1.1 Der Lehrerberuf
Der Beruf eines Lehrers gehört zu den anspruchsvollsten und schönsten. Er verlangt sehr viel Einfühlungsvermögen und Einsatz von Ihnen. Und er kann Ihnen umso mehr an Zufriedenheit und Freude schenken, je besser es Ihnen gelingt, mit sich und mit den Menschen umzugehen, mit denen Sie es als Pädagoge zu tun haben. Um zu erkennen, in wieweit Ihre persönliche Eignung für diesen Beruf gegeben ist, wird Ihnen dieses Kapitel behilflich sein.
Warum ist eine gute Eignung für diesen Beruf so wichtig?
Der Entschluss zu Studium und Ausbildung als Pädagoge gehört vor seiner Verwirklichung auf den Prüfstand, weil zahlreiche Erzieher und Lehrer leider zu spät feststellen, dass sie mit ihrem Beruf nicht glücklich werden. Und ihre Schüler leiden mit und unter ihnen. Frust auf beiden Seiten mindert die Lernfreude der Heranwachsenden und die Freude an der Berufsausübung beim ungeeigneten Lehrer. Je kritikfreudiger die Jugendlichen sind, umso heftiger zeigen sie ihre Ablehnung gegenüber einem Pädagogen, dem sie sich mehr ausgeliefert fühlen als von ihm angenommen und verstanden. Solche Kritik ist umso schmerzhafter, je deutlicher sie auf den Kern der Erzieherpersönlichkeit gerichtet ist. Ein davon betroffener Pädagoge aber leidet darunter heftig. Sich dagegen zu wehren, verbessert die Lage nicht. Machen Sie sich deswegen vorbeugend so früh wie möglich die Beweggründe für Ihre Berufswahl bewusst.
Warum wollen Sie überhaupt Lehrer werden?
Haben Sie womöglich ein Fach studiert, das Ihnen nur als Pädagoge ein sicheres Einkommen verspricht? Oder ist Ihr Examensergebnis so unbefriedigend, dass Sie vermuten, damit nur noch in Schulen eine Anstellung zu finden? Ist also Ihre berufliche Orientierung vielleicht eine Verlegenheitslösung?
Oder empfinden Sie den Lehrerberuf aufgrund äußerer Bedingungen als besonders attraktiv? Pädagogen erwarten ja hierzulande viele berufliche Anreize.
Dazu gehören eine sichere Anstellung, gute Bezahlung und Beihilfen, viel Freizeit und Ferien, große Spielräume bei der Zeitdisposition außerhalb der Betreuungs- bzw. Unterrichtszeiten, Aufstiegs- bzw. Beförderungschancen und schließlich die sichere Rente bzw. gar Pension.
Sind es etwa solche Vorzüge, die Ihre Berufswahl für den „sicheren, gut bezahlten Job“ entscheidend bestimmen?
WARNUNG 1:
Falls äußere Gründe wie die eben beschriebenen für Ihre Berufsentscheidung maßgeblich sind, bestehen große Zweifel an deren Tragfähigkeit im Hinblick auf die Anforderungen des Lehrerberufs.
Welche Anforderungen stellt der Lehrerberuf an Sie?
Ist denn der Lehrerberuf wegen der Vielzahl von über das Unterrichten hinausgehenden beruflichen Pflichten für Sie überhaupt attraktiv? Korrekturen, Beurteilungen, Elterngespräche, Organisation und Begleitung von Fahrten, Fachexkursionen und Berufspraktika, Aufsichten und Vertretungen, Konferenzen, Beschwerde- und Konfliktmanagement, neuerdings erheblich angestiegene Rechtfertigungs- und Dokumentationspflichten: Das alles sind zeitaufwendige und beschwerlichen Tätigkeiten, die neben dem Unterricht auf Sie zukommen. Deren Bewältigung führt zu mehr Anstrengung als Freude.
Überlegen Sie bitte gründlich:
Könnte es sein, dass Sie sich als Lehrer durch Aufgaben, Vorschriften und Bedingungen eingeengt und irgendwann überlastet fühlen?
Eine große Zahl von Berufspädagogen leidet nämlich unter Kräfte zehrenden Rahmenbedingungen, denen sie sich ausgeliefert fühlen.
Solche Belastungen können z.B. sein
• laute, verhaltensauffällige oder lernunwillige Schüler,
• anspruchsvolle und streitbare Eltern,
• ein wenig harmonierendes Kollegium,
• eine zu schwache oder zu starke Schulleitung oder
• ausufernde Bürokratie.
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Wenn darunter leidende Lehrer einen Ausweg sähen, würden sie dem drohenden Burn-out [12] doch lieber entkommen. Etliche fliehen als mentale Frühpensionäre in den „inneren Vorruhestand“. Andere bestrafen ihre Schüler und Mitmenschen in der als unangenehm empfundenen Umgebung mit Unzufriedenheitsäußerungen und schlechter Laune. - Halten Sie sich für stark genug, sich auch von widrigen Umständen nicht entmutigen zu lassen?
Frustrierte Lehrer sind Ihnen, lieber Leser, wahrscheinlich während Ihrer eigenen Schulzeit ebenso begegnet wie solche, die ihre pädagogische Freiheit als Freibrief für Schlechterfüllung ihrer Pflichten oder für die maßlose Nutzung unterrichtsfreier Zeit als Freizeit missbraucht haben. Solche Lehrer haben Sie in deutlicher, aber unguter Erinnerung. Denen wollen Sie gewiss nicht nacheifern.
Fragwürdige Wunschvorstellungen
Aber sind Sie sich als angehender Lehrer sicher, dass Ihre Wunschvorstellungen vom Lehrerberuf die Wahrnehmung der Anforderungen nicht überdecken, die dieser Beruf an Sie stellt? Ist Ihnen bewusst, dass Sie, um als Lehrer erfolgreich zu sein und sich wirklich wohlzufühlen, unsäglich viel Kraft, Zeit, Einfallsreichtum und Idealismus brauchen? Dazu noch eine Vielzahl von spezifischen Eigenschaften, Einstellungen und Fähigkeiten? Werden Sie sich mit den Ratschlägen und Übungen dieses Buches dem gewachsen fühlen? Dafür ist es geschrieben.
Manche erwachsen gewordenen Kinder möchten es auf jeden Fall besser machen als ihre Eltern. Auch manche angehenden Pädagogen möchten es besser machen als die Lehrer, die sie als ungut empfunden haben. Aber die meisten erinnern sich auch an manchen vorbildlichen Lehrer, dem sie nacheifern möchten.
Etwas besser machen zu wollen als andere, ist kein berufsspezifisches Motiv. Es ist eher Ausdruck von Ehrgeiz und Anstrengungsbereitschaft. Bei Lehrern bekommt es unter Umständen den faden Beigeschmack vom Hang zu Besserwisserei. Erkannte Fehler nicht wiederholen zu wollen, ist gewiss hilfreich und gut, aber natürlich nicht hinreichend, um als Pädagoge erfolgreich und glücklich zu werden.
12 | „Burn-out“ ist ein krankhafter Zustand lähmender Erschöpfung mit dauerhaft herabgesetzter Leistungsfähigkeit. - Zu den gesundheitlichen Risiken des Lehrerberufs vgl. die beiden im Literaturverzeichnis auf S. 332 erstgenannten Artikel von Joachim Bauer. |
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Auf den Lehrer kommt es an
Fehler besonders schnell zu entdecken, mag ja eine berufstypische Eigenschaft von Lehrern sein. Aber zufrieden können sie erst sein, wenn sie erkannte Fehler für sich und andere zum Lernen zu nutzen vermögen. Halten Sie, lieber Leser, denn Fehler [13] eher für ein Missgeschick oder für eine Lerngelegenheit?
Erinnern Sie sich an die Namen Ihrer besonders geschätzten Lehrer und deren Fächer? Und umgekehrt an Namen und Fächer von Lehrern, die Sie als sehr unsympathisch empfunden haben? Können Sie dabei nachvollziehen, dass Ihre Bewunderung bzw. Ablehnung für diese Lehrkräfte sich in der Beliebtheit bzw. Unbeliebtheit der von jenen unterrichteten Fächern gespiegelt hat? Offenbar hat die Wertschätzung des Lehrers unmittelbaren Einfluss darauf, wie gern und erfolgreich...