Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die intrinsische Motivation im Studium bei Grundstudiumsstudierenden der Psychologie. Viele der im theoretischen Teil der Arbeit berichteten Untersuchungen haben gemeinsam, dass sie die intrinsische Motivation – z.B. mit Hilfe des free-choice-Paradigmas – quasi in experimentellen Settings im Labor beobachteten. Auf methodische Möglichkeiten, aber auch Schwierigkeiten, sie dagegen im Hinblick auf Alltagshandlungen wie das Bewältigen eines Studiums zu untersuchen, werde ich im folgenden methodischen Teil dieser Arbeit eingehen.
Anhand von Fragebögen sollen die Studienmotivation und verschiedene persönlichkeitspsychologische Faktoren zu einem Erhebungszeitpunkt auf ihre Zusammenhänge hin untersucht werden. Theoretischer Hintergrund ist neben der PSI-Theorie (Kuhl, 2001) die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1985a), nach der es – nach dem Grad der empfundenen Selbstbestimmung – sechs unterscheidbare Formen von Regulation gibt:
1. Intrinsische Motivation
2. Integrierte Regulation
3. Identifizierte Regulation
4. Introjizierte Regulation
5. Externale Regulation
6. Amotivation
Dabei wird ein Kontinuum der erlebten Selbstbestimmung angenommen, auf dem sich die sechs Typen lokalisieren lassen: Intrinsische Motivation ist mit dem höchsten Grad an Selbstbestimmung verbunden, Amotivation mit dem geringsten. Verschiedene Studien differenzierten zwar unterschiedlich viele Formen von Motivation, konnten aber eine solche Kontinuumsstruktur bestätigen, so z.B. für den Bereich des leistungsbezogenen oder prosozialen Verhaltens von Kindern (Ryan & Connell, 1989), für die Beziehungsmotivation im Zusammenhang mit Partnerglück (Blais et al. 1990), oder eben auch für den Bereich Motivation im Studium (Vallerand et al., 1989).
Vallerand und seine KollegInnen stellten 1989 die von ihnen entwickelte Skala zur Motivation in der akademischen Ausbildung, die Échelle de motivation en éducation (EME) vor, die – wie auch die oben genannten Untersuchungen – auf der Selbstbestimmungstheorie basiert, allerdings sieben Motivationsformen erfasst (Vallerand et al., 1989). Die Skala differenziert dabei drei Formen der intrinsischen, drei der externalen Regulation und den Typ Amotivation. Die sieben Subskalen sind: 1. Amotivation („amotivation“), 2. Externale Regulation („regulation externe“), 3. Introjizierte Regulation („regulation introjectée“), 4. Identifizierte Regulation („regulation identifiée“), 5. Intrinsische Motivation der Wissenserweiterung / Lernmotivation („intrinsèque connaissance“), 6. Intrinsische Motivation der Selbstverwirklichung („intrinsèque accomplissement“), 7. Intrinsische Motivation des Erlebens / Flow („intrinsèque sensation“). Die integrierte Regulation wurde fallengelassen, da die untersuchten Studierenden nicht zwischen „identifizierter“ und „integrierter“ Regulation unterscheiden konnten. Die EME wurde vor dem Hintergrund des französisch-kanadischen Ausbildungssystems konzipiert und kann daher möglicherweise nicht ohne Einschränkung an einer deutschen Universität eingesetzt werden.
In Anlehnung an die oben genannten Studien wurde für die vorliegende Untersuchung der Fragebogen zur Studienmotivation (FSM) entwickelt, der die verschiedenen Motivationsformen im Studium erfassen soll. Beispiel-Items sind für die intrinsische Motivation „Ich studiere Psychologie,... weil ich mich gerne in psychologische Theorien hineindenke und sie weiterspinne“, für die introjizierte Regulation „...weil ich ein schlechtes Gewissen hätte, wenn ich das Studium abbrechen würde“ oder für die Amotivation „... weil ich einfach nicht weiß, was ich sonst machen soll.“
Erstes Ziel der Diplomarbeit ist es, diesen Fragebogen zu validieren. Dazu soll zunächst überprüft werden, ob sich tatsächlich das angenommene Kontinuum auch in den Daten wiederfinden lässt. Näher beieinander liegende Motivationsformen sollten höher miteinander korrelieren als weiter entfernt liegende.
Selbstbestimmtere Formen der Motivation sollen nun mit bestimmten Variablen verbunden sein, die in ähnlichen Zusammenhängen bereits untersucht wurden und zu deren Erhebung ebenfalls ein neuer Fragebogen erstellt wurde, der Fragebogen zum Selbsterleben im Studium (FSS). Zu diesen Variablen gehören z.B. (gestiegenes) Interesse am Studium (Vallerand et al., 1989), wahrgenommene Kompetenz (Vallerand et al., 1989; Harackiewicz, 1979), Autonomieerleben (Deci & Ryan, 1987), Kreativität, kognitive Flexibilität (McGraw & McCullers, 1979). So gibt es viele Studien, die einen Zusammenhang von Kreativität und Selbstbestimmung nachweisen konnten (z.B. Sheldon, 1995; Koestner et al., 1984; Amabile, 1983; Mumford & Gustafson, 1988). Sheldons These, dass soziale und / oder intrapsychische Zwänge den Zugang zu den eigenen kreativen Ressourcen unterminieren können, wird ebenfalls von einer Osnabrücker Untersuchung zu Neurotizismus, Selbststeuerung und Kreativität gestützt (Biebrich & Kuhl, 2002). Kognitive Flexibilität kann als eine für den Lernprozess und –fortschritt wichtige Kompetenz angesehen werden, denn letztlich baut auf ihr die Fähigkeit zum Wissenstransfer auf. Stark und Mandl (2000) weisen darauf hin, dass das Transferproblem, das häufig traditionellen Instruktionsmethoden in Schule und Universität angelastet werde, nicht zuletzt stark mit Motivierungsproblemen zusammenhänge. Motivierungsprobleme könnten dabei sowohl Ursache als auch Konsequenz von Transferproblemen sein (Stark & Mandl, 2000). Winteler betont, dass eine Lernumgebung, die durch das Prinzip der Authentizität bestimmt ist und somit den Wissenstransfer erleichtern sollte, ebenfalls motivationsförderlich wirkt (Winteler, 2000). Deshalb soll in dieser Studie auch an Beispielen der Wissenstransfer als Indiz für kognitive Flexibilität erhoben werden. Weniger selbstbestimmte Motivationsformen sollen verbunden sein mit mehr Stress im Studium, Ängstlichkeit, Nihilismus, Konzentrationsschwierigkeiten, Unzufriedenheit und Gedanken, das Studium abzubrechen (Vallerand et al., 1989; Deci & Ryan, 1985a).
Diese Faktoren, die das Selbsterleben und den Umgang mit Schwierigkeiten im Studium prägen und die mit dem FSS erhoben werden sollen, sollten außer von der Motivationsform auch zu einem gewissen Grad von der Ausprägung des Leistungsmotivs und seiner bevorzugten Umsetzungsform abhängen.
Die Frage, ob Lebensphase und Geschlecht einen Einfluss auf die Motivationsform haben, soll in einem zweiten Schritt untersucht werden. Bezüglich der Lebensphase, womit gemeint ist, ob der / die Betreffende bereits vor dem Studium eine Ausbildung gemacht hat oder anderweitig erwerbstätig war im Unterschied zu Studierenden, die direkt von der Schule kommen, könnten bei letzteren eher fremdbestimmtere Formen der Motivation vermutet werden. Verschiedene Studien zeigen, dass im bundesdeutschen Schulsystem gerade die extrinsische Motivation „antrainiert“ wird, weshalb diese Motivationsform bei Schulabgängern womöglich noch verstärkt als normal empfunden wird. So beobachteten Köller et al. (1998) bei Schülern der siebten Jahrgangsstufe über die Zeitdauer eines Jahres allein eine prägnante Entwicklung weg von der Aufgabenorientierung hin zur Ichorientierung, wohingegen die entgegengesetzte Entwicklung quasi nicht vorkam. Auch Wild und Remy (2002) weisen darauf hin, dass bei Kindern bereits gegen Ende der Grundschulzeit die intrinsische Motivation zugunsten von fremdbestimmteren Motivationsformen nachlässt (vgl. auch Stark & Mandl, 2000). Diese Befunde deuten an, dass neben Faktoren im Elternhaus v.a. auch Sozialisationsbedingungen in der Schule dazu beitragen, die intrinsische Motivation nach und nach zu verdrängen. Bei vormals berufstätigen Studierenden kann dagegen vermutet werden, dass zumindest bei einem größeren Anteil von ihnen eine stärker reflektierte Entscheidung zum Verlassen der eingeschlagenen Bahn und ein Überwinden größerer Hindernisse nötig war, und dass somit die Entscheidung fürs Studium stärker aus den persönlichen Wünschen und Zielen unterstützt wird. Letztlich aber ist die Beziehung von Lebensphase und Motivationsform eine offene Frage, da hierzu noch keine Untersuchungen vorliegen.
Es soll weiterhin untersucht werden, ob es einen Zusammenhang von Geschlecht und Motivationsform gibt in der Art, dass Frauen evtl. häufiger selbstbestimmtere und Männer häufiger fremdbestimmtere Motivationsformen zeigen. Ein Befund, der in diese Richtung deutet, stammt aus der Studie zur Entwicklung der General Causality Orientations Scale (GCOS) von Deci und Ryan (1985b), in der die Kausalitätsorientierung von 234 männlichen und 278 weiblichen Studierenden untersucht wurde. Es zeigte sich, dass Frauen signifikant höhere Werte auf der Skala „Autonomie-Orientierung“ hatten und Männer signifikant höhere Werte auf der Skala „Kontroll-Orientierung“. Da diese Differenzen allerdings relativ gering ausfielen und es sich bei der GCOS um einen Fragebogen handelt, der Situationen aus sehr unterschiedlichen Lebensbereichen zur Beurteilung vorlegt, kann eine Hypothese zu Geschlechtsunterschieden in der Motivation im Studium nur sehr vage...