Vorwort: Ein kurzer Blick in die Gegenwart der Zukunft
Wir wissen, dass die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Wirtschaft dramatisch sind, obwohl wir uns erst am Beginn dieser technologischen Revolution befinden. Die Digitalökonomie bricht mit den alten Regeln unserer volks‐ und betriebswirtschaftlich geprägten Managementmethoden, speziell wenn es um Vertrieb und Verkauf geht. Der U.S.‐amerikanische Futorologe und Autor Alvin Toffler schrieb in seinem 1970 erschienenen Buch Der Zukunftsschock: »Der Zukunftsschock ist der Schock, der eintritt, wenn die Zukunft zu früh eintrifft.« Er beschrieb, wie sich die Welt durch Technologie verändern wird und dass ein »Zu‐viel« an Veränderung innerhalb einer zu kurzen Zeitspanne zu psychischen Schäden des Einzelnen, zu Verwerfungen in der Gesellschaft und zu neuen Unternehmensmodellen führen wird. Wir sind in dieser Zukunft angekommen und ein Teil der Prognosen von Toffler sind Realität geworden. Besonders unsere Kaufgewohnheiten haben sich durch die Digitalisierung enorm verändert, sowohl in B2C‐ als auch zunehmend in B2B‐Märkten.
Fakt ist, wann immer Technologien entwickelt wurden, wurden sie auch genutzt. Es geht auch nicht um die Frage, ob die Entwicklung gut oder schlecht ist. Die Frage, wie die Transparenz unserer Handlungen berechnet wird, ist durch die Mathematik beantwortet worden. Allgorithmen werden aus den Spuren, die wir im Internet hinterlassen, gebildet und schaffen eine bestechende Logik in der Abbildung und Prognose unseres Verhaltens. Die Digitalisierung wird gleichermaßen verehrt, wie sie gefürchtet wird. Sie kann sehr hilfreich sein und gleichzeitig unsere Identität verletzen. Sicher ist, dass die altgedienten Vorgehensweisen im Vertrieb einer zunehmend digitalen Zukunft nicht mehr Stand halten können. Wir sind ständig »allways on« und tragen in unseren Smartphones riesige Shoppingmalls spazieren. Wir sind heute schon in der Lage, uns zu jeder Tages‐ und Nachtzeit auf Shopping Tour zu begeben und das bei einem nahezu unlimitierten Warenangebot. Wir können dem spontanen Reflex nachgehen, eine Ware oder Dienstleistung in dem Moment zu kaufen, in dem wir die Lust verspüren unser Bedürfnis zu befriedigen. Während früher die Zeit zwischen dem Erkennen eines Bedürfnisses und dem tatsächlichen Kauf noch Zeit war, sich zu überlegen, ob man dem Kaufbedürfnis nachgehen sollte, wurde diese Zeitbarriere heute technologisch überwunden. Kauf‐Reiz und Kauf‐Reaktion sind unmittelbar, sozusagen vom Gehirn direkt in den digitalen Supermarkt. Doch damit nicht genug, denn die wahre Kunst in der Beeinflussung von Kaufprozessen liegt in der validen Prognose zukünftiger Bedürfnisse, in der Nachverfolgung des Konsumenten, um ihm zur richtigen Zeit das richtige Angebot zu unterbreiten. Im Internet der Dinge gewinnt derjenige, der die Psychologie des Kunden in einen funktionierenden Algorithmus umsetzen kann. Der digitale Doppelgänger im Netz weiß, welche Bedürfnisse ein Mensch hat, der sich gerade im Online Shop eine Kiste Windeln für Babys zwischen 3 und 6 Monaten gekauft hat. Und er weiß, wie er den Käufer mit Informationen versorgt, die nicht nach Werbung aussehen. Es werden Fachartikel über Kinderkrankheiten ausgeliefert, auf Foren verwiesen, die sich mit diesem Thema beschäftigen und die rein zufällig von einem Pharmaunternehmen gesponsert werden. Natürlich hat dieses Unternehmen ein speziell für diese Krankheiten patentiertes Medikament entwickelt. Parallel dazu wird die Losgröße des Einkaufs analysiert und damit Rückschlüsse auf die Größe des Haushalts, das verfügbare Nettoeinkommen und den Lebensstil gewonnen. Der Kauf besagter Windeln ist auch für Versicherungsunternehmen interessant, denn wer möchte nicht für seinen Nachwuchs vorsorgen? Im Prinzip kann der Warenkorb, der aus dem Kauf einer Packung Windeln herausgelesen werden kann, für alle Branchen und Industrien interessant sein. Aktuell können algorithmusbasierte Verkaufsansätze aber noch keine Kunden‐Emotionen verarbeiten. In der Zukunft wird es wichtig werden, die Emotion des Kunden während der Session anhand seines Verhaltens, seiner Reaktionen zu erkennen und darauf aufbauend Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Bisher war es ausreichend Personen‐, Bewegungs‐ und Transaktionsdaten zu verarbeiten. Nun halten auch noch Emotionen, also die weichen Faktoren, Einzug. Sprach‐ und Bilderkennungsprogramme sind dabei, unsere Emotionen besser in Algorithmen abzubilden, um zu lernen, wie sie unsere Emotionen steuern können. An dieser Stelle kommt nun eine neue Wertschöpfung ins Spiel, die es zwar schon immer gab, aber die durch die technologischen Möglichkeiten große Datenmengen zu analysieren und daraus einen Algorithmus zu entwickeln, zum eigentlichen Kern der Wertschöpfung wird. Wir sprechen von Big Data und Smart Data, der intelligenten Analyse von präzisen Profilen der E‐Commerce‐Nutzer, aber auch von den Präferenzen unseres Verhandlungspartners in den B2B-Märkten. Denn auch in den B2B-Märkten spielt die Digitalisierung in Verkaufsprozessen eine zunehmend wichtige Rolle. Schließlich ist auch der Einkäufer eines Industriekonzerns gewohnt, sich im Internet über potenzielle Lieferanten, deren Bewertungen und Konditionen zu informieren. Wer allerdings das Internet lediglich als Informationsplattform sieht, der sollte sich bewusstwerden, dass das Nutzungsverhalten jedes Users präzise analysiert wird. Der Preis, den er für die erhaltene Information erhält ist, dass er sie gegen Informationen über seine Persönlichkeit eintauscht.
Während in der Vergangenheit die Direktmarketing Agenturen sich bemühten, ihren Adressbestand aktuell zu halten und zu erweitern, bekommt die Industrie heute präzise Profile für ihre Zielgruppen. Mittels Touchpoint Analysen, Targeting und Re‐Targeting Modellen u.v.m. wird die Customer Journey, die Reise des Kunden auf dem Weg zum finalen Abschluss, zum offenen Geheimnis für den Anbieter. Diese Reise, im Idealfall in einer perfekten Omichannel‐Strategie umgesetzt, wird zum optimalen Kauferlebnis on‐ und offline. Die so häufig zitierte »digital disruption« ist eine logische Konsequenz für Unternehmen, die der digitalen Ära mit Ablehnung gegenüberstehen. Früher waren die Produzenten von Waren und Dienstleistungen diejenigen, die den Vertriebsweg zum Kunden bestimmten. Heute wird das Produkt immer sekundärer. Was zählt ist die Kontrolle über den Verkaufsprozess, die unmittelbare Schnittstelle zum Markt: den Vertrieb. Der Unterschied ist: im digitalen Vertrieb ist ein Zwischenhändler nicht mehr zwingend notwendig. Komplexe und erklärungsbedürftige Produkte werden zwar nicht auf E‐Commerce‐Plattformen gekauft, jedoch findet die Vorauswahl des Herstellers sehr häufig im Netz statt. Auf diese Weise entstanden und entstehen neue Geschäftsmodelle, Wirtschaftszweige und Unternehmen, die innerhalb kürzester Zeit Milliardenumsätze generieren und von den Kapitalmärkten bestens ausgestattet werden. Verlierer sind diejenigen Unternehmen, die diese Entwicklungen ignorieren und ihnen versuchen aus dem Weg zu gehen. Manche Unternehmen haben nicht das Kapital, sich die neuen Technologien anzuschaffen, die meisten jedoch haben die Geschwindigkeit der Entwicklung unterschätzt. Manche haben die Digitalisierung und den damit einhergehenden Wandel schlichtweg verschlafen. Die digitale Revolution hat viele Geschäftsmodelle, die vor einigen Jahren noch satte Gewinne einfuhren, einfach aufgelöst und ins Digitale verschoben. Besonders ehemalige Marktführer scheinen an der Trägheit des eigenen Erfolgs zugrunde zu gehen. Zu spät erkannten sie, dass das, was in der Vergangenheit immer gut funktionierte, nun plötzlich keine Umsätze mehr bringt. Unabhängig davon, wie gut die Produkte sind, wie exzellent der Service funktioniert und wie gut ausgestattet der After Sales Service ist, am Ende zählt nur eines: der Kontakt zum Kunden – oder die Customer Centricity. Daher ist es überlebenswichtig, die Kontrolle über den Verkaufsprozess nicht zu verlieren. Der klassische Verkaufsprozess, wie wir ihn auch heute noch in den meisten Unternehmen kennen, stützte sich auf gut abgestimmte Interaktionen vom Erzeuger bis zum Endkunden. Diese Interaktionen waren durch Vereinbarungen geschützt, die zwischen Partnern persönlich vereinbart und in Verträgen manifestiert wurden. Es entstand eine Art individueller Schutz für jedes Mitglied in dieser Prozesskette, da sich jeder darauf verlassen konnte, dass sein Partner nicht in das eigene Geschäftsmodell eindringt. Gegenseitige Abhängigkeiten und die Konzentration auf seinen Teilbereich im Prozess klärten die Arbeitsteilung. Wobei der Vertrieb immer eine sensible Rolle spielte, da er letztendlich für die Umsetzung von Waren und Dienstleistungen in Umsatz und Gewinn verantwortlich war. Genau an dieser Stelle setzt nun die Digitalisierung den Hebel an. E‐Commerce kann den Vertriebsprozess zerstören und spreizt sich zwischen Hersteller und Kunden. Kill the Middleman – das war der Slogan, der den Beginn des Online‐Handels begleitete. Erzeugern wurde der direkte Zugang zum Endkunden ermöglicht und der Zwischenhändler hatte das...