2. Shared Services – begriffliche Grundlagen, Charakteristika und Abgrenzungen
Zu Beginn der Arbeit werden zunächst die begrifflichen Grundlagen geklärt und ein Überblick über die Entstehung des Konzepts in den USA und Europa gegeben. Danach werden die Charakteristika des Shared Services Ansatzes beschrieben und dieser Ansatz von den beiden Organisationskonzepten Zentralisierung und Outsourcing abgegrenzt.
2.1 Begriffsklärung
Der englische Begriff Shared Services bedeutet wörtlich übersetzt ins Deutsche „Geteilte Dienstleistungen“. Das Shared Services Konzept stellt einen „Organisationsansatz zur Bereitstellung von internen Dienstleistungen für mehrere Organisationseinheiten mittels gemeinsamer Nutzung von Ressourcen innerhalb einer Organisationseinheit“[3] dar. Die bereitstellende Organisations-einheit wird als „Shared Service Center“ (im Folgenden „SSC“) bezeichnet. Sie ist wirtschaftlich und/oder rechtlich selbstständig und trägt die Verantwortung für ihr Ergebnis.[4]
Bergeron definiert den Begriff noch genauer. „Shared services is a collaborative strategy in which a subset of existing business functions are concentrated into a new, semiautonomous business unit that has a management structure designed to promote efficiency, value generation, cost savings, and improved service for the internal customers of the parent corporation, like a business competing in the open market.”[5]
SSC sind vor allem in multinationalen Konzernen zu finden, die in mehreren Ländern agieren und denen mehrere Unternehmen angehören.[6] Sie werden aber auch von mittelständischen Unternehmen eingesetzt.[7] Der Fokus dieser Arbeit liegt jedoch auf den Konzernen. Diese gliedern bestimmte gleichartige und in der Regel transaktionsorientierte Prozesse aus ihren dezentralen Geschäftseinheiten aus und bündeln sie in einem SSC. Das SSC erbringt dann die Unterstützungs-leistungen basierend auf einem vorher ausgehandelten Vertrag für die Konzerneinheiten. SSC sind vergleichbar mit Zentralbereichen vom Typ des Servicemodells, es bestehen aber wie in Punkt 2.4.1 näher erläutert wird, Unterschiede.
2.2 Entstehung des Shared Services Ansatzes
Das Shared Services Konzept hat seinen Ursprung in den USA zu Beginn der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Dieses Jahrzehnt ist stark von Dezen-tralisierung gekennzeichnet.[8] Durch die vorangegangene Zentralisierung der internen Dienstleistungen, waren die US-amerikanischen Großunternehmen nicht mehr in der Lage, schnell und flexibel auf die wachsende Dynamik der Märkte und Technologien zu reagieren.[9] So wurden operative Aufgaben, insbesondere die allgemeinen Verwaltungs- und Unterstützungsfunktionen, in die Geschäfts-einheiten verlagert.[10] Diese konnten relativ unabhängig und ergebnis-verantwortlich handeln. Die Dezentralisierung führte allerdings zu einem enormen Anstieg der Personal- und Infrastrukturkosten, da dieselben Funktionen parallel in allen Geschäftseinheiten aufgebaut wurden und dann größtenteils unterschiedliche Prozesse und Infrastrukturen aufwiesen. [11]
Zur Beseitigung dieser Problematik entstand Anfang der 1990er Jahre die Idee der Shared Services. Diese bestand aus der Zentralisierung gleichartiger Funktionen in einem Dienstleistungscenter, um so die Anzahl redundanter Tätigkeiten zu verringern und eine einheitliche Infrastruktur zu schaffen.[12] Dadurch werden Skaleneffekte ermöglicht, die Marktverantwortung bleibt aber weiterhin bei den Geschäftseinheiten.[13]
Daneben gab es aber noch andere Auslöser für die vermehrte Einführung von Shared Services. Hier sind zum einen das Business Reengineering[14] zu nennen, welches ein großer Trend in diesem Jahrzehnt war und zu umfassenden Restrukturierungen in den Unternehmen führte. Zum anderen die zunehmende Fokussierung auf den Shareholder Value, welche zur Folge hatte, dass die Unternehmen ihre Organisationseinheiten auf ihren Beitrag zum Unternehmens-wert hin prüften. Des Weiteren wurde eine schnelle Eingliederung bei Fusionen und Unternehmenskäufen immer wichtiger sowie die unternehmensweite Einführung von Standartsoftwaresystemen.[15]
In Europa wurde das Konzept erst Mitte der 1990er Jahre aufgegriffen. Grund dafür waren die unterschiedlichen Rahmenbedingungen bezüglich der Sprache, Kultur, Währung und des Steuer- und Rechtssystems sowie der ungleiche Technik- und Produktstandard. Diese führten dazu, dass internationalen Unternehmen an verschiedenen Standorten gleiche Organisationseinheiten aufbauten und somit wieder die oben beschriebenen Probleme aufgetreten sind. Erst als die einzelnen Märkte des europäischen Wirtschaftsraumes immer enger zusammenrückten und sich die Kooperationen verstärkten, etablierte sich der Shared Services Ansatz zunehmend auch in Europa.[16] Diese Entwicklung wurde zusätzlich durch eine verbesserte Infrastruktur gefördert. Der technische Fortschritt, wie z.B. Breitbandverbindungen und Internet, ermöglicht mittlerweile auch einen kostengünstigen und schnellen Datentransfer über die Grenzen hinweg.[17] Die Einführung der gemeinsamen europäischen Währung „Euro“ im Jahr 2002 begünstigt zusätzlich die Rahmenbedingungen für die Anwendung von
Shared Services in Europa, da die einheitliche Währung die Harmonisierung des Marktes in Europa erleichtert.[18]
In der Anfangsphase lagerten die Unternehmen vor allem Finanzfunktionen wie das Rechnungswesen in SSC aus. Mittlerweile sind auch andere Funktionen wie die Informationstechnologie oder auch der Personalbereich in den Fokus gerückt. Die Anwendung des Shared Services Ansatzes im Personalbereich bildet den Schwerpunkt dieser Arbeit und wird im vierten und fünften Kapitel ausführlich dargestellt.
Gemäß einer Umfrage der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte aus dem Jahr 2003/2004 verlagern die Unternehmen in der Regel zunächst ihre Finanz- und IT-Prozesse in ein SSC. Die Personalverwaltung wird dann meist in das bereits vorhandene SSC eingegliedert.
2.3 Charakteristika von Shared Service Center
SSC lassen sich durch folgende Kernelemente kennzeichnen:[19],[20]
Selbstständige Organisationseinheiten
Wie bereits in der Definition erläutert, sind SSC wirtschaftlich und/oder rechtlich selbstständige Organisationseinheiten, die mit einem eigenen Budget ausge-stattet sind und über eine eigene Ergebnisrechnung verfügen. Darüber hinaus können die SSC selbst entscheiden, wie sie die Leistungserstellung durchführen. Die Planungs- und Kontrollverantwortung hingegen obliegt den belieferten Organisationseinheiten.[21]
Leistungserbringung für mehrere Organisationseinheiten
Das SSC stellt verschiedenen dezentralen Geschäftseinheiten eines Unternehmens Dienstleistungen zur Verfügung, die diese nach Bedarf als interne Kunden einkaufen. Die Leistungserbringung ist dabei nicht auf die lokal ansässigen Organisationseinheiten begrenzt, sondern kann auch grenzüberschreitend erbracht werden. Grundsätzlich kann die Anzahl der SSC in einem Unternehmen differieren. So ist es sowohl möglich ein SSC für alle Organisationseinheiten weltweit zu unterhalten, als auch ein SSC oder mehrere SSC je Land. Daneben kann das SSC auch für externe Unternehmen Dienstleistungen erbringen.[22]
Prozess- und Kundenorientierung
Einer der wichtigsten Schritte beim Aufbau eines SSC ist die Optimierung der Prozesse, die für die Leistungserstellung erforderlich sind. Hier sollten beispielsweise die Durchlaufzeiten verkürzt werden, gewisse Prozessschritte automatisiert oder parallelisiert werden oder, wenn sie sich als ineffizient erwiesen haben, beseitigt werden.[23]
Durch die Bildung als selbstständige Organisationseinheit ist zwischen dem SSC und den Geschäftseinheiten ein Kunden-Lieferanten-Verhältnis entstanden. Die früheren Kollegen sind nun Kunden bzw. Lieferanten und die SSC müssen ihre Ressourcen, Prozesse und Technologien so gestalten, dass sie die Wünsche der Kunden bestmöglich befriedigen können. Erst unter diesen Voraussetzungen kann sich die Kunden- und Wettbewerbsorientierung der Mitarbeiter im SSC voll entwickeln.[24]
Ressourcen- und Wertschöpfungsorientierung
Ein wesentliches Merkmal des Shared Services Ansatzes ist auch die Optimierung des Einsatzes der Ressourcen eines Unternehmens. Hier ist zum einen die Optimierung der Ressourcen im Zuge der Leistungserbringung im SSC selbst gemeint, zum anderen aber auch die Ressourcenoptimierung in den belieferten Geschäftseinheiten.
Die...