Lernen in Familien ohne Schule und sein Hintergrund
1. Freiheit für Bildung
Worum geht‘s?
Die andere Pädagogik des Homeschooling oder britisch »Home Education« ist ein alternatives, flexibles und manchmal sogar einzig mögliches Bildungskonzept für vielfältige, ganz konkrete Sonderfälle.
Im Mittelpunkt der Öffnung des Bildungsmarktes muss die Freiheit des Menschen und der Familie stehen, die in der Bildungsgesetzgebung unserer Nachbarländer wesentlich intensiver und weitreichender unterstützt wird. Alle europäischen Nachbarn respektieren das in der europäischen Menschenrechtskonvention festgeschriebene Recht der Eltern, die Bildung ihrer Kinder zu bestimmen. Gewaltfreie Bildung als altes Recht muss in unserem Land eine neue Möglichkeit der Verwirklichung erhalten.
Europäisch wollen wir sein?!
Insbesondere auch Artikel 2 des Zusatzprotokolls dieser Konvention wurde von Deutschland unterzeichnet. Daher ist über kurz oder lang die rechtliche Praxis gegenüber Homeschooling in Deutschland im europäischen Vergleich unhaltbar. Sie steht leider im Missklang zur legislativen Umsetzung der Menschen- und Bildungsrechte der anderen Europäer. Fast alle Länder Europas und sämtliche englischsprachigen Länder der Welt haben explizite Regelungen für Schulbildung in Familien, also außerhalb des Regelschulsystems getroffen. Hierzulande wird Eltern dienstbeflissen ihr Sorgerecht genommen oder sie werden zur Asylsuche im Ausland gezwungen. Dabei hätte es bei uns wenigstens schon einmal eine wissenschaftliche Forschung geben können, die dazu berechtigte, sich ein Urteil über Erfolg oder Misserfolg dieses Bildungswegs zu erlauben. Internationale Studien und auch immer mehr deutsche Wissenschaftler bestätigen die Vorteile des Lernens im geeigneten Elternhaus. Alle Studien belegen den Erfolg des Lernens zu Hause in punkto Leistung, Sozialisation und politischem Engagement in der Gesellschaft.
Bei der anstehenden Novellierung des Bildungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen und in anderen Bundesländern sind qualitative Veränderungen dringend geboten. Allerdings kann damit nicht noch mehr Bürokratie, mehr Befehl und womöglich undifferenzierter Anwesenheitszwang in einer ausschließlich staatlich diktierten Schule gemeint sein. Ein novelliertes Bildungsgesetz muss zunächst von seiner alten Gleichsetzung Schulbesuch = Bildung befreit werden. Und auch alternative, neue Bildungsansätze in Familieninitiative (Subsidiaritätsprinzip) müssen in einem demokratischen Bildungssystem gefördert werden – oder zumindest eine Chance erhalten.
Packen wir es selbst an!
Unsere Politik kann sich angesichts der enormen gesellschaftspolitischen und finanziellen Probleme nicht erlauben, die für ihre Kinder engagierten Eltern in Deutschland zu bremsen und diese allein auf eine meist sehr eingeschränkte Mitwirkung im staatlichen Schulsystem zu vertrösten.
Ein präziseres Schulgesetz darf nicht pauschal jegliche Bildungsform außerhalb des Schulgebäudes oder auch ohne staatliche Lehrkräfte verbieten, um eine bestimmte Art von »Verweigerern« zu treffen. Es geht Homeschoolern nicht um die Verweigerung von Bildung und Gesellschaft, sondern ganz im Gegenteil um die Verbesserung derselben durch individuelles, beziehungsintegratives und familiär eingebettetes Lernen.
Der Weg zur Bildung in engagierten Familien sollte staatlich begleitet und gefördert werden, wenn vergleichbare Leistungen und Ziele erreicht werden und es dem Wunsch des Kindes entspricht und seinem Wohl dient.
Ein aus verschiedenen Gründen häufig diskutierter Zwang zum Schulbesuch mit seinen Durchsetzungsmaßnahmen ist pädagogisch und politisch ungeeignet, die vermeintlich betroffenen gesellschaftlichen Probleme (Bildung, staatliche Schulaufsicht, Integration, familiäre Vernachlässigung) zu lösen.
Runter von der Bremse!
Politiker treten ab, um ihre »Macht gegen Freiheit« einzutauschen. Die wenigen deutschen Homeschooler haben leider keine Macht, um sie gegen Freiheit zu tauschen. Aber sie haben Engagement, das sie für Freiheit einsetzen können. Nach dem Motto »Du bist Deutschland! Geht runter von der Bremse! Frag nicht, was andere für dich tun…« werden sie als aktive Teile der Gesellschaft mitwirken, im Bildungssystem so viel Vorgaben wie nötig und soviel Freiheit wie möglich festzuschreiben.
Die afro-amerikanische Rosa Parks, die heute zu den bedeutendsten Bürgerrechtlern weltweit zählt, blieb einst in einem Bus in Montgomery mutig auf ihrem Platz sitzen, als sie vom weißen Busfahrer aufgefordert wurde, ihn an einen Weißen abzutreten. Alles hat einmal einen kleinen Anfang und das zunächst Undenkbare braucht irgendwann seinen Mut um durchzubrechen.
Alles, auch unsere Schul- und Bildungsgesetze, die uns dienen sollen, müssen ständig hinterfragt und gegebenenfalls sach- und zeitgemäß angepasst werden. Der Weg zur Bildung muss wieder dezentralisiert und auch familiär ermöglicht werden. Die Entwicklung und die Lernerfolge unseres Nachwuchses müssen hingegen transparenter und vergleichbarer werden, natürlich auch bei den Homeschoolern in Deutschland.
Die staatliche Schulaufsicht ist eine Mitverantwortung. Sie darf nie wieder zur Instrumentalisierung der Schulpflicht missbraucht werden. Die allgemeine Schulpflicht bleibt wie in den anderen Ländern bestehen und für sinnvolle Ausnahmen muss gesetzlich angemessen differenziert werden.
Summa Summarum
Kreativität braucht ihre Freiheit, wenn sie auch erfahrungsgemäß nur von Wenigen in Anspruch genommen wird. Zu sinnvollen Veränderungen sind gute Vorbilder nötig. Zahllose Studien beweisen den besseren Erfolg und die Zufriedenheit der frei lernenden Kinder im Vergleich zu Regelschulkindern. Nie kommt es zu Vernachlässigungen. Und wenn es ganz selten zu Einschränkungen oder wie überall gar zu Leid kommt, darf dieser Bildungsweg für unser Land nicht verbaut werden. Man kann ja auch nicht allen Autofahrern die Autobahn verbieten, nur, weil es dort gelegentlich zu einem Unfall kommt.
Homeschooler wollen in Deutschland, was sie als Familien auch in anderen Ländern dürfen. Wer die Familien in unserer Initiative kennt, kann nicht mehr verstehen, warum solche Familien einen Tag länger bestraft und verfolgt werden müssen. Die 7-jährige Karlina äußert spontan ihren Wunsch an die Politiker: »Homeschooling muss es geben! Das sollen sie in das neue Gesetz schreiben«.
2. Bildung und Schulpflicht
Bei allen Vorteilen für Unterricht in Eigeninitiative der Eltern bleibt die Frage offen, warum sich die Deutschen mit einer Legitimation so schwer tun und ein Problem mit der Abschaffung des Schulnutzungszwangs zugunsten einer Bildungspflicht zu haben scheinen. Fast alle europäischen Staaten haben bereits alle Möglichkeiten der Bildung, inklusive die ohne Schule.
Es drängt sich bei dieser Frage der Gedanke auf, die Gründe hierfür in der speziell deutschen Geschichte (Zwei Weltkriege und drei Kulturrevolutionen im vergangenen 20. Jahrhundert) zu suchen.
Genesis – Wie alles anfing
Vor dem ersten Weltkrieg war Schule eine Errungenschaft des christlichen Abendlandes, in dem vor allem der evangelische Klerus das Bibelwissen und die Tugenden gefördert sehen wollte. Aber schon bald wurde von den Regierenden erkannt, wie die Schule dazu genutzt werden könne, tüchtige Soldaten zu erhalten. 1919 dann wurde die Schule für alle zur Pflicht (Weimarer Reichsverfassung), allerdings nicht zum Zwang unter Strafe, schon gar nicht für gewissensbedingte Schulabsenz.
Im denkwürdigen Jahr 1923 (Geldentwertung, Einführung der Rentenmark und Putschversuch Adolf Hitlers) gründeten eifrige Kommunisten das Institut für Marxismusforschung, das später im Volksmund »Frankfurter Schule« genannt werden wollte. Aber eine andere »Kulturrevolution«, wenn man das so nennen mag, kam zuvor. Allererste Strafandrohungen bei Verletzung der Schulpflicht finden sich 19271. Hitler instrumentalisierte die Schule für den Nationalsozialismus, schaffte sogar sämtliche Privatschulformen ab und forderte alle Kinder und Jugendlichen mit dem Reichsschulgesetz von 1938 in die Obhut des Staates ein. Um das staatliche Bildungsmonopol zu erlangen und zu missbrauchen, rechtfertigt Hitler wie folgt: »Die körperliche Ertüchtigung ist daher im völkischen Staat nicht eine Sache des einzelnen, auch nicht eine Angelegenheit, die in erster Linie die Eltern angeht, … sondern eine Forderung der Selbsterhaltung des durch den Staat vertretenen und geschürten Volkstums. So wie der Staat, was die rein wissenschaftliche Ausbildung betrifft, schon heute in das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen eingreift und ihm gegenüber das Recht der Gesamtheit wahrnimmt, indem er, ohne Befragung des Wollens oder Nichtwollens der Eltern, das Kind dem Schulzwang unterwirft, so muss in noch viel höherem Maße der völkische Staat dereinst seine Autorität durchsetzen gegenüber der Unkenntnis oder dem Unverständnis des einzelnen in den Fragen der Erhaltung des Volkstums. Er hat seine Erziehungsarbeit so einzuteilen, dass die jungen Körper schon in ihrer frühesten Kindheit zweckentsprechend behandelt werden und die notwendige Stählung für das spätere Leben erhalten«.2
Nicht aufgepasst?
»Alle nach dem letzten Weltkrieg von den Ländern erlassenen und derzeit geltenden Schulpflichtgesetze beruhen auf dem Reichsschulpflichtgesetz« vom 6. Juli 19383, stellt der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Kraft von der Universität Bielefeld in seiner Studie...