I C 1. Die 1. Rune des Futhark-Alphabeths
„fehu“
I C 1. a) Die Bedeutung des Runen-Namens „fehu“
Das altnordische „fe“ bedeutet „Vieh“ und vor allem „Schafe“, da in den Nordländern Schafe am leichtesten gehalten werden konnten. Dieser Begriff konnte aber auch verallgemeinernd „Herden, Besitz, Gold, Geld“ bedeuten.
Das Substantiv „fe“ stammt von dem germanischen „fehu“ für „Schaf, Vieh, bewegliches Hab und Gut“ ab.
Die indogermanische Wurzel dieses Begriffes ist „peku“ für „Geschorenes, Schaf, Vieh, Wolle, Vlies, Haar“, das eine Bildung zu dem Verb „pek“ für „zupfen, scheren“ ist.
Diese Wortwurzel läßt sich noch deutlich in dem lateinischen Substantiv „pecunia“ für „Geld, Vermögen“ erkennen, das eine Bildung zu „pecus“ für „Schaf, Schafherde, Vieh“ ist.
„Fe“ ist somit vor allem eine Rune des Wohlstandes.
Es ist aber auch die Assoziation zu der Zeugungskraft und der Fruchtbarkeit der Herdentiere denkbar, die eben aufgrund dieser Eigenschaft große Herden bilden können.
Daran schließt dann mit recht großer Sicherheit die Assoziation zu den für die Jenseitsreisenden geopferten Herdentieren (Pferde, Hirsche, Rinder, Ziegen, Schafe, Schweine) an.
Auch die Göttinnen in Tiergestalt wie die Jenseits-Riesin Sinmara, die die Frau des Tyr-Surt ist, solche mythologischen Gestalten wie die Urkuh Audhumbla und der eng mit dem Göttervater verbundene „Sonnenhirsch“ werden in den Umkreis der Rune „Fehu“ gehören.
I C 1. b) Das Runenlied aus dem Havamal
Odin:
„Lieder weiß ich, die kein Weib des Königs
und kein Menschenkind kennt.
Hilfe verheißt mir eins, denn zu helfen vermag es
In Streiten und Zwisten und jeglicher Not.“
Die Fa-Rune wird von Odin als eine allgemeine Hilfsrune in jeglicher Not geschildert, wobei diese Art von Not insbesondere Streit und somit wohl auch Kämpfe sind.
I C 1. c) Das Sigdrifa-Lied
In diesem Lied gibt es zwei Stellen, die sich auf die Fa-Rune beziehen könnten:
Sigrdrifa:
„Denkrunen schneide, willst Du klüger erscheinen
als ein anderer Mann.“
Es ist keinesfalls sicher, daß diese beiden Zeilen zur Fa-Rune gehören, aber zum Schlichten von Streits u.ä. ist die Fähigkeit zu denken auf jeden Fall notwendig.
Die zweite Textstelle bezieht sich auf die Bedeutung „Wohlstand“ der Runen-Namens „Fehu“.
Sigdrifa:
„(Die Runen stehen)
auf Gold und Glas, auf dem Glück der Menschen.“
I C 1. d) Isländisches Runengedicht
Dieses Lied besteht aus je vier Zeilen mit Stabreim zu jeder Rune.
Das erste Wort in der ersten Zeile ist der germanische Runen-Name.
Das erste Wort in der vierten Zeile ist jeweils die lateinische Übersetzung dieses Wortes, auf das dann jeweils ein alter isländischer Königstitel folgt.
„Fe“ (Gold) ist der Freunde Streit
und das Feuer der Flut-Zeit
und der Pfad des Grab-Fisches.
Gold-Heerführer.
Geld bringt selbst unter Freunden und Verwandten Streit.
Das „Feuer in der Flut“ ist eine Gold-Kenning, die auf dem Motiv „goldene Sonne in der Wasserunterwelt“ beruht.
Ein „Grab-Fisch“ ist eine Schlange und der „Pfad der Schlange“ ist das Hügelgrab, in dem der Totengeist in der Gestalt einer Schlange lebt und dort (als Drache) seine goldenen Grabbeigaben bewacht – sofern sie ihm noch nicht geraubt worden sind.
Schließlich braucht ein Heerführer Gold, um seine Männer zu bezahlen.
Dieses Lied betrachtet Die Fa-Rune vor allem als eine Gold-Rune. Das Gold der Fürsten entspricht dem Vieh der Bauern als Ausdruck des Reichtums.
Diese Auffassung der Fa-Rune bestätigt die Zuordnung der Zeile „(Die Runen stehen) auf Gold und Glas.“ aus dem Sigdrifa-Lied zu der Fa-Rune.
I C 1. e) Trideilur Runa
Dies ist ein zweites isländisches Runenlied, das sich nur geringfügig von dem vorigen unterscheidet. Meistens fehlt lediglich die vierte Zeile.
1. Version:
„Fe“ (Gold) ist der Freunde Streit
und das Feuer der Flut-Zeit
und der Pfad des Grab-Fisches.
2. Version:
„Fe“ (Gold) ist der Freunde Streit
und das Vergnügen der Krieger
und der Pfad des Grab-Fisches.
„Feuer in der Flut“ ist wieder eine Umschreibung für „Gold“, die sich auf die goldene Sonne, die abends im Meer untergeht, bezieht.
Daß das Gold das „Vergnügen der Krieger“ ist, braucht nicht weiter erklärt zu werden …
I C 1. f) Lateinisches Runenlied
Dieses Lied ist eine lateinische Variante des isländischen Runenliedes, das allerdings einige Abweichungen enthält.
„Fe“ (Vieh) ist Vieh-Reichtum:
Reichtums-Streit unter Verwandten,
Weg der feinen Viper.
Die Viper ist der Totengeist in seiner Grabkammer seines Hügelgrabes, in dem er die Gestalt einer Schlange oder eines Drachen hat. Sein „Weg“ ist daher sein Grabschatz, auf dem er liegt.
I C 1. g) Altenglisches Runenlied
Auch diese Verse beruhen auf dem isländischen Runenlied, aber sie sind schon entsprechend den christlichen Verhaltensregeln umgestaltet worden – allerdings galt auch bei den Germanen die Freizügigkeit für Reiche als Tugend.
„Feoh“ (Reichtum) ist etwas Angenehmes / für jeden Menschen,
Aber ein jeder sollte es / freigiebig schenken,
um das Lob / des Herrgotts zu erlangen.
I C 1. h) Norwegisches Runen-Lied
Auch diese um ca. 1350 n.Chr. verfaßten Stabreim-Runenverse ähneln den bisher genannten Strophen:
Reichtum ist eine Quelle des Streites unter Verwandten;
Der Wolf lebt im Wald.
Der Wolf wird hier möglicherwreise nur zur Vervollständigung des Stabreimes genannt – vielleicht jedoch auch als Feind des Viehs. (Die Rune „Fehu“ bedeutet wörtlich „Vieh“ und im übertragenden Sinne „Schatz“.)
I C 1. i) Schwedisches Runengedicht
In diesen Runen-Merkversen von ca. 1650 n.Chr. findet sich wieder dieselbe Symbolik.
Fehu ist die Unruhe unter Verwandten.
I C 1. j) Abecedarium Nordmannicum
Dieser Alphabeth-Spruch ist ein normannischer Merkvers für die Runen. In ihm finden sich ein paar Bestätigungen für die bisherigen Deutungen, aber keine neuen Informationen.
Feu forman | Feu (Vieh) zuerst, |
Ur after | Ur (Stier) danach, |
Thuris thritten stabu, | Thuris (Riese) ist der dritte Buchstabe, |
Os is himo oboro, | Os (Ase) folgt diesem, |
Rat endost ritan | Rat (Rat) wird danach geritzt, |
Chaon thanne cliuôt. | Chaon (Geschwür) klebt daran, |
Hagal, Naut hab& | Hagal (Hagel), Naut (Not) hält, |
Is, Ar endi Sol | Is (Eis), Ar (Jahr) und Sol (Sonne) |
Tiu, Birca endi Man midi | Tiu (Tyr), Birca (Birke) und Man (Mann) zusammen mit ihnen |
Lagu the leohto, | Lagu (See) der lichte |
Yr al bihabet. | Yr (Eibe) hält alles umfangen. |
I C 1. k) Lied des Rig
Die Rune, mit deren Hilfe man „den Sinn beschwichtigen“ konnte, könnte die „fehu“-Rune sein.
Konur der junge / kannte Runen,
Zeitrunen / und Zukunftrunen;
Zumal vermocht er / Menschen zu bergen,
Schwerter zu stumpfen, / die See zu stillen.
Vögel verstand er, / wußte Feuer zu löschen,
Den Sinn zu beschwichtigen, / Sorgen zu heilen.
Auch hatt er zumal / acht Männer Stärke.
Er stritt mit Rigr, / dem Jarl, in...