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Risiko- und Präferenzmessung in Kreditinstituten

Entwicklung einer entscheidungstheoretisch fundierten Risikotragfähigkeitskonzeption am Beispiel ausgewählter Risikokategorien von Genossenschaftsbanken

AutorMartin Polle
VerlagFritz Knapp Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783831409013
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis54,99 EUR
Die langfristige Existenzsicherung und der Schutz der Gläubiger sind zwei wesentliche Ziele für die Geschäftsleitung einer Bank. Für den Vorstand einer Genossenschaftsbank gilt dies aufgrund der in § 1 GenG und in der Satzung verankerten Mission in besonderer Weise. Eine Förderung der Mitglieder setzt den Erhalt der Förderfähigkeit und damit die langfristige Existenzsicherung der Bank zwingend voraus. Eine entscheidende Grundbedingung für die Sicherung der Existenz ist die fortlaufende Gewährleistung der Risikotragfähigkeit (RTF). Die Steuerung der RTF basiert auf einer RTF-Konzeption. Im Rahmen einer solchen Konzeption hat die Geschäftsleitung Entscheidungen über ihre Risikotoleranz, die Verteilung von Risikokapital und die Parametrisierung von Haltedauer und Konfidenzniveau im Rahmen der Risikomessung zu treffen. Eine zusammenhängende Analyse und darauf basierte Entscheidungskonzeptionen sind bislang nicht ausreichend vorhanden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, die erwähnten Entscheidungen aus der Sicht eines rationalen Akteurs zu betrachten und eine entscheidungstheoretisch fundierte RTFKonzeption am Beispiel ausgewählter Risikokategorien von Genossenschaftsbanken zu entwickeln. Diese RTF-Konzeption bietet eine Grundlage für Entscheidungen, welche im Einklang mit den Zielen und der Risikoeinstellung des Entscheidungsträgers sowie den Anforderungen der Bankenaufsicht stehen. Die Idee für diese Arbeit hat sich aus den Beobachtungen und Erfahrungen im Rahmen meiner langjährigen Tätigkeit als Geschäftsleiter einer Kreditgenossenschaft entwickelt. In zahlreichen Diskussionen mit Berufskollegen, Mitarbeitern der Prüfungsverbände und verschiedenen Spezialisten kam immer wieder die Frage auf, ob ein bestimmtes Risikoniveau einer Bank vereinbar mit dem Ziel der langfristigen Existenzsicherung ist. Damit verbunden war die Frage, ob die umgesetzte Allokation der Bank als konservativ oder doch eher als risikofreudig zu bezeichnen ist und ob die gewählte Positionierung der tatsächlichen Risikoeinstellung des Entscheidungsträgers entspricht. Meine Forschungstätigkeit wurde durch vielfältige Anregungen und konstruktiv kritische Diskussionen begleitet. Mein besonderer Dank gilt meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Michael Lister. Über viele Jahre hat er meine akademische Entwicklung entscheidend betreut und mir dabei die Kenntnisse vermittelt, die zur Anfertigung einer solchen Arbeit notwendig sind. Zudem hat er in vielen Diskussionen wertvolle Hinweise gegeben und damit den Fortgang der Arbeit stets unterstützt. Für die Übernahme des Korreferats bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Bernd Rolfes. Wertvolle Hinweise erhielt ich auch von Freunden und Kollegen. Großer Dank gilt den Herren Dr. Mario Brandtner, Dr. Jürgen Braun und Ronny Sattler, die trotz eigener starker Arbeitsbelastungen als sehr aufmerksame und kritische Gesprächspartner zur Verfügung standen. Für die Unterstützung im Rahmen der Literaturrecherche danke ich meinen Sekretärinnen Frau Werth und Frau Scherf. Bei der Akademie Deutscher Genossenschaftsbanken ADG möchte ich mich für die Aufnahme in das ADG-Studienprogramm GoAhead bedanken. Darüber hinaus danke ich zeb für die Veröffentlichung meiner Arbeit in der Schriftenreihe und Frau Silke Rahe und Frau Eugenia Demmel für das Lektorat. Bedanken möchte ich mich auch bei meinen Eltern. Sie haben meine Entwicklung immer tatkräftig unterstützt. Insbesondere mein Vater hat mich durch sein Vorbild ermuntert, mich an ein solches Forschungsprojekt heranzuwagen. Tiefer Dank gebührt meiner Frau Annett. Mit großer Geduld hat sie meine Forschungsarbeit jederzeit vorbehaltlos unterstützt. Sie hat mir nicht nur die nötigen zeitlichen Freiräume gegeben, sondern war stets auch eine starke mentale Stütze. Templin, im Mai 2019 Martin Polle

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Leseprobe

Einleitung


Problemstellung


Banken sind Intermediäre und übernehmen in einer Volkswirtschaft unter anderem die Bonitäts-, Fristen- und Losgrößentransformation.1 Mit diesen Transformationsfunktionen sind zahlreiche Risiken verbunden. Verluste aus schlagend werdenden Risiken sind durch das Eigenkapital auszugleichen. Insofern wird der Geschäftsumfang der Banken durch deren Eigenkapital begrenzt.2 Wie die folgende Tabelle zeigt, liegen die Eigenkapitalquoten der wesentlichen Bankengruppen in Deutschland zwischen 5,13 % und 8,71 %.3

Tabelle 1: Eigenkapitalausstattung deutscher Bankengruppen

Diese im Verhältnis zur Bilanzsumme und zu anderen Branchen knappe Eigenkapitalausstattung stellt besondere Anforderungen an das Risikomanagement.4 Mit dem Ziel der Solvenzsicherung und dem damit intendierten Schutz der Gläubiger fordert die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in AT 4.1 Tz. 1 der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), dass die Geschäftsleitung einer Bank auf der Grundlage des Gesamtrisikoprofils dafür Sorge zu tragen hat, dass die wesentlichen Risiken durch Risikodeckungsmassen (RDM) laufend abgedeckt sind und damit die Risikotragfähigkeit gegeben ist.5 Die Steuerung der Risikotragfähigkeit (RTF) basiert auf einer sogenannten RTF-Konzeption.

Um die Anforderungen der Bankenaufsicht einzuhalten, muss ein Kreditinstitut in einer solchen Konzeption folglich mindestens das allgemein formulierte Risikotragfähigkeitskalkül Risiko ≤ RDM berücksichtigen.6 Diese – auf den ersten Blick trivial anmutende – Formel fordert die Auseinandersetzung mit einigen grundsätzlichen Problemstellungen. So haben Entscheidungsträger einer Bank im Rahmen ihrer RTF-Konzeption zu erklären, über welche Risikodeckungsmassen die Bank verfügt, Teilproblem (1) welcher Teil der Deckungsmassen (Risikokapital) zur Übernahme von Risiken bereitgestellt, Teilproblem (2) wie das Risikokapital verteilt und Teilproblem (3) wie das Risiko gemessen werden soll. In allen Fällen handelt es sich um Entscheidungsprobleme.

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist es, die genannten Teilprobleme aus der Perspektive eines rational handelnden Akteurs zu betrachten und die zentrale Forschungsfrage zu beantworten, wie eine entscheidungstheoretisch fundierte Risikotragfähigkeitskonzeption aufgebaut werden kann. Einen geeigneten Rahmen dazu bietet die (präskriptive) Entscheidungstheorie. Auf dieser Grundlage soll eine Anleitung gegeben werden, wie im Kontext einer RTF-Konzeption (rationale) Entscheidungen getroffen werden können, die im Einklang (d. h. widerspruchsfrei) zu den Zielen und Risikoeinstellungen der Entscheidungsträger stehen. Der Aspekt der Widerspruchsfreiheit ist aus zwei Gründen von zentraler Bedeutung. Einerseits sollen die Vorgehensweise bei der Wahl zwischen riskanten Alternativen die individuelle Risikoeinstellung zutreffend abbilden und die Verfahren der Risikomessung eine realistische Risikoperzeption ermöglichen. Erst auf dieser Grundlage können Entscheidungen über die Höhe und die Verteilung des Risikokapitals getroffen werden. Andererseits besteht die Anforderung, Entscheidungen und deren Grundlagen für Dritte nachvollziehbar zu dokumentieren. Transparenz und Konsistenz von Entscheidungen spielen unter diesem Gesichtspunkt eine besondere Rolle. Ausgehend von den genannten Teilproblemen und deren Einordnung in den Kontext der Entscheidungstheorie sollen die folgenden Teil-Forschungsfragen (TFF) beantwortet werden:

TFF (1) Welche Faktoren sollten Entscheidungsträger bei der Festlegung ihrer Risikotoleranz berücksichtigen?

TFF (2) Welche Faktoren sollten Entscheidungsträger bei der Wahl von Haltedauer und Konfidenzniveau berücksichtigen?

TFF (3) Wie sollte Risikokapital entscheidungstheoretisch fundiert (rational) investiert werden?

Erkenntnisobjekte sind Kreditinstitute im Allgemeinen und die genossenschaftliche Finanzgruppe in Deutschland im Besonderen. Die genossenschaftliche Finanzgruppe stellt neben dem Sparkassensektor und den Kreditbanken eine bedeutende Säule des deutschen Bankensystems dar. Teil der Finanzgruppe sind per Oktober 2016 986 Volksund Raiffeisenbanken.7 Die einzelnen Genossenschaftsbanken sind juristisch selbstständige Institute im Sinne des § 1 Abs. 1b KWG. Der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit liegt im regionalen Privat- und Firmenkundengeschäft. Die Unternehmen der genossenschaftlichen Finanzgruppe sind in Verbänden organisiert.8 Die Verbandsstruktur umfasst die regionalen Prüfungsverbände, den BVR sowie den DGRV. Der BVR ist der Spitzenverband der Finanzgruppe, der DGRV der Dachverband des gesamten deutschen Genossenschaftswesens. Die Zusammenarbeit innerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe erfolgt nach den Prinzipien eines kooperierenden dezentralen Netzwerks9 auf der Grundlage finanzieller und personeller Verflechtungen.10 Dabei verzichten die einzelnen Kooperationspartner freiwillig auf einen Teil ihrer Handlungsfreiheit zugunsten eines wirtschaftlichen Erfolgs, der sogenannten Kooperationsrente. Im Zusammenhang mit der „Neuen Institutionenökonomik“ wird die einzelne Genossenschaftsbank und auch die gesamte Finanzgruppe als hybride Organisationsform zwischen Markt und Hierarchie bezeichnet.11 Darunter ist nach Greve (2002) und Wagner (2004) zu verstehen, dass rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Mitglieder (Markt) bestimmte Finanzdienstleistungen mit dem Ziel der Senkung von Transaktionskosten sowie der Nutzung von Zentralisierungs- und Dezentralisierungsvorteilen über die Kreditgenossenschaft bzw. die genossenschaftliche Finanzgruppe betreiben (Hierarchie).

Im Rahmen der Teil-Forschungsfrage 1 wird untersucht, welche Aspekte Entscheidungsträger in Banken bei der Festlegung ihrer Risikotoleranz berücksichtigen sollten. Die Risikotoleranz (RT) gibt an, welcher Teil der Risikodeckungsmassen zur Übernahme von Risiken maximal bereitgestellt wird. Durch diese Kennziffer ist es möglich, Risikobereitschaften verschiedener Institute vergleichbar zu machen. Auf der Grundlage eines Einflussdiagramms wird eine Entscheidungsregel entwickelt, welche bei der Festlegung der Risikotoleranz unterstützen kann.

Gegenstand der Teil-Forschungsfrage 2 ist eine Systematisierung von Faktoren, die Entscheidungsträger bei der Wahl von Haltedauer und Konfidenzniveau berücksichtigen sollten. Auf der Grundlage eines Einflussdiagramms wird analog zum Vorgehen bei Teil-Forschungsfrage 1 eine Entscheidungsregel entwickelt.

Die Beantwortung der Teil-Forschungsfrage 3 erfordert zunächst eine Festlegung darüber, wie Entscheidungsträger aus einer Menge zulässiger Alternativen auswählen. Dies wird von allgemeinen, aus dem sogenannten Risiko-Chancen-Kalkül abgeleiteten strategischen Überlegungen und den daraus formulierten konkreten Zielen, der Präferenzstruktur sowie von der Risikoperzeption der Entscheidungsträger abhängen.12 Rationale Entscheidungen ermöglicht die auf dem Bernoulli-Prinzip basierende und von Neumann/ Morgenstern (1947) axiomatisch begründete Erwartungsnutzentheorie. Da die Auswahl nach der Erwartungsnutzentheorie eine etwa von der Bankenaufsicht vorgegebene Risikotoleranz nicht berücksichtigt, ist eine Verbindung zwischen dem Risiko einer Alternative X und deren Erwartungsnutzen Eu(X) herzustellen. Dabei wird das Risikotragfähigkeitskalkül Risiko ≤ RDM als Nebenbedingung des Erwartungsnutzenkalküls behandelt. Daraus entsteht dann ein Optimierungsproblem auf der Grundlage eines nicht kompensatorischen Risiko-Wert-Modells der Form:

Im Rahmen der von der Deutschen Bundesbank im November 2010 durchgeführten Studie „Range of Practice“ wurden die Risikotragfähigkeitskonzeptionen von 150 deutschen Kreditinstituten untersucht. Eine Erkenntnis dieser Studie ist, dass das Value-at-Risk-Konzept zur Risikomessung in der deutschen Bankenlandschaft sehr stark verbreitet ist, obgleich im Schrifttum zahlreiche Kritik am Value-at-Risk (VaR) vorgetragen wird. Zudem ist eine große Bandbreite bei der Wahl von Haltedauer und Konfidenzniveau im Zusammenhang mit der Ermittlung des VaR festzustellen.13

Lister/Polle (2014) zeigen in einer beispielhaften Anwendung der Parametrisierungen in den Bandbreiten der „Range of Practice“ auf die wesentlichen Risikoarten, Adress- und Marktpreisrisiken einer Kreditgenossenschaft, dass bei Verwendung eher milder Parametrisierungen für Haltedauer und Konfidenzniveau wenig Risikokapital gebunden wird und folglich Steuerungsimpulse entstehen, die eine Ausweitung des Risikos begründen können. Die Verwendung von eher strengen Parametrisierungen führt hingegen dazu, dass die Risiken das bereitgestellte Risikokapital deutlich überschreiten. Der Steuerungsimpuls kann in diesem Fall zu einer Reduktion der eingegangenen Risiken und damit unter Umständen auch zu einer Begrenzung der Ertragschancen führen. Es ist offensichtlich, dass die Wahl der Parameter einen...

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