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Selbstbestimmte Lebensgestaltung für Menschen mit Behinderung mit Hilfe des Persönlichen Budgets

Eine qualitativ-empirische Untersuchung aus Sicht der ExpertInnen von Einrichtungen der Behindertenhilfe in Österreich

AutorAnja Pölzl
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl170 Seiten
ISBN9783640861279
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Pädagogik - Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Note: Sehr Gut, Universität Wien, Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit der Forschungsfrage, inwiefern das Persönliche Budget aus Sicht der ExpertInnen von Einrichtungen der Behindertenhilfe in Österreich Selbstbestimmung und Partizipation von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft ermöglicht. Im theoretischen Teil wurden die für die Arbeit zentralen Begriffsbestimmungen und Grundlagen des Persönlichen Budgets erarbeitet und es wurde ermittelt, wie weit die Umsetzungen der Modelle des Persönlichen Budgets in Schweden, den Niederlanden, Großbritannien, Deutschland und Österreich vorangeschritten sind. Die vorgestellten internationalen Modelle zeigen positive Erfolge in der Realisierung von Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Partizipation im Alltagsleben der BudgetnehmerInnen durch das Persönliche Budget. Im deutschsprachigen Raum kommen jedoch die praktischen Erprobungen der Modelle nur sehr langsam voran. Ebenso steckt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Themenbereich noch in den Kinderschuhen. Dies führte zu der Entwicklung eines qualitativen Forschungsdesigns, um die Umsetzung des Persönlichen Budgets in Österreich besser erfassen zu können. Infolgedessen wurden mit sechs ExpertInnen ausgewählter Einrichtungen der Behindertenhilfe aus Wien ExpertInneninterviews durchgeführt. Die Interviewauswertung erfolgte nach der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring. Die Resultate in Bezug auf die Forschungsfrage haben gezeigt, dass nach Einschätzung aller interviewten Fachleute das Instrument des Persönlichen Budgets in sehr hohem Maße dazu geeignet ist, Selbstbestimmung und Partizipation für Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft zu ermöglichen. Das Persönliche Budget stellt nach Angabe der befragten ExpertInnen eine sinnvolle Leistung und eine sehr gut geeignete Möglichkeit für Menschen mit Beeinträchtigung dar, um eine selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu erreichen.

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Leseprobe

II. EINORDNUNG DER BEGRIFFLICHKEITEN


 

Um den LeserInnen einen Einstieg in das Thema „Selbstbestimmte Lebensgestaltung für Menschen mit Behinderung mit Hilfe des Persönlichen Budgets“ zu ermöglichen, beschäftigt sich dieses Kapitel mit der Einordnung zentraler Begriffsbestimmungen. Es erfolgt zuerst eine Beschreibung und Definition des PBs sowie des Rehabilitationsbegriffs. Im weiteren Verlauf werden die Begriffe Selbstbestimmung und Partizipation, die mit dem PB im Kontext stehen, expliziert.

 

1. Das Persönliche Budget


 

Beim PB handelt es sich um eine Geldleistung, die Personen mit einem Bedarf an Partizipationsleistungen, anstatt einer trägerspezifischen, fest definierten Betreuungs-, Eingliederungs-, Dienst- oder Sachleistung beziehen können (vgl. Conty 2005, S. 6; Evers-Meyer 2008, S. 3; Trendel 2008, S. 13). Exemplarisch kann das ein Platz im Wohnheim, ein Arbeitsplatz in einer Werkstätte für Menschen mit Behinderung (WfbM) oder eine Pflegeleistung sein. Dieser Geldbetrag wird direkt auf das Konto des/der BudgetnehmerIn überwiesen und soll so bemessen sein, dass der individuell festgestellte Bedarf zur Lebensführung gedeckt wird und die erforderlichen Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen erfolgen können (vgl. WIR 2005, S. 8).

 

Der Begriff Budget impliziert u.a. den Aspekt der Planung bzw. Planbarkeit, der für die BudgetnehmerInnen relevante Dispositionsspielräume bei der Auswahl von Unterstützungsleistungen eröffnen soll (vgl. Kastl/ Metzler 2005, S. 13-14; Wacker/ Wansing/ Schäfers 2005, S. 33). In diesem Kontext werden vier Entscheidungsspielräume für Menschen mit Behinderung differenziert:

 

1) Sachliche Dispositionsspielräume:

 

Das PB offeriert Menschen mit Beeinträchtigung die Chance maßgeblich zu entscheiden, welche Unterstützungen sie in Anspruch nehmen und wie diese durchgeführt werden soll (vgl. Kastl/ Metzler 2005, S. 13; Wacker/ Wansing/ Schäfers 2005, S. 33).

 

2) Soziale Dispositionsspielräume:

 

Eine ausschlaggebende Veränderung, die das PB mit sich bringt, ist die Option für Menschen mit Behinderung selbst auszuwählen, wer eine Unterstützungsleistung erbringen soll (vgl. Wacker/ Wansing/ Schäfers 2005, S. 33). Mit dem erhaltenen Budget können die BudgetnehmerInnen je nach eigenem Anliegen, unterschiedliche professionelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen, Persönliche AssistentInnen nach dem ArbeitgeberInnenmodell anstellen oder Unterstützungen auch privat organisieren, indem Familie, Freunde, Bekannte, Nachbarn u.a. die Hilfeleistungen erbringen (vgl. Kastl/ Metzler 2005, S. 13-14; Wacker/ Wansing/ Schäfers 2005, S. 33). Prinzipiell geht es darum, Menschen mit Behinderung eine Beziehung zu Leistungserbringern[19] zu ermöglichen, die nicht mehr durch einseitige Fürsorge, sondern durch ein zweiseitiges Austauschverhältnis „Geld gegen Unterstützungsleistung“ (Wacker/ Wansing/ Schäfers 2005, S. 33) gekennzeichnet ist. Dabei werden die BudgetnehmerInnen zu direkt zahlenden KundInnen. Mit dem PB werden Menschen mit Behinderung sozusagen zu NutzerInnen, die den Einkauf der Leistungen eigenverantwortlich, selbstständig und selbstbestimmt organisieren können - sie werden zu KäuferInnen, KundInnen oder ArbeitgeberInnen (vgl. ebd.).

 

3) Zeitliche Dispositionsspielräume:

 

In Institutionen oder externen Organisationen strukturieren vielfach Zeitpläne das Alltagsleben von Menschen mit Beeinträchtigung, die nach einem vorgegebenen Schema organisiert werden (vgl. Kastl/ Metzler 2005, S. 14; Wacker/ Wansing/ Schäfers 2005, S. 33). Für viele dieser Menschen stellt dies eine wesentliche Einschränkung in ihrer Lebensgestaltung dar, denn sie müssen nach einem Zeitplan leben, den sie nicht selbst gestalten können bzw. welcher ihnen unter Umständen überhaupt nicht entspricht. Ein großer Vorteil, den das PB im Vergleich zu den rigiden Prozessstrukturen innerhalb von sozialen Einrichtungen mit sich bringt, ist die individuelle Bestimmung des Zeitpunktes der gewünschten und benötigten Leistungserbringung bzw. die flexible Aushandlung mit den Leistungserbringern der BudgetnehmerInnen (vgl. Kastl/ Metzler 2005, S. 14; Wacker/ Wansing/ Schäfers 2005, S. 33). Die Leistungserbringer sind somit gezwungen, mehr auf die Bedürfnisse der NutzerInnen einzugehen, anstatt den Rationalitäten der Organisation und der professionellen DienstleisterInnen zu unterliegen (vgl. Wacker/ Wansing/ Schäfers 2005, S. 33).

 

4) Prioritätsspielräume:

 

In Verbindung mit den drei oben genannten Teilbereichen der Disposition können darüber hinaus Prioritätsspielräume entstehen. Anhand des PB ist eine individuelle Lebensgestaltung möglich, diese setzt aber auch voraus, dass die BudgetnehmerInnen innerhalb des Gesamtbudgets Prioritäten setzen sollten, welche Bereiche im Leben in den jeweiligen Lebensphasen für sie Bedeutung haben (vgl. Wacker/ Wansing/ Schäfers 2005, S. 33-34). Die Leistungsempfänger[20] könnten exemplarisch innerhalb eines bestimmten Zeitraumes auf gewisse Leistungen verzichten oder sie weniger intensiv in Anspruch nehmen um damit Mittel für subjektiv relevantere, andere Leistungen oder für Zeiten erhöhten Bedarfs einzusparen (vgl. Kastl/ Metzler 2005, S. 14).

 

Im Wesentlichen eröffnen sich somit Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume“ (Wacker/ Wansing/ Schäfers 2005, S. 19) auf sachlicher, sozialer und zeitlicher Ebene bei der bedarfsgerechten und wunschgemäßen Selektion und Durchführung von Unterstützungsleistungen für die NutzerInnen (vgl. ebd., S. 33-34).

 

„Das heißt konkret, mit Hilfe eines Persönlichen Budgets soll der einzelne Mensch mit Behinderung in die Lage versetzt werden, zu wählen, wo und wie er leben möchte, wer ihn wann und wie bei der Lebensführung unterstützt, welche Leistungen der Teilhabe und Rehabilitation er von wem in Anspruch nehmen will.“ (Schäfers/ Wansing 2005, S. 3)

 

2. Rehabilitation


 

In diesem Kapitel wird eine Skizzierung des Rehabilitationsbegriffs wiedergegeben. Der Begriff kann auf unterschiedlichste Weise beleuchtet werden, da er in diversen Kontexten Verwendung findet. Folgend werden hier einige erläutert.

 

Das Wort „Rehabilitation“ (lat. „rehabilitare“) setzt sich aus den Wörtern „re“ (= zurück) und „habilitare“ (= fähig machen/ befähigen) zusammen und wird seit dem 16. Jahrhundert im Sinne von wiederherstellen und eingliedern gebraucht (vgl. Baumgärtner 2003, S. 347; Biewer 2009, S. 89).

 

Grundlegend kann festgestellt werden, dass viele moderne Definitionen des Rehabilitationsbegriffs auf den Grundbegriffen der International Classification of Impairments, Disability and Handicaps“ (ICIDH)[21] basieren (vgl. Schuntermann 1999, S. [2]). Beim sogenannten „Disability-orientierten Ansatz“, in seiner international gebräuchlichen Form, geht es explizit um die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit hinsichtlich der Dimensionen der Aktivitäten, der Partizipation und, soweit dies erreichbar ist, der Dimension der Körperfunktionen und -strukturen (vgl. ebd.).

 

Die „World Health Organisation“ (WHO) beschreibt exemplarisch den Gegenstand der Rehabilitation unter Verwendung der Terminologie der ICIDH-1[22] folgendermaßen:

 

„Rehabilitation includes all measures aimed at reducing the impact of disabling and handicapping conditions and at enabling the disabled and handicapped to achieve social integration. Rehabilitation aims not only at training disabled and handicapped persons to adapt to their environment but also at intervening in their immediate environment and society as a whole in order to facilitate their social integration.” (WHO 2001)[23]

 

Die intendierte Zielsetzung der Rehabilitation wird folglich von der WHO in einer Weise aufgegriffen, welche Menschen mit Behinderung ein höheres Maß an Selbstbestimmung ermöglichen soll. Damit verbunden ist ihre Gesundheit zu stärken und ihnen zu ermöglichen, dass ihren Bedürfnissen entsprochen, ihren Wünschen und Hoffnungen Gehör geschenkt und diese letztendlich auch erfüllt werden. So kann den Menschen die Möglichkeit gegeben werden sich in ihrer Umwelt zurechtzufinden bzw. diese für sich individualisieren zu können (vgl. Wacker/ Wansing/ Schäfers 2005, S. 21; WHO 2001).

 

Für Böhm (2005, S. 528) bedeutet der Begriff Rehabilitation, „(…) die Gesamtheit der medizinischen, pädagogischen, beruflichen und sozialen Maßnahmen“. Sie soll eine „drohende Behinderung verhüten oder eine vorhandene samt ihrer Folgen beseitigen oder mildern und dabei dem Behinderten die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder...

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