Vorwort zur deutschen Ausgabe
Im Dezember des Jahres 1984 besuchte ich für ein paar Tage meine frühere Arbeitsstätte, das Lauritsen-Laboratorium für Kern- und Teilchenphysik des California Institute of Technology in Pasadena. Wie stets bei solchen kurzen Aufenthalten am Caltech traf ich mich mit Richard Feynman, mit dem ich befreundet bin und der mich immer mit den neuesten Nachrichten aus der Gerüchteküche der Physik zu versorgen pflegt. Am letzten Tag meines Aufenhalts war ich mit Dick Feynman zusammen beim Mittagessen im Restaurant des Atheneums, des Gästehauses des Caltech. Diesmal sprachen wir nicht über Physik. Enthusiastisch erzählte Dick von seinen jüngsten Erlebnissen in einem Nachtklub von San Francisco, in dem er in einer Band die Rolle des Schlagzeugers übernommen hatte. Wieder einmal wies ich ihn darauf hin, daß er seine Geschichten, insbesondere die Erlebnisse in Los Alamos zur Zeit des Manhattan Projects, einmal zu Papier bringen sollte. Wahrscheinlich seien nicht nur Physiker an den kuriosen Erlebnissen eines Richard Feynman interessiert. Dicks Antwort war ein breites Grinsen. »Bevor du wegfliegst, gehen wir nochmal schnell in mein Büro – ich will dir etwas geben.« So kam es dann auch. Dick drückte mir ein Buch in die Hand: »Surely You’re Joking, Mr. Feynman!« Die Überraschung war ihm gelungen. Feynman hatte das Buch, das ich ihm suggerieren wollte, bereits fertig. Am Caltech wußte noch niemand davon. Da ich aber im Begriff war, nach Europa zurückzufliegen, gab mir Dick sein Buch mit den Worten: »Ich habe es gerade heute morgen mit der Post erhalten und selbst noch nicht reingeschaut. Nimm es ruhig mit – ich bekomme nächste Woche eine ganze Ladung davon. Es ist nichts Besonderes, aber du kannst es ja im Flugzeug einmal überfliegen. Viel Spaß«.
Im Flugzeug von Los Angeles nach Frankfurt las ich Dicks Buch. Meine Nachbarn haben sich sicher über jenen seltsamen Fluggast gewundert, der immerfort in seinem Buch las und offensichtlich Mühe hatte, dabei einigermaßen ernst zu bleiben. Dieses Buch, das nunmehr in der gelungenen Übersetzung von Hans-Joachim Metzger vorliegt, sollte vom Leser nicht mißverstanden werden. Nur wenig erfährt er von Richard Feynman als einem der bedeutendsten Physiker der Gegenwart und dem zur Zeit wohl einflußreichsten akademischen Lehrer der physikalischen Wissenschaften. Statt dessen lernt der Leser amüsante und teilweise bizarre Details aus Feynmans Leben kennen. In »Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!« wird keineswegs ein vollständiges Bild von Richard Feynman gezeichnet, sondern eher eine Karikatur, in der einige wenige Seiten aus dem Leben Feynmans dargestellt werden. Ein Teil der Öffentlichkeit wird sicher enttäuscht sein von dem Buch, in dem man vergeblich nach tiefen philosophischen Gedanken sucht und statt dessen beispielsweise über die Tricks aufgeklärt wird, mit denen man Frauen an der Bar dazu bringt, am Ende ja zu sagen. Aber der unvoreingenommene Leser wird seine Freude an der unkonventionellen Art der Darstellung haben. Feynman erzählt Geschichten in der Tradition von Mark Twain. Er beweist, daß auch ein sonst ernsthaft seinen Forschungen nachgehender Naturwissenschaftler gleichzeitig lachen und nachdenken kann. Und oft erzielt Feynman den größten Erfolg, wenn er unverblümt sagt, was er denkt, etwa indem er den Vortrag seines Philosophieprofessors zusammenfaßt mit den Worten »wugga mugga mugga wugga wugga« (»grummel, brummel, brummel, grummel, grummel«).
In meinem Leben habe ich niemanden kennengelernt, der in seiner Meinung unabhängiger von seiner Umwelt und von Autoritäten, gleich welcher Art, gewesen wäre als Richard Feynman. In den USA ist diese persönliche Unabhängigkeit weithin bekannt. Diese, und nicht der Nobelpreis, den Feynman im Jahre 1965 erhielt, war wohl der Grund dafür, daß Präsident Reagan ihn zum Mitglied der Untersuchungskommission zur Aufklärung des Challenger-Unglücks im Jahre 1985 ernannte. Feynman war es auch, der seinen Finger sofort auf die wunde Stelle legte, die letztlich die Katastrophe in Florida ausgelöst hatte. Während der Sitzung der NASAKommission, vor den Augen von einigen zehn Millionen Fernsehzuschauern, führte Feynman, der Theoretiker, ein Experiment durch. Er legte einen von der NASA zur Verfügung gestellten Gummidichtungsring in ein Glas eiskalten Wassers und zeigte anschließend, daß der kalte Dichtungsring erheblich an Elastizität eingebüßt hatte. Damit wollte Feynman demonstrieren, daß die Explosion der Raumfähre seiner Meinung nach durch die bei kaltem Wetter unzulänglich funktionierenden Dichtungsringe verursacht wurde – ein Sachverhalt, der später durch eingehende Untersuchungen bestätigt wurde.
In seinem Gutachten für den amerikanischen Kongreß zeichnete Feynman kein rosiges Bild der NASA-Organisation. Seiner Meinung nach waren es letztlich die nicht mehr überschaubare Bürokratie und die mangelnde Effizienz der Organisation, die zu dem Unglück geführt haben. Feynman schreibt: »Die Challenger-Katastrophe war das letzte Glied einer Kette von Zwischenfällen, bei denen jedesmal Warnzeichen auftraten. Das Problem mit den Dichtungsringen wurde zehn Jahre lang diskutiert. Getan wurde aber nichts, denn niemand hatte detaillierte Informationen. Diese waren nur auf der niedrigsten Ebene vorhanden, bei den Ingenieuren. Warum die Ingenieure auf der niedrigsten Ebene der Entscheidungsprozesse eingestuft wurden, weiß ich nicht, aber dies scheint ein allgemeines Gesetz zu sein: Jene, die etwas über die wirkliche Welt wissen, bilden in diesen großen Organisationen die unterste Stufe, und jene, die nur wissen, wie man andere Leute beeinflussen kann, indem man ihnen sagt, wie schön die Welt im Idealfall sein könnte, sind an der Spitze.« Soweit Feynman zur Organisation der NASA. Mir gegenüber hat er oft ähnliche, manchmal drastischere Worte gebraucht, um vergleichbar große Organisationen, einschließlich der modernen Staatsgebilde, zu charakterisieren.
Feynman wurde am 11. Mai 1918 geboren. Obwohl er seit mehr als 30 Jahren in Kalifornien lebt, hat er seinen typischen New Yorker Akzent beibehalten. Nach seinem Studium am Massachusetts Institute of Technology und an der Princeton University ging er 1941 als frisch promovierter Physiker nach Los Alamos, um am Manhattan-Projekt mitzuarbeiten. Nach dem Ende des Weltkrieges wurde Feynman Professor für Theoretische Physik an der Cornell University im Staat New York. Im Jahre 1950 wechselte er an die berühmteste Technische Hochschule des Westens, an das »California Institute of Technology«. Seit 1959 hat er am Caltech den Richard-Chace-Tolman-Lehrstuhl für Theoretische Physik inne.
Physikern braucht man Feynman nicht vorzustellen. Seine anschaulichen Vorlesungen sind in aller Welt berühmt.
Seine Bücher, die »Feynman Lectures«, sind nahezu in alle bedeutenden Kultursprachen übersetzt und jedem Student der Physik bekannt. Als kleiner Beleg dafür kann der denkwürdige Besuch Feynmans 1978 an der neu gegründeten Universität Wuppertal dienen, übrigens sein erster Besuch Deutschlands überhaupt. Ich hatte als Mitglied der Physikfakultät die Einladung an Feynman ausgesprochen. Daß der Besuch schließlich zustande kam, ist auch der großzügigen Unterstützung durch den Kanzler der Universität, Dr. Klaus Peters, zu verdanken. Der Vortrag sollte im größten Hörsaal der Universität stattfinden. Wir hatten mit vielen Hörern – vor allem auch aus den umliegenden Universitäten Nordrhein-Westfalens – gerechnet. Was wir jedoch nicht wissen konnten, war, daß viele Stunden vor dem Feynman-Vortrag ganze Wagenkolonnen mit Physikstudenten weit entfernt gelegene Universitätsstädte wie München, Heidelberg oder Hamburg verließen, weil die Studenten den legendären Autor der »Feynman Lectures« einmal persönlich erleben wollten. So kam es, daß bereits lange vor Vortragsbeginn der Hörsaal überfüllt war und so viele der Wuppertaler Studenten das Nachsehen hatten.
Zu vielen Forschungsgebieten der modernen Physik, insbesondere zur Kernphysik, Teilchenphysik und Festkörperphysik, hat Feynman wichtige Beiträge geleistet. Den Nobelpreis erhielt er zusammen mit seinem Landsmann Julian Schwinger und dem Japaner Tomonaga für seine Untersuchungen auf dem Gebiet der fundamentalen Wechselwirkung zwischen elektrisch geladenen Teilchen, der Quantenelektrodynamik. Feynmans Stärke ist seine außergewöhnliche Fähigkeit, sehr komplexe Sachverhalte auf einige wenige fundamentale Einsichten zu reduzieren. Das versetzte ihn in die Lage, die Anfang der fünfziger Jahre herrschende Konfusion über die Rolle der Quantenphänomene bei der elektromagnetischen Wechselwirkung auf eine geniale Art zu klären, insbesondere durch die Einführung anschaulicher Bilder der Wechselwirkungen. Diese nach ihm benannten Feynman-Diagramme sind aus der heutigen Physik nicht mehr wegzudenken. Feynman selbst ist recht stolz auf seine Erfindung, die eine Art symbolische Zeichensprache der Physiker geworden ist. Auf seinem Caravan sind zwei seiner Diagramme groß abgebildet. Er erzählt gern, was sich einmal an einer Tankstelle in Arizona zugetragen hat. Feynman fuhr an der Tankstelle vor. Der Tankwart begrüßte ihn mit den Worten »Was, zum Teufel, machen Sie denn mit den Feynman-Diagrammen?«, worauf Feynman antwortete: »Nichts, aber ich bin Feynman.« Darauf weigerte sich der Tankwart, ihm das Benzin in Rechnung zu stellen.
Feynmans wichtigste Beiträge zur physikalischen Forschung in den vergangenen 25 Jahren liegen zweifellos auf dem Gebiet der Elementarteilchenphysik. Insbesondere betreffen sie die Klärung wichtiger Fragen der schwachen Wechselwirkungen zwischen den Elementarteilchen und die Physik der Quarks....