Der zu Beginn des Jahres 2007 in Kraft getretene neue Baseler Eigenkapitalakkord sieht eine stärkere Orientierung der Eigenkapitalunterlegung für Kredite an den ökonomischen Risiken von Kreditnehmern vor. In diesem Kapitel wird deshalb auf das Regelwerk des neuen Eigenkapitalakkords eingegangen. Das Kapitel wird durch die Klärung des Eigenkapitalbegriffs eingeleitet und befasst sich anschließend mit dem 3-Säulen-Konzept von Basel II. In diesem Abschnitt werden neben den im Rahmenwerk verankerten Mindesteigenmittelvorschriften (Säule 1) auch das bankaufsichtliche Überprüfungsverfahren (Säule 2) und die Transparenzvorschriften erläutert (Säule 3). Der nächste Abschnitt behandelt die nationale Umsetzung des Baseler Eigenkapitalakkords in Form der MaRisk und der SolvV. Die Regelungen der SolvV und der MaRisk stellen schließlich im letzten Abschnitt die Basis für die Beschreibung der Ansätze zur Ermittlung der Mindestkapitalanforderungen für Kreditrisiken dar.
In der Kreditwirtschaft kommt dem Eigenkapital der jeweiligen Kreditinstitute eine besondere Bedeutung zu, da das Eigenkapital das Kreditvergabepotenzial einer Bank begrenzt. Das Eigenkapital dient als eine Art Risikopuffer in Zeiten hoher Kreditausfälle und soll die Bank vor einer Existenz bedrohenden Schieflage schützen. Das Eigenkapital der Kreditinstitute besitzt somit eine Haftungs- und Sicherungsfunktion. Aus der Bankensicht wird der Begriff des Eigenkapitals wie folgt unterschieden:
- Bilanzielles Eigenkapital
- Ökonomisches Eigenkapital
- Regulatorisches Eigenkapital
Das bilanzielle Eigenkapital wird auch als Buchwert des Eigenkapitals bezeichnet. Es umfasst das gezeichnete Kapital, die Kapital- und Gewinnrücklagen sowie den Reingewinn.
Das ökonomische Eigenkapital hat die Aufgabe, die ökonomischen Risiken einer Bank, also die unerwarteten Verluste aus Markt-, Kredit- und sonstigen Risiken, zu einem bestimmten Sicherheitsniveau zu decken.
Das regulatorische Eigenkapital stellt das aufsichtsrechtlich geforderte Eigenkapital dar. Gemäß § 10 KWG müssen die Kreditinstitute „im Interesse der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern, insbesondere zur Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte, angemessene Eigenmittel haben.“ [54] Diese Eigenmittel setzen sich, wie die nachstehende Abbildung illustriert, aus dem haftenden Eigenkapital und Drittrangmittel zusammen. Sowohl Basel I als auch die neuen Regelungen fordern eine Eigenkapitalquote - also das Verhältnis vom regulatorischen Eigenkapital einer Bank und den risikogewichteten Aktiva - von 8 %.
Abbildung 3: Eigenmittel der Kreditinstitute
Dabei ist lediglich haftendes Eigenkapital ohne Einschränkungen zur Unterlegung von Kreditrisiken geeignet. Innerhalb des haftenden Eigenkapitals ist das Kernkapital vollständig und das Ergänzungskapital maximal in Höhe des Kernkapitals haftungsfähig, wobei die Summe aus nachrangigen Verbindlichkeiten und dem Haftsummenzuschlag höchstens die Hälfte des Kernkapitals ausmachen dürfen. Drittrangmittel dürfen bei der Ermittlung der haftenden Mittel nicht berücksichtigt werden.[55]
Des Weiteren fand Ende 2004 eine das Eigenkapital betreffende Änderung des Baseler Eigenkapitalakkordes statt. Demnach müssen die Banken lediglich die unerwarteten Verluste aus dem Kreditgeschäft mit Eigenkapital unterlegen, da in der Praxis für die erwarteten Verluste Wertberichtigungen gebildet werden.
Das Basel II Konzept besteht aus drei Säulen und soll die Stabilität des internationalen Finanzsystems stärken. Der Ansatz umfasst neben Mindesteigenkapitalanforderungen (Säule 1) auch eine umfassende Bankaufsicht (Säule 2) und eine unter dem Stichwort „Transparenz und Marktdisziplin“ eingebundene erweiterte Offenlegungspflicht (Säule 3).
Abbildung 4: Das 3-Säulen-Konzept von Basel II
Die erste Säule von Basel II definiert die quantitativen und qualitativen Mindesteigenkapitalanforderungen zur Ermittlung der regulatorischen Eigenkapitalausstattung von Kreditinstituten. Im Fokus der Betrachtung stehen hierbei das Kreditrisiko, das Marktrisiko und das operationelle Risiko. Die alten Richtlinien zur Unterlegung des Marktrisikos bleiben dabei praktisch unverändert. Hinsichtlich der Kredit- und operationellen Risiken schlägt der Ausschuss unterschiedliche Verfahren und Ansätze zur Messung vor.[56]
Die zweite Säule repräsentiert den bankaufsichtlichen Überprüfungsprozess (Supervisory Review Process). Die Aufgabe der nationalen Bankaufsichten besteht darin, die Einhaltung der Mindestanforderungen an die Eigenkapitalunterlegung sicher zu stellen. In Deutschland führt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden BaFin) den Supervisory Review Process durch. Dieser umfasst neben gesteigerter Informationsrechte hinsichtlich der institutsinternen Ratingverfahren auch individuelle Eingriffsmöglichkeiten in die Bankpolitik der Banken.[57] Die mit dem Titel „Marktdisziplin“ bezeichnete dritte Säule soll den bankaufsichtlichen Überwachungsprozess durch eine Kontrolle des Kapitalmarktes mittels Offenlegungen unterstützen. Diese Säule des Baseler Rahmenwerkes zielt darauf ab, dass die Kapitalmarktteilnehmer Kreditinstitute mit gutem Risikoverhalten z.B. durch entsprechend günstige Finanzierungskonditionen belohnen. Andererseits wird erwartet, dass Banken, die ihre Risiken nicht ausreichend mit Eigenkapital unterlegt haben, durch die Kapitalmarktteilnehmer mit schlechteren Finanzierungskonditionen sanktioniert werden.[58]
Jedoch dürfen die drei Säulen nicht isoliert voneinander betrachtet werden, sondern sollen bei der Verwirklichung des Zieles der risikoorientierten Eigenmittelausstattung der Bank zusammenwirken. So dürfen die Institute bestimmte Verfahren zur Ermittlung der notwendigen Eigenkapitalunterlegung (1. Säule) nur dann anwenden, wenn diese von der Bankaufsicht eingehend geprüft wurden (2. Säule) und die Bank die Finanzmärkte über die Ausgestaltung der Systeme im Rahmen der Offenlegung informiert hat (3. Säule).
Wie bereits geschildert, werden in der ersten Säule die quantitativen Anforderungen an eine risikosensitive Eigenkapitalausstattung formuliert. Dabei verfolgt der Baseler Ausschuss das Ziel, die Risiken eines Kreditinstituts möglichst genau zu quantifizieren. Analog zu Basel I darf auch nach dem neuen Akkord das Verhältnis vom haftenden Eigenkapital zu risikogewichteter Aktiva 8 % nicht unterschreiten.
Während Basel I lediglich die von Banken eingegangenen Kreditrisiken und seit 1996 auch die Marktrisiken abdeckt, fließen nach den neuen Regelungen, wie die folgende Abbildung veranschaulicht, neben den Kredit- und Marktrisiken auch die operationellen Risiken eines Kreditinstituts in die Eigenkapitalunterlegungsformel ein.[59]
Abbildung 5: Unterlegungspflichtige Risiken
Bei der Umsetzung des neuen Akkords können die Kreditinstitute hinsichtlich der Kredit- und operationellen Risiken zwischen verschiedenen Ansätzen wählen. Da ein Hauptziel der neuen Vereinbarung darin besteht, fortschrittliche Risikomessmethoden zu fördern, verringert sich die Eigenkapitalunterlegung mit steigender Risikosensitivität des gewählten Ansatzes.[60] Dies gilt sowohl für die Kreditrisiken als auch für die operationellen Risiken. Lediglich die Marktrisiken bleiben von der Reform der Eigenkapitalregelungen weitgehend unberührt. Die folgende Abbildung 6 stellt einen Überblick der möglichen Ansätze nach Basel II dar.
Abbildung 6: Übersicht der Ansätze nach Basel II
Kreditrisiken
Das Kreditrisiko bezieht sich auf die Bonität eines Kreditnehmers. Es beruht auf der vollständigen oder teilweisen Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners.[61] Verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers, so besteht die Gefahr, dass dieser die vereinbarten Tilgungs- und Zinszahlungen nicht vollständig und termingerecht leisten kann. Dabei ist die entscheidende Größe des Kreditrisikos die Ausfallwahrscheinlichkeit. Diese Größe gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Schuldner seine aus dem Kreditvertrag resultierenden finanziellen Verpflichtungen nicht mehr ordnungsgemäß leisten kann. Zur Bemessung der Eigenkapitalunterlegung für Kreditrisiken stehen den Kreditinstituten im Rahmen des neuen Baseler Akkords drei Ansätze zur Verfügung: Ein Standardansatz und zwei auf interne Verfahren basierende Ansätze (Internal Ratings Based Approach: kurz IRB-Ansatz). Der Standardansatz lässt sich zudem in einen einfachen und einen umfassenden Ansatz unterteilen, wobei sich diese Ansätze lediglich hinsichtlich der Behandlung und dem Kreis der zulässigen Sicherheiten unterscheiden.[62] Der Standardansatz erlaubt den Instituten, auf die Kreditbeurteilungen von externen Ratingagenturen zurückzugreifen, um das Bonitätsgewicht des...