Wir können erst dann Leidenschaft spüren, wenn wir uns erlauben, ganz und gar auf unser Herz zu hören. Wie wir unsere Tiere behandeln, so sind wir zu uns selbst, zu unseren Kindern und zur ganzen Welt.
(Foto: Christiane Slawik)
Pferde und Menschen in einer modernen Welt
Mein Leben mit Pferden
B is heute wächst diese große Liebe, und ich glaube allmählich zu verstehen, was sie uns zu sagen haben. Ein Leben reicht manchmal nicht aus, um die Lebensaufgabe zu finden. Ich bin dankbar, meinen Weg endlich deutlich zu erkennen, ihn zu akzeptieren und mit ganzem Herzen dieser zentralen Leidenschaft meines Lebens zu folgen. Nicht immer wurde mir das leicht gemacht.
Es begann früh. Nicht wirklich anerkannt von meiner Familie, setzte ich meinen einzigen Berufswunsch mit 16 Jahren in die Realität um. Ich packte meine Koffer und begann etwa 200 Kilometer entfernt von meiner Heimat eine Ausbildung als Pferdewirtin.
Pferde faszinieren durch ihre unbändige Leidenschaft für Freiheit.
Schon viele Jahre vorher sah und fühlte ich, neben der schönen Seite des Pferdesports, das große Leid, das diesen wunderbaren Tieren tagtäglich zugefügt wurde. Mit zehn Jahren stand ich weinend in der Reithalle, weil ich es absolut nicht verstand, warum mein Lieblingspferd Furo wieder einmal heftig mit der Gerte geschlagen wurde. Sein Kopf war mit einem kurzen Stoßzügel festgebunden, wenn er an einem Samstag seine vierte Reitstunde hintereinander absolvieren musste. Dieses scheinbar „normale Leben“, das viele Reitschulpferde erdulden müssen, konnte ich schon damals nicht mitansehen.
Heimlich brachte ich Furo so manches Mal auf eine Koppel, damit er seine Freiheit für wenige Minuten genießen konnte. Dort tanzte er los, seinen Schweif hielt er stolz in die Höhe, reckte den Hals und drehte voller Glück seine Runden in einem Tempo, das ich ihm nie zugetraut hätte. Voller Respekt beobachtete ich den im Reitschuleinerlei langsamen, müden Gaul, wie er seine Freiheit auf der Koppel genoss. Wie er sich in wenigen Augenblicken in das Tier verwandelte, als das er eigentlich geschaffen war. Kraftvoll, edel, freiheitsliebend und empfindsam. Temperamentvoll, wenn er nicht in Zwängen steckte, die er still erduldete. Er gehörte zu jenen sanften Charakteren, die sich eher zurückziehen, als dass sie sich wehren. Auf der Koppel durfte ich sein wildes Pferdeherz spüren, diese ungebremste Leidenschaft erkennen, die das Pferd ausmachen – wenn wir sie zulassen. Wenn wir ihnen Freiheit und Raum geben, um sich zu entfalten. Ich fühlte mich Furo damals so nah wie nie einem Lebewesen zuvor. Heute weiß ich, warum.
Leidenschaft erlebten wir nur in der Freiheit unserer Gefühle
Wenn ich ihn dann in seinen Ständer zurückbrachte, in dem er angebunden bis zur nächsten Reitstunde warten musste, brach es mir regelmäßig das Herz.
Auch Furo wurde irgendwann „entsorgt“. Schon mit 14 Jahren wurde er als nicht mehr leistungsfähig zum Schlachter gefahren, nach jahrelangem treuen Dienen. Ich selbst war 15 Jahre jung, als ich nach über fünf Jahren Freundschaft von seinem Ende erfuhr. Diesen Tag vergesse ich nie, hätte ich doch damals mein Leben für ihn gegeben.
Furo hat mich geprägt. Er hat meine nicht einfache Jugend begleitet und schöner gemacht. Er war da mit seiner Sanftheit, ließ mich auf seinem Rücken reiten. Auch wenn ich manche schwer verdiente Reitstunde einfach von der 10er-Karte abstreichen ließ, damit er eine Stunde grasen oder frei laufen durfte. Er hat mir so viel Liebe und Vertrauen gezeigt, dass mein eigenes Leben dadurch um vieles leichter wurde. Seine Gefangenschaft einerseits und im Gegenzug seine Leidenschaft in Freiheit ließen mich meine eigenen Gefühle besser verstehen.
Es liegt an jedem selbst, welchen Weg er für sich wählt.
Sehr viele Pferdegeschichten folgten. Oft geriet ich auf Irrwege, die zum Weiterkommen dazugehören. Als Berufsreiterin, in den verschiedensten Ausbildungsstätten unterwegs, lernte ich viele Menschen und Pferde kennen. Das war wertvoll. Auf meinem weiteren Lebensweg als Tierheilpraktikerin und im Tierschutz lernte ich, immer genauer hinzuschauen, immer feiner wahrzunehmen und sorgsam zu hinterfragen; diese Erfahrungen bestimmten meinen Weg.
Pferde sind Seelenfreunde, die uns zu besseren Menschen machen.
Heute weiß ich, dass ich von den Pferden unendlich viel lernen durfte. Einige der ganz besonderen Persönlichkeiten werde ich Ihnen in diesem Buch vorstellen. Sie formten mich zu dem Menschen, der ich heute bin, wie ich fühle und lebe. Dafür bin ich sehr dankbar. An all dem möchte ich Sie teilhaben lassen, möchte Ihnen Bilder zeigen und Ihnen vermitteln, wie diese wunderbare Verbundenheit zwischen Mensch und Pferd uns auch das Leben als Menschen miteinander erleichtert. Pferde spiegeln so genau unsere Seele, unser ganzes Sein mit seinen verborgenen Seiten, dass es ein faszinierendes Abenteuer ist, sich selbst im Zusammensein mit ihnen zu erkunden. Ich freue mich deshalb, Sie einzuladen, mich auf einer überaus erfüllenden Reise ins Land der Pferde zu begleiten. Sie werden dadurch Ihre eigenen Pferd-Mensch-Begegnungen plötzlich mit anderen Augen betrachten können, um unendlich viel daraus zu lernen. Unsere Pferde sind die besten Lehrer, die wir haben können; wir dürfen uns glücklich schätzen, dass sie zu unserem Leben gehören und dass sie sich immer wieder auf uns einlassen. Folgen Sie Ihrem Herzen! Gemeinsam können wir die Welt ein kleines Stückchen zum Guten verändern!
Leidenschaft kennt keine Grenzen
Die Jungs in meiner Klasse nannten mich als pubertierendes Mädchen „Das Pferd“. Heute bin ich stolz darauf. Damals war ich einfach anders als die anderen. Eher komisch.
(Foto: Christiane Slawik)
Endlich ist diese verfluchte Schule aus. Nie fühlte ich mich dort wohl. Verstanden erst recht nicht. Doch es ist Mittwoch, einer der goldenen Tage in der Woche, an denen ich zu meinen Pferden darf. Zu Hause angekommen, esse ich eine Kleinigkeit, die meine Mutter für mich zum Aufwärmen bereitgestellt hat. Während des minimalistischen Pflichtprogramms an Hausaufgaben war ich in Gedanken schon lange im Stall, schaute zwischendurch verträumt auf die Bilder um mich herum und malte mir die schönsten Dinge in meinen Träumen aus. Dann kam endlich meine Zeit – rein in die geliebten Reithosen und Stiefel, auf ging es in meine kleine eigene Wohlfühlwelt. Schnell holte ich aus dem unteren Stockwerk des Hauses mein blaues Fahrrad, was sich sofort in mein Reitpferd verwandelte. Immer begrüßte ich es mit einem Streicheln. Dann schaffte ich es liebevoll über die vielen Treppen nach draußen. Es war windig und regnete. Rasch – ich bat es zu warten – lief ich in die Wohnung zurück, um meine Regenjacke zu holen. Mit einem Dankeschön fürs Warten setzte ich mich auf mein Drahtross und spornte es an. Wir genossen den Galopp bergab.
Doch der Weg war weit für eine Elfjährige. Den Weg abwärts durch das Dorf nahmen wir schnell, den Weg bergauf schafften wir dieses Mal nicht ganz bis zur kleinen Kirche. Dort musste ich immer absteigen und den restlichen Hang schieben. Mein Pferd und ich kämpften uns bergauf gegen den Regen. Gemeinsam schafften wir es, bis ich wieder auf ihm sitzen durfte. Im langsamen Trab schwitzte ich, musste viel treiben, bis wir aus dem Dorf hinaus waren. Es blitzte und donnerte, als ich endlich an der Kreuzung bei den Aussiedlerhöfen ankam. Ich verlor an Kraft, der Sturm tobte, ich musste absteigen. Ganz fest hielt ich dieses liebe blaue Fahrrad, wir mussten es gemeinsam schaffen. Doch es ging nicht weiter. Die Angst hielt mich fest. Der Sturm tobte, und ich wünschte mir nur, dass er mich nicht wegbläst. Ob es das gibt, über die Felder zu fliegen? Wo würde ich dann landen? Nein, ich klammerte mich, geschüttelt von Kälte und Angst, an mein Blechross und versuchte zu atmen. Ich lebte. Mein Ziel lag nicht weit entfernt. Ich werde nicht weggeblasen! Zwischen zwei Böen schob ich weiter, immer weiter, Meter für Meter. Der Weg war noch nie so lang. Irgendwann, nach gefühlten Stunden, erreichte ich meine ersehnte Heimat. Ein bekannter Geruch stieg auf, und ich rettete mich in den Stall. Alles war gut. Angekommen.
Echte Leidenschaft lässt alles andere vergessen
Viele Jahre lang konnten mich kein Schnee, kein Regen, keine Hitze davon abbringen, in mein eigentliches Zuhause zu fliehen. Den Stall, wo meine wirklichen Freunde wohnten. Oftmals glich der Weg einem kleinen Lebenskampf. Doch ich wurde immer belohnt von den weichen Augen meines Lieblingspferdes, von der Wärme seiner Haut und dem Geruch nach Heu und warmem Mist. Alle Sorgen waren vergessen. Hier ging es nicht um Noten, nicht um Familienstreit, sondern nur um eins: die Pferde.
So entwickelte sich eine tiefe Leidenschaft. Und ich durfte sie schon in ganz jungen Jahren fühlen. Heute lebe ich sie immer noch, und dafür bin ich dankbar. Meine Kinder...