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Seufzer aus Österreich und seinen Provinzen

Politische Kritik am Metternich-Regime

AutorCharles Sealsfield
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl260 Seiten
ISBN9788026851059
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Seufzer aus Österreich und seinen Provinzen' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Charles Sealsfield, eigentlich Carl Anton Postl, (1793-1864) war ein österreichischer und US-amerikanischer Schriftsteller. Dieser Bericht von Sealsfield erschien 1828 anonym in London: 'Austria as it is, or sketches of continental courts, by an eye-witness' - eine kritische Abrechnung mit dem Regime Metternich. Aus dem Buch: 'In Europa giebt es keine unpopuläreren Beamten, und Volk und Beamte sind sich nirgends fremder, wie hier. In keinem Staate wird man einen Stand in so beschränkten Umstanden finden, wie den der öffentlichen Beamten in Wien. Im Mittelpunkte des Vergnügens und der Fröhlichkeit sitzen sie beständig in ihren Büreaux, und stehen unter fortwährend strenger Aufsicht. Wien ist der Sitz der Ministerien und höchsten kaiserlichen Behörden, bei denen sich Hunderte von Räthen und Tausende unterer Beamten angestellt befinden. Ein Hofrath ist schon ein wichtiges Thier; wie man's nennt, besitzt er das Referat einiger Provinzen und den Rang eines Generalmajors; er bezieht fünf bis sechs Tausend Gulden Gehalt, in Oestreich ein ansehnliches Geld. Dafür muß er aber auf den Besuch von Gesellschaften Verzicht leisten, ist er nicht zufällig aus einer vornehmen adeligen Familie, oder liegt ihm nichts an seiner höhern Beförderung. Nicht Mangel an Vermögen verdammt ihn dazu, sondern die Prinzipien der Regierung...'

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Leseprobe

Zweites Kapitel.


Prag — böhmischer Landtag — böhmischer Adel — Privattheater des Grafen Clam-Gallas — Konservatorium der Musik — Institute für Wissenschaft und Kunst — Museum — Universität — Erziehungssystem in Oestreich — seine Folgen — geheime Polizei.

Der Anblick von Prag hat von der Töplitzer Straße aus etwas Imposantes. Den Zugang bildet ein drittehalb Stunden weites Thal, das gegen Westen sich amphitheatralisch erhebt. Es schließt mit einem Bergrücken, der sich schräg durch die ganze Stadt zieht. Das in großer Entfernung schon sichtbare, nach kolossalem Maaßstab gebaute Kaiserliche Schloß liegt auf dem Gipfel desselben.

In die Stadt kommt man durch eine sehr unscheinbare Vorstadt und ein verfallenes Thor, das in eine Gasse führt, wo zahlreiche Küchen an der Fronte der Häuser, die Geruchsnerven in Anspruch nehmen. Diese Gasse geht bis zu einem gothischen Thurme, der die alte Stadt von der neuen, durch Karl IV. erbauten scheidet. Von hier aus öffnen sich zwei, an hundertfunfzig bis zweihundert Fuß breite, divergirende Straßen. Es ist dies der regelmäßigste Theil der Stadt, der beinahe ganz aus Palästen und einigen Hotels besteht, unter denen sich „das schwarze Roß“ befindet.

Hier steigen die meisten Fremden ab. Man nimmt sich einen Lohnbedienten, der nebenbei gesagt, nichts anderes wie zugleich ein Spion ist, um sich die Stadt zu besehen, geht durch das Thor des schon erwähnten Thurmes, und tritt in eine Straße, deren regellose Dimensionen an das zwölfte Jahrhundert erinnern, wahrend die Gebäude an beiden Seiten das Sechszehnte an der Stirn tragen. Sie führt nach dem großen Marktplatz der alten Stadt. Das Rathhaus, vor dessen Pforte wegen schlecht eingeleiteter Konspiration gegen das Haus Oestreich so viele illustre Häupter gefallen sind, ist ein ehrwürdiges Denkmal aus dem dreizehnten Jahrhundert. Ueberhaupt machte die alte majestätische Bauart der Häuser, und insbesondere der Teiner Kirche, einen Respekt fordernden Eindruck. Sie wird von zwei, ungefähr zweihundert Fuß hohen Thürmen überragt, deren einer sein ehernes Dach durch den Blitz eingebüßt hat. Es ist seitdem durch ein Schindeldach von sehr schlechtem Geschmack ersetzt worden.

Der untere Theil der Kirche wird fast gänzlich von einem Haufen Häuser verborgen; ihr Inneres, wo man außer andern Monumenten das Tycho de Brache's bemerkt, hat auffallende Aehnlichkeit mit der Notre Dame Kirche in Paris.

Nachdem man sich durch ein Labyrinth von engen und gewundenen Gassen gefunden hat, die offenbar beweisen, daß der Gründer der Stadt, der Herzog von Premisl, kein Mathematiker war; kommt man zum Palaste des Grafen Clam Gallas, dem edelsten Gebäude in ganz Prag. Ein Ahnherr der gräflichen Familie hat es nach Michel Angelo's Plänen bauen lassen. Es hat eine schöne Façade und zwei Flügel. Das Hauptthor wird von vier Kariatiden geziert, welche Balkons tragen. Die Vorsprünge sind mit Statuen von mehr wie gewöhnlichem Werthe geziert. Architektur, Skulptur und alle dahin einschlagende Künste verbinden sich, aus diesem Palais eine der schönsten Residenzen des hohen Adels zu machen.

Eine engere und wo möglich noch krummere Straße, wie die erwähnte, dehnt sich vom Jesuiten-Kollegium aus, in welchem nicht weniger wie zwei große Kirchen und fünf Kapellen sich befinden. An der Moldaubrücke, die durch acht und zwanzig grobgemeiselte Statuen entstellt wird, kommt man durch einen zweiten Thurm, den die Studenten 1648 mit Erfolg gegen die Schweden vertheidigten. Es zeigt sich indessen ein zweites Thor zwischen zwei Thürmen, welche die Brücke von dieser Seite decken. Hier fängt die kleine Seite an, die auf höherem Terrain gebaut ist, das zu einem großen Platze führt, wo eine Reihe von Prachtpalästen beginnt. Die eine Hälfte des Platzes nimmt ein zweites Jesuiten-Kollegium, kaum kleiner an Umfang wie das erste ein, die andern formiren die Tribunale und der adlige Gerichtshof.

Eine Reihenfolge großartiger Paläste schließt sich an jene an, wendet man sich aber Rechts, so steht man vor dem kaiserlichen Palais, das im Ganzen aus einer schönen Façade und zwei kolossalen Flügeln besteht. Der südliche Flügel dehnt sich auf der Höhe aus, und bildet mit dem Kapitel der Edeldamen, und dem Palais des Fürsten Lobkowicz eine gerade Linie, die über tausend Ruthen lang ist.

Unter der gegen Morgen gewendeten Façade öffnen sich drei Thore, welche von östreichischen und böhmischen Wappen überragt sind. Das Mittelste führt in eine weite Halle, aus der zwei schöne Treppen nach den kaiserlichen Gemächern bringen. Zuerst kommt man in einen schönen Saal für die Wachen, dann in ein erstes, zweites und drittes Vorzimmer, ehe man in den Audienzsaal selbst gelangt. Die Gemächer sind sehr hoch, Alfresko gemalt, und mit Bildern aus der flammländischen Schule behangen. Ein großes, mit einem Baldachin versehenes Paradebett, mit rothseidenen Matrazzen und Kissen ausgenommen, sind jedoch keinerlei Gerätschaften darin befindlich.

Um in den Sitzungssaal der Landstände zu kommen, geht man durch einen Korridor, an dessen linker Seite die kaiserliche Kapelle sich befindet. Es war am fünfzehnten August, wo ich den kaiserlichen Palast besuchte. Der Landtag, war versammelt. Die Zugänge zum Schlosse waren mit Nationalmiliz besetzt, desgleichen die innere Höhe, und die zum Sitzungssaale führende Treppe. Letzterer ist ein großer viereckiger Raum mit zwei Eingängen.

Dem für die Ständemitglieder bestimmten gegenüber, befindet sich eine Erhöhung mit einem Lehnstuhl und Baldachin. Da jedoch der zur Zeit den Vorsitz führend, Oberburggraf nur von gräflicher Familie war, so hatte man den Baldachin an der Wand in die Höhe gezogen. Wäre er fürstlicher Abkunft, würde er sich über seinem Haupte befunden haben.

Sobald die kaiserlichen Kommissarien in die Versammlung treten, erhebt sich dieselbe und bleibt stehen; der Präsident tritt drei Schritte von seinem Sitze herab, um sie zu begrüßen; hierauf setzt sich alles nieder. Rechts vom Präsidenten hat als Primas des Königreichs, der Erzbischof in großem Kostüm, mit den Insignien eines kaiserlichen Ordens schmückt, seinen Platz; hinter ihm kommen drei Bischöfe in Purpurgewändern, dann die Aebte in schwarz und weiß seidenen Roben mit goldenen Ketten und Kreuzen. Quer vor haben die fürstlichen Herren ihre Plätze. Sie tragen das Nationalkostüm, rothe Röcke mit Silber gestickt, Epauletten von demselben Metall, weiße Beinkleider, weiße seidene Strümpfe und silberverzierte Hüte. Mehrere tragen Orden, Kammerherrnschüssel fast alle. Der niedere Adel und die Städterepräsentanten sitzen auf den Bänken linker Hand. Erstere sind in die eben beschriebene Nationaltracht, letztere schwarz gekleidet.

Der Präsident richtet seine Worte zuerst an den Fürstbischof und die geistlichen Herren, dann spricht er zu den Fürsten, Grafen und Baronen, zuletzt zu dem Niedern Adel und den Städtern; dabei bedient er sich der böhmischen Sprache. Nachdem die Begrüßungen vorüber sind, verliest ein Sekretär die kaiserliche Botschaft. Der Zweck derselben ist, anzuzeigen, welche Abgaben für die Dauer des nächsten Jahres erhoben werden sollen. Mit tiefer und schweigsamer Unterthänigkeit wurde sie angehört. Hierauf fragte der Präsident ob Jemand von den Anwesenden Vorschläge zum Besten des Staates zu machen habe. Keine Zunge rührte sich. Da dankte er im Namen des Souverains den versammelten Ständen für die Pünktlichkeit in Erfüllung ihrer Pflichten und verabschiedete sie.

Diese pomphafte Zeremonie ist Alles, was den Böhmen von einer Verfassung übrig geblieben ist, deren sie sich während drei Jahrhunderten erfreuten. Die Formen sind noch dieselben, allein der Geist ist entflohen.

Jedes Jahr werden zwei Landtage gehalten, nämlich ein ordentlicher und ein außerordentlicher. Sie werden durch kaiserliche Ausschreiben zusammen berufen. Die Prälaten gelten dabei als erster Stand, die Herren und Ritter, welche Domainen besitzen, als zweiter und dritter, und die vier Städte Prag, Budweis, Pilzen und Königsgräz als vierter. Die Bürger derselben besitzen das Recht Domainen zu besitzen und zu kaufen, und sich durch ihre Bürgermeister oder Schoppen vertreten zu lassen. Zwei kaiserliche Kommissarien werden aus den Herren und Rittern von Wien aus. bestellt. Sie halten ihre Auffahrt in einem sechsspännigen Staatswagen.

Die Gewalt der böhmischen Stände ist dermalen auf Vertheilung der verlangten Abgaben, und eine gewisse Gerichtsbarkeit beschrankt, die sie durch ein aus acht Mitgliedern bestehendes Komitée, aus vier Ständen gewählt und vom Kaiser bestätigt, ausüben. Die östreichische Regierung glaubte, es sei nothwendig, die Gefühle eines Volkes zu schonen, das noch lebhaft den Werth seiner ehemaligen Freiheit und seiner politischen Existenz empfindet. Uebrigens muß auch anerkannt werden, daß das Loos der Landleute sich seit der Regierung Joseph's II. sehr gebessert hat. Vorher waren alle verfassungsmäßige Rechte ein Besitzthum des Adels, von dessen Gewalt die sonderbaren Privilegien, welche er genoß, die beste Vorstellung geben.

Jeder Gutsherr hatte unter andern das bekannte Recht primae noctis über alle Frauenzimmer auf seinem Gebiet. Am Hochzeittage mußte jeder Bauer zu einer gewissen Stunde seine Braut an des Edelmannes Thüre bringen, und sie dort am folgenden Morgen wieder abholen. Die Abschaffung dieser Sitte und anderer Mißbrauche, an deren Stelle oft neue getreten sind, vermag indessen die Nation nicht hinlänglich für den Verlust ihrer politischen Existenz zu entschädigen. Sie kann unmöglich günstig gegen die gesinnt sein, welche sie ihr raubten.

Zwischen dem...

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