Grundlage der modernen Portfoliotheorie ist die im Jahr 1952 von Markowitz entwickelte Portfolio Selection-Theorie[79]. Das sog. Markowitz-Modell wurde zwischenzeitlich in verschiedener Weise modifiziert wie bspw. von Tobin, Black und Dyl.[80] Im Folgenden wird das Grundmodell nach Markowitz und dessen Erweiterung durch Tobin dargestellt.
Die Portfolio Selection-Theorie stellt eine normative Theorie dar, die herleitet, wie ein Investor mit gegebenen Erwartungen unter bestimmten Annahmen und auf Basis seiner Risikopräferenz die Struktur seines Portfolios aus riskobehafteten Wertpapieren optimieren sollte.[81]
Ausgangspunkt ist der Nachweis von Markowitz, dass aus nicht perfekt-positiv korrelierten Einzelanlagen ein Portfolio erstellt werden kann, welches ein Gesamtrisiko aufweist, das kleiner als die Summe aller Einzelrisiken ist (sog. Diversifikationseffekt). Die Portfolio Selection-Theorie geht deshalb von der Erkenntnis aus, dass Überlegungen zur Allokation von Finanzmitteln auf verschiedene Assets nicht allein auf der Grundlage der erwarteten Renditen basieren, sondern vielmehr das Risiko im Entscheidungsprozess berücksichtigt werden muss.[82]
Im Grundmodell der Portfolio Selection-Theorie werden folgende Annahmen bezüglich des Anlageverhaltens und der Eigenschaften des Kapitalmarktes getroffen:[83]
- Einperioden-Modell: Der Planungszeitraum beträgt genau eine Periode.
- Erwartungswert/Varianz-Modell: Investoren beurteilen Portfolios ausschließlich anhand der erwarteten Rendite[84] und des Risikos. Als Risikomaß wird die Varianz[85] der Rendite verwendet.
- Risikoaversion: Investoren akzeptieren nur dann ein höheres Risiko, falls ihre Renditeerwartung überproportional zunimmt.
- Renditemaximierung: Investoren sind rational, d.h. sie ziehen bei identischem Risiko eine höher erwartete Rendite weniger hohen erwarteten Renditen vor.
- Renditeverteilung bzw. Nutzenfunktion: Entweder sind die Wertpapierrenditen normalverteilt[86] oder der Investor trifft seine Anlageentscheidungen anhand einer quadratischen Nutzenfunktion[87].
- Friktionsloser Kapitalmarkt: Sämtliche Wertpapiere sind beliebig teilbar und es existieren weder Transaktionskosten noch Steuern. Ebenso stehen allen Marktteilnehmern alle Informationen gleichzeitig und kostenlos zur Verfügung. Investoren sind Preisnehmer, d.h. sie können durch Käufe und Verkäufe keinen Einfluss auf den Preis der Wertpapiere nehmen.
- Restriktionen: Das Kapital wird voll investiert. Leerverkäufe sind nicht erlaubt.
- Eigenschaften der Wertpapiere: Es existiert weder eine risikolose Anlage, noch gibt es zwei Wertpapiere, deren Korrelationskoeffizient[88] -1 beträgt. Zudem sind mind. zwei Wertpapiere durch eine unterschiedliche Rendite gekennzeichnet.
Gelten die genannten Annahmen bzw. handelt ein Investor danach, so wird sein Portfolio aus einer Mischung von verschiedenen Wertpapieren bestehen. Ziel der Portfolio Selection ist es, die Anteile der einzelnen Wertpapiere so zu wählen, dass das Risiko in optimaler Weise diversifiziert wird. Es ergeben sich drei Fälle, in denen effiziente Kombinationen von erwarteter Rendite und Risiko in einem Portfolio vorliegen:
Es gibt kein Portfolio, das
- bei gleicher erwarteter Rendite ein geringeres Risiko,
- bei gleichem Risiko eine höher erwartete Rendite,
- sowohl eine höher erwartete Rendite als auch gleichzeitig ein geringeres Risiko
besitzt.[89]
Die Lösung dieses Optimierungsproblems erfolgt über einen dreistufigen Ansatz. Zunächst wird die Menge aller zulässigen Portfolios bestimmt, um dann daraus die Teilmenge aller effizienten Portfolios auszuwählen. Aufgrund unterschiedlicher Ertrags- und Risikopräferenzen der einzelnen Investoren ist es in einem dritten Schritt erforderlich, aus dieser effizienten Menge das für den individuellen Investor optimale Portfolio zu ermitteln.[90]
Die zulässige Menge aller Portfolios entspricht sämtlichen Portfoliokombinationen, welche durch Variation der Gewichtungen der einzelnen Wertpapiere und unter den genannten Restriktionen generiert werden können.[91] Das Optimierungsproblem der Portfolio Selection zielt dabei auf die Rendite/Risiko-Profile der einzelnen Portfolios ab. Zunächst wird somit für jede Portfoliokombination die erwartete Portfoliorendite sowie auch das Portfoliorisiko berechnet. Die erwartete Rendite eines Portfolios ergibt sich durch Addition der mit den jeweiligen Portfolioanteilen gewichteten Einzelrenditen:[92]
Im Unterschied zur Portfoliorendite stimmt das Portfoliorisiko, gemessen durch die Varianz als Streuungsmaß der Rendite, in der Regel jedoch nicht mit der gewichteten Summe der einzelnen Varianzen überein. Die Streuung der Rendite eines Portfolios hängt neben den Streuungen der Renditen der einzelnen Wertpapiere und der Anteile, mit denen diese Wertpapiere im Portfolio gewichtet sind, zudem von den Kovarianzen[93] der Einzelrenditen untereinander ab.[94] Die allgemeine Formel zur Ermittlung der Portfoliovarianz lautet wie folgt:[95]
Das Portfoliorisiko nimmt – mit Ausnahme eines absoluten Gleichlaufs der einzelnen Wertpapierrenditen – stets einen geringeren Wert als das arithmetische Mittel der Einzelrisiken der im Portfolio enthaltenen Wertpapiere an.[96] Das Grundprinzip der Diversifikation als Quintessenz der Portfolio Selection-Theorie äußert sich somit in einer Streuung des Anlagevermögens über mehrere Wertpapiere. Bei einer steigenden Anzahl von Wertpapieren im Portfolio haben die Kovarianzen zwischen den einzelnen Wertpapierrenditen einen immer bedeutenderen Einfluss auf das Portfoliorisiko, während die Varianzen der einzelnen Wertpapierrenditen immer mehr vernachlässigt werden können.[97] Je geringer dabei die Kovarianzwerte eines Wertpapiers zu den anderen im Portfolio sind, desto mehr kann diese Komponente zur Diversifikation beitragen.[98] Da die Kovarianz jedoch eine absolute Kennzahl ist, sagt sie für sich allein nichts über die Stärke des linearen Zusammenhangs der beteiligten Renditen aus. Dieser Mangel wird dadurch beseitigt, indem man zu der Maßzahl der Korrelation übergeht. Sie ist eine Kennzahl für den Zusammenhang zweier Variablen und wird durch den Korrelationskoeffizienten ρ, dessen Wertigkeiten sich im Intervall zwischen -1 und +1 bewegen, gemessen. Der Extremwert +1 stellt sich ein, falls ein streng linear positiver Zusammenhang zwischen zwei Renditen besteht, d.h. dass sich die beiden Renditen stets im gleichen Verhältnis in die gleiche Richtung bewegen. Handelt es sich jedoch um eine genau gegenläufige Entwicklung, so nimmt der Korrelationskoeffizient den Wert -1 an. Besteht kein systematischer Zusammenhang zwischen beiden Renditen, so ist der Korrelationskoeffizient gleich null und man spricht von Unkorreliertheit.[99] Abbildung 4 verdeutlicht die Auswirkung der Korrelation auf das Rendite/Risiko-Profil zweier Anlagen A und B.
Abb. 4: Auswirkungen der Korrelation auf das Rendite/Risiko-Profil
Quelle: In Anlehnung an GARZ et al. (2004), S. 34
Die Verbindungslinien zwischen A und B stehen für die Portfoliolinien der möglichen Mischungen aus den Wertpapieren A und B bei beliebiger Teilbarkeit.[100] Diese Darstellung demonstriert, dass sich das Gesamtrisiko bei vollkommener Korrelation (ρ = +1) beider Wertpapierrenditen nicht vermindern lässt. Ertrag und Risiko des Portfolios liegen in diesem Fall zwischen den Erträgen und Risiken beider Wertpapiere. Der maximale Diversifikationseffekt kann bei einer vollkommen negativen Korrelation (ρ = -1) der Wertpapierrenditen realisiert werden. In diesem theoretischen Extremfall ist durch entsprechende Gewichtung der beiden Wertpapiere eine risikolose Rendite im Punkt Rf möglich. In der Regel liegt die Korrelation jedoch zwischen den beiden Extremwerten -1 und +1.[101]
Im Folgenden wird für jede Portfoliokombination das Rendite/Risiko-Profil berechnet und mit anderen Kombinationen verglichen. Dieses sog. Opportunity-Set, welches der Menge aller zulässigen Portfolios entspricht, lässt sich grafisch bestimmen, indem man alle Portfoliokombinationen in ein Rendite/Risiko-Diagramm einträgt. Die Darstellung derart ermittelter Punktemengen zeigt eine konvexe[102] Menge von Portfolios (siehe Abb. 5). Die Menge aller effizienten Portfolios wird im Rahmen des Rendite/Risiko-Diagramms durch eine sog. Effizienzgrenze („Efficient Frontier“) begrenzt. Sie ist als geometrischer Ort sämtlicher Portfolios definiert, die für ein bestimmtes Risiko die höchste Rendite aufweisen.[103] Risikoaverse und rationale Anleger werden nur in solche Portfolios investieren, die auf dieser Effizienzgrenze liegen. Alle darunter liegenden zulässigen Portfolios sind ineffizient und lassen sich bei der Wahl des optimalen Portfolios sofort ausschließen.
Abb. 5: Efficient Frontier
Quelle: In Anlehnung an FABOZZI et al. (2002), S. 34
Zur mathematischen Bestimmung der effizienten Menge ergeben sich die Optimierungsprobleme:
- Maximiere µP zu jedem möglichen Wert für σP2 oder
- Minimiere σP2 zu jedem möglichen Wert für µP.
Während der erste Ansatz zu Schwierigkeiten führt, kann der zweite mit Standardmethoden der Optimierung gelöst werden.[104] Hierbei stellt die bereits eingeführte Portfoliovarianz...