcht vor größeren Unfällen dieser Art ganz einzuschläfern. Allerdings waren die dortigen Bewohner schon an Erdbeben gewöhnt, doch erinnere ich mich noch ganz genau, einst während des Mittagessens, als sich eine leise Schwingung des ganzen Speisesaals bemerkbar machte, eine Anzahl verstörter Gesichter gesehen zu haben, zu denen auch wohl das meinige gehört haben mag. Über das mehrmals erwähnte starke Erdbeben im Frühling 1857 ging mir von Augenzeugen folgende Beschreibung zu: Ein dumpfes, donnerähnliches Rauschen näherte sich in der Richtung von...

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