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E-Book

Selbsthilfe bei posttraumatischen Symptomen

Übungen für Körper, Geist und Seele

AutorBettina Overkamp, Christine Rost
VerlagJunfermann
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl216 Seiten
ISBN9783955718244
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Erste Hilfe bei PTBS Wir haben wenig Einfluss darauf, ob wir in eine traumatische Situation geraten und wie wir darauf reagieren. Manchmal klingen die psychischen und körperlichen Beschwerden wieder ab, manchmal bleiben sie über längere Zeit bestehen. Statt diesen Zustand einfach nur auszuhalten oder zu vermeiden, können wir bewusst aktiv werden und eigene Stärken sowie Ressourcen aktivieren. Hierfür stellen die Autorinnen eine Vielzahl von Übungen entlang den Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung vor. Jeder Mensch reagiert anders. Entsprechend individuell müssen auch Hilfemaßnahmen zugeschnitten sein. Über kognitive und imaginative Übungen wird das Denken angesprochen, über Übungen zur Affektregulation die Gefühlsebene und über stabilisierende Handlungen oder Körperübungen die physiologische Reaktion. Damit sind alle Bereiche erfasst, die durch das Trauma beeinträchtigt sind. Das Buch wendet sich an Betroffene, aber auch an therapeutisch arbeitende Menschen, die nach Übungen für die Stabilisierungsphase in der Traumatherapie suchen.

Dr. med. Christine Rost, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe und Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin. EMDR-Trainerin am EMDR-Institut Deutschland, Traumatherapeutin und Ausbilderin der DeGPT, Mitbegründerin des Zentrums für Psychotraumatologie Frankfurt, niedergelassen als Psychotherapeutin in eigener Praxis

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Leseprobe

1. Welchen Nutzen haben die Übungen, und wie kann man sie einsetzen?


1.1 Für wen sind die Übungen gedacht?


Dieses Buch ist als Hilfe für Menschen gedacht, die mit posttraumatischen Symptomen und Störungen konfrontiert sind. Dies sind die Betroffenen selbst, aber auch Angehörige, Freunde oder professionelle BegleiterInnen im Rahmen der Traumapädagogik und -therapie und TherapeutInnen. Wir wollen also zum einen Betroffenen Erklärungen und Handlungsideen an die Hand geben, die ihr Leben verbessern können. Zum anderen richtet sich dieses Buch aber auch an therapeutisch arbeitende Menschen, die nach konkreten Übungen für die Stabilisierungsphase einer Traumatherapie suchen.

Wir haben eine Vielzahl an Übungen zusammengestellt, unspezifische und spezifische Interventionen, die sich entlang der Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung orientieren. In den Kapiteln 310 beleuchten wir zusätzlich den jeweiligen Hintergrund dieser Symptomatik. In den entsprechenden Übungsangeboten versuchen wir, der Unterschiedlichkeit von Menschen gerecht zu werden. Deshalb finden Sie für jede Symptomatik Übungen mit jeweils drei Zugangswegen: kognitiv, imaginativ und Übungen, die den Körper nutzen.

In Kapitel 11 geht es um die Aktivierung der eigenen Stärken und Ressourcen, und für den Anhang haben wir für einige der kognitiven Übungen Arbeitsblätter und weitere Materialien zusammengestellt. Im Anhang finden Sie außerdem Informationen zur Therapieindikation und Therapieplatzsuche.

Traumatisierungen erschüttern innere Grundüberzeugungen. Sie haben Auswirkungen auf das Sicherheitsempfinden und die subjektive Kontinuität des Lebens. Hier erfolgt ein Bruch. Es ist, als bliebe ein Teil der Person wie erstarrt in der Traumatisierung hängen und erwartet nun, dass in Zukunft alles schlecht laufen wird. Es besteht eine starke Sehnsucht, wieder so „wie früher“ (vor der Traumatisierung) zu werden, so, als wäre es möglich, das Ereignis einfach ungeschehen zu machen. Teilweise sind das auch die Hoffnungen und Erwartungen des Umfelds.

Das ist leider nicht möglich, egal, wie sehr sich jemand anstrengen mag. Die Erfahrung der Traumatisierung verändert schlagartig das Denken, Fühlen und die Physiologie. Die Traumafolgesymptome (wie Intrusionen, Vermeidung, Über- und Untererregung) führen zu Veränderungen, die die Betroffenen sehr belasten. Dieser Zustand ist nachvollziehbarerweise nur schwer auszuhalten.

Die gute Nachricht ist: Man kann einen der aktuellen Situation angemessenen und gleichzeitig angenehmeren Zustand erreichen. Das Leben wurde durch eine traumatische Situation schwer beeinträchtigt, aber mit den Stabilisierungsübungen möchten wir eine praktische Hoffnung vermitteln, dass es wieder ins Lot kommen kann. Es ist möglich, die traumatische Erfahrung zu verarbeiten, sie zu integrieren und eine neue Lebensqualität zu gewinnen. Es gibt sogar manchmal Entwicklungen, die als posttraumatisches Wachstum oder posttraumatische Reifung („post-traumatic growth“) bezeichnet werden. Calhoun & Tedeschi (in Zöllner et al. 2006) benennen fünf potenzielle Bereiche persönlichen Wachstums oder Reifung als Folge von Traumatisierungen:

  1. Eine intensivierte Wertschätzung des Lebens mit einem veränderten Bewusstsein für das Wesentliche;
  2. eine Intensivierung persönlicher Beziehungen, zu den Menschen, die sich als wirkliche Freunde erwiesen haben, und / oder die Entwicklung eines vertieften Mitgefühls mit – insbesondere Not leidenden – Menschen;
  3. Bewusstwerdung der eigenen Stärke angesichts des Erlebens der eigenen Vulnerabilität sowie Entwicklung des Vertrauens, schwerwiegende Ereignisse bewältigen zu können;
  4. Entdeckung neuer Möglichkeiten als Orientierungsprozesse im Leben;
  5. intensiviertes spirituelles Bewusstsein und Sinnfindung.

Zöllner et al. (2006) betonen, dass jeder dieser genannten fünf Bereiche paradoxe Elemente in sich zu tragen scheint, etwas, das auch auf die Gesamterfahrung posttraumatischen Wachstums zutrifft: Aus einem Verlust entsteht ein Gewinn. Durch die Erkenntnis der existenziell im Leben angelegten Paradoxe werden Traumabetroffene potenziell zu einem dialektischen Denken geführt, das Personen auszeichnet, die als „weise“ gelten (Baltes et al. 1995).

Dies bedeutet aber in keinem Fall, dass wir Traumatisierungen für „gut“ oder sinnvoll halten. Sie lassen sich aber manchmal nicht verhindern, und es kann jeden von uns treffen. Die Frage „Warum ich?“ ist schwer zu beantworten.

All die Anstrengungen, die ein traumatisierter Mensch „automatisch“ unternimmt, zielen darauf ab, Kontrollierbarkeit und Sicherheit im Leben wiederherzustellen. Leider ist auch das nicht möglich. Es ist wichtig zu akzeptieren, dass wir das Leben niemals ganz unter Kontrolle haben. Das Leben geschieht, und teilweise geschehen Dinge, die wir nicht wollen. Was wir aber beeinflussen können, ist die Art, wie wir damit umgehen.

Die von uns in diesem Buch vorgestellten Stabilisierungsübungen sollen helfen, erschüttertes Vertrauen in sich selbst, in die Welt und in den eigenen Körper zurückzugewinnen. Die Übungen sind sowohl für mono- als auch für komplex-traumatisierte Menschen geeignet.

Manche Übungen lassen sich leicht alleine ausprobieren und einsetzen, andere sind leichter unter Anleitung zu erlernen, eventuell auch in Gruppen. Bei bestimmten Störungen bedarf es der therapeutischen Unterstützung (z. B. bei schweren dissoziativen Zuständen).

Deswegen lassen sich die Übungen in diesem Buch in drei Kategorien einteilen, die jeweils mit Icons gekennzeichnet sind.

  1. Übungen, die Sie alleine machen können: Die meisten Übungen in diesem Buch können Sie leicht alleine erlernen und durchführen. Natürlich lassen sie sich auch im therapeutischen Setting vermitteln, aber das ist nicht unbedingt notwendig. Diese Übungen erkennen Sie an diesem Icon:
  2. Übungen, die mit etwas Unterstützung oder „Starthilfe“ leichter fallen: Manchmal geht es in Übungen darum, anhand von Fragen Hintergründe zu finden und Lösungen zu entwickeln. Im therapeutischen Setting ist das zunächst leichter. Auch sind einige Übungen besser zu erlernen, wenn jemand Sie anfangs begleitet. Sie können aber durchaus auch selbstständig mit diesen Fragen und Anleitungen (weiter-)arbeiten. Diese Übungen erkennen Sie an diesem Icon:
  3. Übungen, die nur im therapeutischen Setting oder in Begleitung durchgeführt werden sollten: Einige Übungen zielen darauf ab, schwere dissoziative Zustände zu stoppen, und müssen von außen angeleitet werden und bedürfen einer zweiten Person. Das können therapeutisch arbeitende Menschen sein, aber auch Menschen aus Ihrem Umfeld, die sich mit der Symptomatik befasst haben und auskennen. Diese Übungen erkennen Sie an diesem Icon:

Die Bedeutung von „Stabilisierung“ zeigt sich auch darin, dass die dreistufig konzipierte Traumatherapie damit beginnt. Diese besteht (nach Schnyder et al. 2015 bzw. Van der Hart et al. 2008) aus:

  1. Psychoedukation mit Stabilisierung,
  2. Bearbeitung der traumatischen Erinnerung(en) sowie der Folgen und
  3. Integration mit Trauerarbeit und Unterstützung neuer Entwicklungen.

Dieses Buch beschränkt sich auf Übungen für diese erste Therapiephase, wobei auch in den späteren Phasen immer wieder auf Stabilisierungsübungen zurückgegriffen werden kann.

Es braucht Kraft, Mut und Ausdauer, die schwierige Lebensphase nach einer Traumatisierung zu bewältigen. Es ist kaum möglich, sich auf ein Trauma vorzubereiten, und viele Strategien und Einstellungen, die sich bei Belastungen und in schwierigen Situationen bewährt haben, sind für die Bewältigung nach einer Traumatisierung oft nicht ausreichend. Unter erschwerten Bedingungen gilt es nun, etwas Neues zu lernen. Mit den in diesem Buch beschriebenen Stabilisierungsübungen wollen wir Sie anleiten, bewusst andere Umgangs- und Erlebensweisen zu entwickeln. Vielleicht entsteht daraus eine neue innere Haltung.

1.2 Wie wirken die Übungen?


Distanzierung, Selbstberuhigung und Selbstfürsorge sowie das Entwickeln von Verständnis – das sind die den Übungen zugrunde liegende Strategien. Achtsamkeit und Neugier – und teilweise Spaß am Ausprobieren – kennzeichnen die dafür notwendige innere Haltung.

Die Distanzierungstechniken (in Bezug auf traumatische Erfahrungen) ermöglichen einen angenehmer(en) körperlichen und geistigen Zustand. Der Körper soll Sicherheit, Ruhe und Entspannung erleben oder zumindest wieder eine Ahnung davon bekommen. Kopf und Geist sollen lernen, sich von quälenden Gedanken, Sorgen und Ängsten zu distanzieren. Achtsamkeit und Aufmerksamkeit für die Gegenwart, mehr Wahrnehmung für Angenehmes, Freude und Genuss und ein Sich-(wieder-)verbunden-Fühlen mit anderen Menschen und „dem Leben“ dürfen hingegen (mehr) Raum einnehmen.

All dies passiert nicht von alleine, sondern muss aktiv in Angriff genommen und regelmäßig geübt werden.

In unserer täglichen praktischen Arbeit wenden wir viele der beschriebenen Übungen in Einzelkontakten, manche auch in Gruppensettings an. Für die Bewältigung von Traumafolgesymptomen haben wir bewusst Übungen aus ganz unterschiedlichen Bereichen und mit gegensätzlichen Herangehensweisen ausgesucht; jeder Mensch hat unterschiedliche Fähigkeiten und Vorlieben. Probieren Sie deswegen unterschiedliche Übungen aus und schauen Sie, welche Ihnen zusagen oder leichter fallen. Mit diesen Übungen...

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