Mit dem Begriff der „Kommunikation“ wird, gemäß Definition, die „Verständigung zwischen Menschen“ und die „Übermittlung von Information“ (Drosdowski 1987, S.238) bezeichnet. Die Menschen kommunizieren also, um sich zu verständigen. Was bei Kommunikationsprozessen herauskommt, ist häufig jedoch alles andere als Verständigung. Die Gründe hierfür können die verschiedensten Ursachen haben: sie reichen von unterschiedlichen Kommunikationsstilen, über Perspektivendivergenzen, bis hin zu Beziehungsstörungen der beteiligten Kommunikationspartner.
Im ersten Teil des Kapitels wird eine Definition des Kommunikationsbegriffes in organisationalen Kontexten vorgestellt.
Im nächsten Abschnitt wird die spezielle Situation der Interaktion an der Schnittstelle zwischen Ökonomie und Medizin in einem universitären Großkrankenhaus beschrieben. Darüber hinaus sollen relevante Anforderungen an die Akteure im Hinblick auf die Bewältigung derart komplexer Kommunikationsbeziehungen herausgearbeitet werden.
Anschließend werden theoretische Grundlagen in Bezug auf die Kommunikation zwischen Experte und Laie erarbeitet. Einer der wichtigsten Faktoren für das Gelingen von Kommunikation zwischen unterschiedlichen Berufsgruppen bzw. Disziplinen, ist eine laiengerechte Aufbereitung und Versprachlichung von Fachwissen. Während interdisziplinären Interaktionsprozessen wechseln die Akteure dabei permanent zwischen der Rolle des Experten und der des Laien. Im Rahmen dieser Ausführungen werden verschiedene, relevante Veranschaulichungsverfahren des Mediziners als Experte vorgestellt und auf den Bereich der Kommunikation zwischen Mediziner und Ökonom übertragen. Auf diesem Abschnitt aufbauend werden danach wichtige Aspekte in Bezug auf Perspektivendifferenzen als Ursache von Kommunikationsstörungen vorgestellt.
Den Abschluss des Kapitels bilden zusammenfassende Überlegungen zu Gründen für Verständigungsprobleme und kommunikative Barrieren auf Basis der vorherigen theoretischen Ausarbeitungen.
Der Zeitaufwand, den Führungskräfte verschiedenster Fachrichtungen mit kommunikativen Aktivitäten in Organisationen zu bringen, macht heute einen Großteil des Arbeitsaufkommens aus. Auf 60-80% schätzt Theis den Anteil bei Managern (Theis 1994, S.141). Einen noch höheren Wert nennt Susan Göldi bei ihren empirischen Untersuchungen in Bezug auf das Kommunikationsverhalten von Ingenieuren (vgl. Jakobs 2005, S.7). Zunächst sagen diese Daten nichts anderes aus, als dass Kommunikation in Unternehmungen für den Großteil aller in ihr wirkenden Berufsgruppen für die Bewältigung der Arbeitsaufgaben notwendig, essentiell und unabdingbar ist. Aber was ist dabei eigentlich genau mit Kommunikation gemeint?
Die überwiegende Mehrzahl der Arbeiten zur Unternehmenskommunikation bezieht sich auf die transferorientierte, klassische Definition von Kommunikation. Demgemäß ist Kommunikation Bedeutungs- oder Informationsvermittlung von einem Sender zu einem Empfänger (vgl. Theis 1994, S.142). Darüber hinaus geht es in organisationalen Kontexten darum, Informationen möglichst störungsfrei und effizient, also unter in Anspruchnahme möglichst weniger betrieblicher Ressourcen in Form von kognitivem Aufwand, Zeit und Geld von einer Stelle an die andere zu befördern. Definitionsgemäß gilt Kommunikation im Unternehmenskontext dann als effizient, wenn „der Sender seine, mit dem Unternehmensziel übereinstimmende, Absicht realisieren kann und der Empfänger folglich den Intentionen des Senders nachgibt“ (Theis 1994, S.142).
Derartige Auffassungen von kommunikativen Abläufen in Organisationen sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten. Vielmehr scheint es realistischer zu sein, anzunehmen, dass die Kommunikationspartner während der Interaktion unterschiedliche Bedeutungszuschreibungen vornehmen. Kommunikation wird in diesem Sinne nicht als Informations- sondern als Symbolvermittlung verstanden. Symbole sind dabei Zeichen, die einen Gegenstand, ein Ereignis oder einen Zustand repräsentieren. Durch die Übermittlung von Symbolen sollen beim Empfänger ähnliche Bedeutungszuschreibungen hervorgerufen werden, wie dies die Symbole beim Sender selbst tun. Doch selbst wenn ein ähnlicher Zeichenvorrat gegeben ist, kann daraus nicht auf identische Assoziationen geschlossen werden. Die Bedeutungszuschreibungen in Bezug auf die übermittelten Symbole hängen vielmehr von dem jeweiligen Erfahrungskontext ab, in dem sie erworben und verwendet werden. Diese veränderte Definition des Kommunikationsbegriffes verlagert den Schwerpunkt auf den Interpretationsaspekt. Mit steigender Unternehmensgröße sinken dabei die Chancen einer organisationsweiten kongruenten Bedeutungszuschreibung. Nach Theis lässt sich ein nicht zu vernachlässigender Teil interner Kommunikationsprobleme auf unterschiedliche, ausbildungs-, berufs- und tätigkeitsspezifische Orientierungs- und Interpretationsmuster zurückführen (vgl. Theis 1994, S.144). Auf die daraus resultierenden Kommunikationsprobleme wird im weiteren Verlauf des Kapitels noch näher eingegangen. Zunächst soll jedoch der Prozess des Verstehens und der Verständigung grundlegend charakterisiert werden, da dieser Aspekt von zentraler Bedeutung für die Identifizierung von kommunikativen Barrieren im empirischen Teil der Arbeit ist.
Übereinstimmende Bedeutungszuschreibungen bzw. Verstehen zu erreichen, ist primäres Ziel beruflicher Interaktionsprozesse. Verstehen und damit Verständigung ist die Voraussetzung, um Arbeitsprozesse zu koordinieren, Handlungen herbeizuführen und Wissen zu transferieren. Missverständnisse und Unverständnis können dagegen zu Effizienzverlusten und Ressourcenverschwendung im Unternehmensalltag führen. Um die bestehenden kommunikativen Barrieren, die bei interprofessioneller Kommunikation auftreten, in einen kausalen Zusammenhang bringen zu können, ist es nötig, vorab ein grundlegendes Verständnis für den Vorgang des Verstehens aufzubauen. Aufgrund der Komplexität des Prozesses, v.a. in mentaler und kognitiver Hinsicht, bleiben die Ausführungen an der Oberfläche.
Das Verstehen eines Textes durch den Rezipienten ist, wie das einer mündlichen sprachlichen Äußerung, bei einer verständigungsorientierten kommunikativen Handlung primäres Ziel. Erst wenn der Textproduzent annehmen kann, dass sein Text vom Rezipienten verstanden worden ist, kann er den Verständigungsprozess als gelungen betrachten (vgl. Rickheit 1993, S.70). Dass, was Rickheit hier für das Medium „Text“ feststellt, kann analog für mündliche Interaktionsprozesse angenommen werden.
Für diese Arbeit ist es nicht bedeutsam zu klären, wann Verstehen anfängt und wann es aufhört. Festgehalten werden soll zunächst nur, dass der Hörer zum Verstehen einer Äußerung wenigstens einige der vom Sprecher produzierten Wörter oder Lexeme erkennen muss. Dieses Erkennen ist wiederum stark abhängig vom Verstehen der ganzen Äußerung. Beim Versuch, den Vorgang des Verstehens zu erklären, muss also damit gerechnet werden, dass bottom-up-Prozesse (Input, Äußerungen des Sprechers) mit top-down-Prozessen (dass, was durch Wissen, Können und Erwartungen des Hörers mit einfließt) in Interaktion treten (vgl. Hörmann 1980, S.18). Dieser Überlegungen werden im Zuge der Ausführungen über die Kommunikation zwischen Experte und Laie, und die damit verbundenen Kommunikationsprobleme durch die Verwendung unterschiedlicher Sprachmuster und Fachtermini weiter vertieft.
Eine Äußerung zu Verstehen, heißt eine innere Repräsentation der linguistischen Struktur der betreffenden Äußerung aufbauen zu können. Verstehen wird dabei gleichgesetzt mit der Erfassung der linguistischen Struktur und der Tiefenstruktur. Zum Verstehen gehört also ein Hinausgehen über die linguistische Struktur. Verstehen ist nach dieser Ansicht nur möglich, wenn darüber hinaus auch die Intention des Sprechers erfasst wird (vgl. Hörmann 1980, S.20f.). Dies ist, insbesondere im Rahmen der Betrachtung interdisziplinärer Kommunikationssituationen ein interessanter Aspekt. Denn aufgrund der divergierenden Perspektiven auf einen zu kommunizierenden Gegenstand, stehen die Kommunikationspartner vor der permanenten Aufgabe, das Gesagte des Gegenübers in einen intentionalen Zusammenhang bringen zu müssen, der in der Regel nicht kongruent zu eigenen Anschauungen ist.
Der Adressat einer Äußerung muss außerdem eine Vielzahl weiterer Prozesse realisieren, um einen geäußerten Sachverhalt verstehen zu können:
der Adressat muss das, was in der Äußerung thematisiert ist, Referenz und Prädikation, den propositionalen Gehalt verstehen;
er muss verstehen, wieso eine Äußerung in der jeweiligen ganz bestimmten Formulierung vorgebracht ist;
er muss verstehen, mit welcher Begründung der propositionale Gehalt geäußert ist;
er muss den illokutionären Aspekt der Äußerung, also zu welchem Zweck die Äußerung hervorgebracht wird, verstehen;
er muss verstehen, mit welcher Berechtigung/Begründung der...